Gesundheitspolitik

Das Null-Retax-Abenteuer

Peter Ditzel

Gäbe es im Bereich Apotheke ein Unwort des Jahres, die Wahl würde auf Null-Retaxierung, kurz Null-Retax, fallen. Richtig groß geworden ist dieses Wort mit den Rabattverträgen. Ausgangspunkt waren und sind Lieferschwierigkeiten von Rabattarzneimitteln oder Wünsche des Kunden nach "seinem" Arzneimittel, das er schon immer hatte und das leider kein Arzneimittel ist, für das ein Rabattvertrag ausgehandelt wurde. Um dem Kunden entgegenzukommen, geben Apotheken dann bisweilen ein anderes Billiggenerikum ab, das sie an Lager haben, oder eben das vom Kunden gewünschte Generikapräparat. Toll für den Kunden, schlecht für den Apotheker – denn in diesem Moment hat er einen Rabattvertrag nicht erfüllt. Die Krankenkasse straft ihn ab, indem sie diesen Rezeptposten auf null retaxiert: d. h., er bekommt von der Krankenkasse das abgegebene Präparat nicht erstattet – obwohl der Versicherte eine Ware erhalten hat. Kaufmännisch gesehen ein Unding, denn immerhin wurde eine Ware geliefert. Aber der Vertrag, dem eine ganz besondere Ware, nämlich das Rabattarzneimittel, zugrunde liegt, wurde nicht erfüllt. Aus kaufmännischer Sicht hätte er zumindest den Preis für das billigere abgegebene Präparate erhalten müssen oder den Preis des verordneten, falls das abgegebene teurer war. Oder doch nicht?

Um diese Frage streiten nun der Deutsche Apothekerverband und die Techniker Krankenkasse. In einem Musterprozess, der bis zum Bundessozialgericht gebracht werden soll, wollen sie klären, ob Retaxationen auf null zulässig sind. Apotheker und Krankenkassen können nun entscheiden, ob sie der Vereinbarung beitreten wollen.

Da alle Fälle seit Ende der Friedenspflicht im Juli 2007 einbezogen werden sollen, steht viel Geld auf dem Spiel. Sollten die Apotheker gewinnen, erhalten sie die einbehaltenen Taxen zurück. Geht der Prozess für die Krankenkassen aus, dürfen sie die Beträge nachfordern. Eine Interimslösung sieht für die dem Prozess beigetretenen Apotheker vor, dass Retaxationen, die nach dem 1. Januar 2009 vorgenommen werden, nur noch 50 Prozent und maximal 25 Euro pro Packung betragen.

Eine Empfehlung, ob man dem Musterprozess beitreten soll, kann man nicht geben. Das muss jeder selbst entscheiden. Ein Rücktritt ist nicht möglich. Es lässt sich nicht absehen, wie der Prozess ausgehen wird. Und: Der Prozess dürfte Jahre dauern: das Null-Retax-Abenteuer.


Peter Ditzel

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