Ausschreibungen für Hilfsmittel unverzichtbar

Vergabekammer widerspricht neuer Rechtslage

BONN (tmb). Die dritte Vergabekammer beim Bundeskartellamt hat in einem Beschluss vom 12. November entschieden, dass Hilfsmittelverträge europaweit ausgeschrieben werden müssen und die Krankenkassen nicht selbst entscheiden dürfen, ob sie eine solche Ausschreibung vornehmen. Falls die nächsten Instanzen zum gleichen Ergebnis kommen sollten, würde die gerade erst geschaffene Neuordnung der Hilfsmittellieferverträge infrage gestellt.

In dem Verfahren hatte ein Hilfsmittellieferant die Vergabekammer angerufen, weil eine Krankenkasse sich nicht bereit erklärt hatte, den Lieferanten an einem Rahmenvertrag zur Hilfsmittellieferung teilnehmen zu lassen. Die Vergabekammer entschied, dass der Vertrag europaweit auszuschreiben gewesen wäre. Daraufhin seien alle diesbezüglich geschlossenen Verträge nichtig (Az.: VK3 – 193/09). Über diese Entscheidung berichtete der Branchendienst "Hilfsmittelmanager".

Öffentliche Aufträge

Gemäß der Rechtsauffassung der Vergabekammer sind auch die gemäß § 127 Absatz 2 SGB V geschlossenen Verträge zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen als öffentliche Lieferaufträge zu qualifizieren. Die Gesetzlichen Krankenkassen werden als öffentliche Auftraggeber im Sinne von § 98 GWB betrachtet. Dabei stützt sich die Vergabekammer insbesondere auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 11. Juni 2009 (Az.: Rs C-300/07) und auf eine Entscheidung des Landessozialgerichtes Nordrhein-Westfalen vom 28. April 2009 (Az.: L 21 KR 40/09 SFB). Beachtenswert sei, dass die EuGH-Entscheidung erst nach Inkrafttreten des GKV-OrgWG gefallen sei, bei der Gesetzgebung also noch nicht berücksichtigt werden konnte.

Gemäß dem GKV-OrgWG sollen die Krankenkassen aufgrund der Zweckmäßigkeit bei den jeweiligen Produkten weitgehend frei entscheiden können, ob sie eine Ausschreibung durchführen oder nicht. Dies sei aber mit dem höherrangigen europäischen Vergaberecht nicht vereinbar, entschied die Vergabekammer. Vielmehr seien § 127 Absatz 1 und 2 SGB V aufgrund des zwingenden Gemeinschaftsrechts nur auf Aufträge mit einem erwarteten Umsatz unter 206.000 Euro anzuwenden. Die Tatsache, dass das Beitrittsrecht von Leistungserbringern gemäß § 127 Absatz 2a SGB V zu einer Vielzahl von Vertragspartnern führen kann, steht der Einstufung der Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber nicht entgegen, erklärte die Vergabekammer. Da die betroffene Krankenkasse vermutlich Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen wird, müsste sich das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen als nächste Instanz mit der Problematik beschäftigen.

Folgen für Apotheken

Die unsichere Rechtslage erscheint besonders prekär, weil Apotheken und andere Leistungserbringer auf dem Hilfsmittelmarkt sich gerade erst auf die vollkommen neue Organisation der Hilfsmittelbelieferung einstellen. So erklärte Axel Pudimat, Vorsitzender des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern, bei der Mitgliederversammlung des Verbandes am 25. November in Rostock-Warnemünde, der Gesetzgeber wolle den Wettbewerb und gestehe den Krankenkassen bei Hilfsmitteln eine viel größere Macht zu. Bei der Mitgliederversammlung wurde deutlich, dass die Regeln für die Versorgung auch ohne aufwendige europaweite Ausschreibungen kaum überschaubar und für die Beteiligten kaum praktikabel sind. Nach den gerade erst geschaffenen Regeln werden für die nicht ausgeschriebenen Produkte Verträge geschlossen, denen andere Anbieter beitreten können. Die Leistungserbringer haben nur die Möglichkeit, die mit den Wettbewerbern ausgehandelten Bedingungen zu akzeptieren oder auf die Belieferung zu verzichten. Theoretisch sind außerdem Einzelverträge möglich, aber andere Optionen gibt es nicht. Sollte die Rechtsauffassung der Vergabekammer bestätigt werden, wären alle Überlegungen zu den neuen Verträgen wohl jedoch wieder hinfällig.

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