Klamme Kassen erschweren Verhandlungen

Berlin (ks). Die aktuelle Prognose des GKV-Schätzerkreises, nach der die gesetzlichen Kassen 2010 mit einem Defizit von fast 7,5 Mrd. Euro zu rechnen haben, überschattet die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und FDP zur Gesundheitspolitik. Kassenvertreter rufen nach mehr Steuergeldern – doch die Kassen des Bundes sind leer. Die FDP sieht den Fonds weiterhin als Wurzel allen Übels, die CDU meint dagegen, er sei nicht schuld an dem Finanzloch und hält an der Geld-Sammel- und -umverteilungsstelle fest.

Die GKV erwartet 2010 ein milliardenschweres Defizit – Koalitionäre stehen unter Druck

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege ließen sich am 8. Oktober die Finanzlage der GKV von der Chefin des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, und dem Präsidenten des Bundesversicherungsamtes, Josef Hecken, erläutern. Und die ist derzeit alles andere als rosig. Wie die neue Regierungskoalition die Probleme lösen wird, ist unklar. Die FDP bleibt dabei, dass der Fonds es ist, der schon bald so manche Kasse in die Insolvenz treiben wird. "Das Konstrukt ist nicht richtig", sagte der FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr nach den Verhandlungen am letzten Donnerstag. Eine Lösung, das Kassenloch zu stopfen, wäre eine Erhöhung des Einheitsbeitragssatzes von derzeit 14,9 Prozent. Davon will Bahr allerdings nichts wissen. Angesichts der Wirtschaftskrise verbiete es sich, die Arbeitskosten durch Entscheidungen im Gesundheitsbereich weiter zu belasten. Eine weitere Lösung wäre, den Arbeitnehmeranteil einseitig zu erhöhen. Dies dürfte aber wenig populär sein. Eine andere Möglichkeit ist, dass die Kassen Zusatzbeiträge von ihren Versicherten erheben. Auch das belastet die Arbeitgeber nicht. Doch die Kassen beklagen hier den allzu großen bürokratischen Aufwand. Zudem herrscht an vielen Enden Unzufriedenheit über die 1%-Grenze. Bislang ist es gesetzlich nur möglich, Zusatzbeiträge zu verlangen, wenn diese auf ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens begrenzt sind.

Eine weitere Lösung wäre es, die Steuerzuschüsse an den Fonds aufzustocken – sie wird seitens der Krankenkassen favorisiert. Doch hiergegen spricht vor allem die desolate Haushaltslage gekoppelt mit den Versprechungen von FDP und CSU, Steuern zu senken sowie der Prämisse, nicht an der Bildung zu sparen. Arbeitsgruppen-Leiterin Ursula von der Leyen (CDU) warnt angesichts der Forderungen nach höherer Staatsbeteiligung vor Schnellschüssen. Nötig sei, ein nachhaltiges Gesundheitssystem zu schaffen.

Nicht zuletzt besteht die Option, im System selbst Hand anzulegen. Leistungskürzungen für die Versicherten stehen dabei sicherlich nicht oben auf der Liste. Aber bei der Pharmaindustrie wäre man sicherlich weniger zimperlich. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Annette Widmann-Mauz, kündigte bereits an, die einzelnen Ausgabenbereiche würden in der Arbeitsgruppe genau unter die Lupe genommen. Gerade bei den vielfältigen Regelungen im Arzneimittelbereich sei es nötig, bessere Lösungen zu finden. So müsse man im Bereich der Innovationen stärker und früher zu Preisverhandlungen zwischen Krankenkassen und Herstellern kommen. Die forschenden Pharmaunternehmen gaben sich bereits gesprächsbereit: Sie seien sich ihrer Mitverantwortung für das System bewusst, erklärte vfa-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer. Sie würden mit der neuen Bundesregierung über Wege sprechen, die den Zugang der Patienten zu innovativen Medikamenten auch bei knappen Ressourcen gewährleisten.

Neben der Finanzfrage wollten die künftigen Koalitionäre Ende letzter Woche die Stärkung der Gesundheitsvorsorge angehen. "Mir liegt am Herzen, gerade das Thema Kinderschutz und Prävention voranzubringen", erklärte von der Leyen. Ob man letztlich in der Arbeitsgruppe selbst eine einvernehmliche Lösung finden wird, ist nicht sicher. Vorbehalte äußerte hier der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder (CSU): "Die Gesundheitspolitik bleibt umstritten. Es gibt noch viel Diskussionsbedarf." Er schloss nicht aus, dass die Frage des Gesundheitsfonds am Ende von den Parteichefs in kleiner Runde entschieden werden muss.

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