Wirtschaft

DAX: Start in die US-Berichtssaison

Alcoa liefert Zahlen ab – Reicht "weniger schlecht als erwartet" auch in Zukunft aus?

(hps). Es ist wohl weniger dem Zahlenwerk von Alcoa zu verdanken, dass der DAX in seinem Abwärtstrend eine Verschnaufpause einlegen konnte. Der Aluminiumkonzern bestätigte mit seinem Quartalsbericht die allgemeine Einschätzung, das sich der Fall der Weltwirtschaft verlangsamt. Vielmehr war der Markt technisch überverkauft und legte eine Verschnaufpause ein. Ob solche lauen Meldungen auch in Zukunft dazu angetan sind, die Anlegerstimmung hoch zu halten, darf indes bezweifelt werden.

Die aktuelle Marktlage

Schlechte US-Arbeitsmarktzahlen hatten die Börsen zunächst in einen regelrechten Schockzustand versetzt. Die Sorgen über den Welthandel kehrten zurück und mithin die Angst, dass in diesem Umfeld die extrem niedrigen Handelsumsätze während der Sommerpause die Abwärtstendenz eher noch verstärken könnten. Einen weiteren Schlag gegen die heile Welt der Konjunkturoptimisten versetzte die Beraterin von Präsident Obama, die laut über die Notwendigkeit eines weiteren Konjunkturpaketes nachdachte – was verständlicherweise etwas für Verwirrung bei all jenen sorgte, die den Wirtschaftsaufschwung schon ante portas vermutet hatten. Ansonsten war die Nachrichtenlage durchwachsen.

Einer starken inländischen Industrieproduktion im Mai stand ein überraschend starker Rückgang bei den japanischen Auftragseingängen gegenüber. Auch die japanischen Exporte brachen im Mai um 42 Prozent gegenüber dem Vorjahr ein, wobei sich der Rückgang gegenüber April sogar noch beschleunigte. Alles in allem eine bittere Pille für die Bullen. Dann endlich eröffnete Alcoa den Quartalsreigen. Der Konzern veröffentlichte zum dritten Mal in Folge tiefrote Quartalszahlen, aber weniger schlecht als von Experten erwartet. Zum Ausblick machte der Konzern keine Angaben. Alcoa gilt unter Experten als Indikator für die Geschäftsentwicklung aller US-Unternehmen schlechthin. Zuletzt sorgte eine Studie von JP Morgan für Erleichterung. Danach bevorzugt die Bank europäische Werte – und dabei insbesondere deutsche Aktien. Im Gegenzug stufen die Amerikaner die Aktienmärkte in den USA und Großbritannien zurück.

Aus der Perspektive der Analysten

Die anlaufende Berichtssaison wird in den nächsten drei Wochen das dominierende Thema bleiben. Die diesbezüglichen Einschätzungen fallen ganz unterschiedlich aus. Die Allianz Global Investors rechnet sogar mit der ein oder anderen positiven Überraschung, die eventuell als "Turbo" für die Märkte wirken könnte. Auch die Stuttgarter Ellwanger & Geiger sehen die allgemeinen Gewinnerwartungen schon soweit reduziert, dass weitere Enttäuschungen eher unwahrscheinlich sind. Die Privatbank billigt daher dem DAX weiteres Potenzial nach oben zu, im schlechtesten Fall sei eine Seitwärtsbewegung auf dem derzeitigen Niveau zu erwarten. Diese Ansicht wird allerdings nicht von allen geteilt. Der Aktienmarkt sei alles andere als billig, so ist zuhören. Für die DAX-Werte hat die DZ-Bank auf Basis der Gewinnschätzungen für 2009 ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 29 errechnet – ein historisch ambitionierter Wert. Falls nun das zweite Quartal auch noch schlechter ausfiele, stiege damit die Bewertung – bei gleichbleibenden Kursen – noch weiter an, so die Pessimisten. Die optimistische Sichtweise des verlangsamten Abschwungs dürfte dann nicht mehr ziehen. Die Strategen von AXA haben unterdessen den amerikanischen Markt unter die Lupe genommen und bezeichnen den bisherigen Kursaufschwung als "Müll-Rallye", bei der gerade die Gesellschaften mit den höchsten Unternehmensverlusten die größten Kursgewinner stellten. Das sei keine Basis für einen breit angelegten Börsenaufschwung, so die Meinung der Experten. Das Ganze in handfesten Zahlen ausgedrückt: Die Landesbank Berlin sieht beim DAX Kurse deutlich unter 4500 Punkten und auch die Deutsche Bank bleibt bei ihrer negativen Einschätzung und sieht weiterhin einen Test der 4000er Marke im DAX.

Musterdepot und Strategie

Der BMW-Put war eine schnelle Aktion und wird am 8. Juli mit Plus 68 Prozent glattgestellt. Wegen der drohenden Endfälligkeit wird gleichzeitig beim Henkel mit Minus 50 Prozent die Reißleine gezogen.

DAX am 9. Juli (13.30 h): 4630 Punkte.

Aktie
zum
Kurs
Tipp
vom
Kurs
aktuell
Veränderung
in %
Strategie
DWS Russia
74,38
14.01.
107,83
+ 45%
Verkauft 29.4.
ThyssenKrupp Put
0,12
28.01.
0,13
+ 8%
Verkauft 20.2.
Lufthansa Put
0,09
28.01.
0,10
+ 11%
Verkauft 20.2.
Telecom Put
0,48
04.02.
0,76
+ 58%
Verkauft 12.2.
RWE Put
0,25
04.02.
0,35
+ 40%
Verkauft 12.2.
Metro Put
0,12
25.02.
0,18
+ 50%
Verkauft 2.3.
ThyssenKrupp Put
0,11
11.03.
0,17
+ 29%
Verkauft 1.4.
M.A.N. Put 06/09
0,15
29.04.
0,22
+ 47%
Verkauft 14.5.
BMW Put 06/09
0,16
27.04.
0,48
+ 200%
Verkauft 14.5.
SAP-Put 08/09
WKN: GS10NS
1,30
04.06.
1,60
+ 91%
Verkauft 17.6.
BMW Put 08/09
WKN: CG4XRR
0,15
11.06.
0,31
+ 107%
Verkauft 24.6.
BMW Put 05/09
0,18
18.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
Bayer Put
0,31
18.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
Metro Put 05/09
0,13
18.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
Salzgitter Put
0,28
18.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
RWE Put
0,37
25.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
SAP Put
0,08
01.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
Deutsche Bank Put
0,32
01.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
Metro Put 06/09
WKN: CM2JUG
0,21
16.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
Deutsche Börse Put 06/09
WKN: CM1KEZ
0,26
20.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
Caterpillar Put 06/09
WKN: CG3DFN
0,15
23.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
RWE Put 06/09
WKN: AA1AE0
0,18
13.05.
0,00
Verlust
ausgebucht
Henkel Put 07/09
WKN: CM3PRW
0,02
21.05.
0,01
– 50%
Verkauft 8. 7.
Metro Put 09/09
WKN: DB94LX
0,18
28.05.
0,26
+ 44%
Halten
Henkel Put 08/09
WKN: CG4XXB
0,076
18.06.
0,05
– 29%
Halten
Salzgitter Put 09/09
WKN: CM2YZH
0,48
25.06.
0,70
+ 46%
Halten
Deutsche Bank 09/09
WKN: CB43VU
0,28
25.06.
0,33
+ 18%
Kaufen
BMW Put 09/09
WKN: CG4KMB
0,19
02.07.
0,32
+ 68%
Verkauft 8. 7.
zum Vergleich:
DAX seit 8. 1.
4871,00
4630,00
– 5%
Die Angaben zu Aktienkäufen im Musterdepot und im Artikel sind nur fiktiv zu verstehen, es handelt sich dabei keinesfalls um Kaufempfehlungen.

Aus der Sicht des Querdenkers


Das 787 Mrd. Dollar starke Konjunkturprogramm der Amerikaner hat bislang nicht viel gebracht. Vor allem ist es am US-Arbeitsmarkt komplett vorbeigegangen. Dafür kostet es 100 Millionen Dollar Zinsen – pro Tag. Dies steht mit Sicherheit in keiner Relation zu dem, was die Börse bereits als "Wirtschaftserholung" eingepreist hat. Jetzt denkt die amerikanische Regierung bereits über ein weiteres Hilfspaket nach. Nüchtern fällt auch die Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) hinsichtlich der Wirtschaftsentwicklung für das kommende Jahr aus. 2,5 Prozent Wachstum weltweit, aber nur 0,8 Prozent Plus in den USA, 8,5 bzw. 6,5 Prozent in China und Indien. Es hat also gute Gründe, warum Alcoa im Quartalsbericht den Ausblick schuldig geblieben ist. Der Sturzflug der Weltwirtschaft ist vorerst gestoppt, mehr aber auch nicht. Die künftigen Zuwachsraten werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wesentlich bescheidener ausfallen als von der Börse angenommen. Das könnte bedeuten, dass ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20 und mehr, wie es bislang üblich war, in einem solchen Umfeld nicht mehr angemessen erscheint. Die Kurse müssen runter, um künftig auch bei eher moderaten Unternehmensgewinnen noch nennenswerte Kursreaktionen erzeugen zu können. Zudem wird man bei der Auswahl der Aktien selektiver vorgehen müssen. Das Wachstum ereignet sich praktisch nur in Asien, aber nicht alle DAX-Werte sind in China und Indien auch gut aufgestellt. Und dies gilt auch nur für den Fall, dass sich die Wirtschaftserholung tatsächlich ungestört fortsetzen kann. Die Profis schenken der Staatsverschuldung nicht allzu viel Beachtung. Das könnte sich rächen, denn das Vertrauen der Anleger in die Zahlungsfähigkeit der Emittenten nimmt stetig ab, die Renditen steigen. Die Regierungen versuchen nun mit dem Aufkauf von Staatsanleihen gegenzusteuern. Als erste hat nun aber die Bank of England kapituliert. Sie will ihr Rückkaufprogramm nicht weiter aufstocken, weil es bislang keine Erfolge verzeichnen konnte. Die Hilfspakete, auf die die Börse vertraute, scheinen kaum mehr refinanzierbar zu sein. Das alles spricht für eine wunderbare Trader-Börse. Investoren, die an kurzfristigen Kursgewinnen interessiert sind. Für mittelfristig orientierte Anleger sieht es dagegen eher nach einer Durststrecke aus. Bei derart unattraktiven Aussichten sollte der DAX zunächst die 4400 Punkte-Marke ansteuern. Die Optimisten werden aber vermutlich erst bei 4000 Punkten ernsthaft gegensteuern.

Peter Spermann

Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.

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