Gesundheitspolitik

Betrug?

Klaus G. Brauer

Vier kleine 15er Packungen, die im Einkauf nach Lauer-Taxe für die Apotheke deutlich billiger kommen als eine 60er Packung – Beispiele für eine solche verdrehte Preisstruktur sind zwar eher selten, aber es gibt sie. Normal ist: Fünf zwanziger Packungen sind im Einkauf deutlich teuer als zwei 50er und erst recht als eine 100er. Dass eine Reihe von (besonders cleveren?) Apotheken die Ausnahmen systematisch genutzt haben soll, um z. B. statt einer 60iger Packung (die gleichwohl abgerechnet wurde) vier 15er abzugeben, schlägt in den Medien hohe Wellen (s. DAZ 28/2009, S. 15). Von einem Millionenskandal und Abrechnungsbetrug ist die Rede. Zurecht?

Krankenkassen und Patienten ist auf den ersten Blick kein Schaden entstanden: Die verordnete Großpackung wurde ja der Kasse berechnet, und die Patienten erhielten in der Summe nicht weniger als verordnet. Die betroffenen Apotheker verschafften sich aber eine höhere Marge; einen Vorteil, dem kein Nachteil, kein Geschädigter gegenüber steht?

Dieser Schluss wäre vorschnell. Würde die Zusatzmarge, ermöglicht durch die abstruse Gestaltung der Herstellerabgabepreise einzelner Pharmaunternehmen, nicht beim Apotheker landen, hätten diese Pharmaunternehmen zusätzlichen Spielraum für Preissenkungen oder Zugeständnisse im Rahmen der Rabattverträge. Dass sich Krankenkassen durch die beschriebenen Praktiken geschädigt fühlen können, ist also nicht von der Hand zu weisen.

Richtig ist auch, dass sich die betroffenen Apotheker Zusatzmargen verschafft haben, die den von der Arzneimittelpreisverordnung und den gesetzlich im HWG fixierten Rabattrestriktionen vorgegebenen Rahmen weiten oder sogar sprengen. Der eine oder andere mag das als legitim empfinden. Legal ist es wohl nicht.

Es kann auch nicht einfach als Formalie abgetan werden, wenn die aufgedruckte Pharmazentralnummer nicht dem entspricht, was dem Patienten ausgehändigt wurde. Immerhin könnten dadurch Rückrufaktionen ins Leere laufen. Weniger ernst zu nehmen ist, dass Ungenauigkeiten auch beim gesetzlich vorgeschriebenen Herstellerrabatt auftreten können. Hier würde sich der Hersteller, der durch seine Preisgestaltung die Stückelung attraktiv gemacht hat, selbst schädigen.

Tatsache ist: Der politisch diktierte Margenverfall macht den Apotheken zunehmend zu schaffen. Politisch dagegen zu kämpfen, ist berechtigt und auch notwendig – aber gültige Gesetze sind einzuhalten, bestehende sozial- und apothekenrechtliche Vorschriften dürfen nicht unterlaufen werden. Alle, die bislang – meist im Verbotsirrtum – durch Stückelung ihre Marge verbessert haben, sollten umdenken.


Klaus G. Brauer

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