Gesundheitspolitik

HAV warnt vor Banalisierung des Arzneimittels

EuGH-Urteil ist Sieg für den Verbraucher- und Patientenschutz

OFFENBACH (hav/az). Anlässlich des Jahrespressegesprächs des Hessischen Apothekerverbands warnte Dr. Hans Rudolf Diefenbach, stv. Vorsitzender des Verbandes, vor einer Banalisierung des Arzneimittels im Zusammenhang mit den Arzneimittel-Abholstellen, sogenannten Pick-up-Stationen. Diese befänden sich mittlerweile nicht mehr nur in Drogeriemärkten, sondern seien auch im Blumenladen, in der Reinigung und in Tankstellen zu finden.

Alles gefälscht Kirsten Kuhl, Pressesprecherin des Hessischen Apothekerverbands, präsentierte den Journalisten der Tages- und Fachpresse eindrucksvoll einen Karton gefälschter und vom Zoll sichergestellter Arzneimittel.

Foto: HAV

Arzneimittel seien erklärungs- und beratungsbedürftig. Deshalb warne man die Bürger davor, mit ihrer Gesundheit zu experimentieren. Um die Patienten über die Wirkungen, aber auch Nebenwirkungen zu informieren und zu beraten, hätten die Apotheker ein hochqualifiziertes Studium abgeschlossen. Die Politik sei gefordert, hier zu handeln und nicht zu warten, bis es hier einen gravierenden Arzneimittelzwischenfall gebe, so Diefenbach vor Journalisten der Tages- und Fachpresse.

Sieg für Verbraucherschutz

Das Apotheken-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Mai 2009 zum Fremdbesitzverbot bei Apotheken wertete Diefenbach als Sieg für den Verbraucher- und Patientenschutz. Das Gericht habe richtig erkannt, dass es beim Betrieb von Apotheken durch Nichtapotheker in erster Linie um Gewinnstreben und nicht um die Gesundheit der Bevölkerung gehen könne. Bei einem unabhängigen Apotheker sei davon auszugehen, dass er die Apotheke nicht nur aus rein wirtschaftlichen Zwecken betreibe, sondern auch unter einem beruflich-fachlichen Blickwinkel. Sein privates Interesse an Gewinnerzielung werde somit durch seine Ausbildung, seine berufliche Erfahrung und die ihm obliegende Verantwortung gezügelt, da ein etwaiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder berufsrechtliche Regeln nicht nur den Wert seiner Investition, sondern auch seine eigene berufliche Existenz erschüttern würde. Beim Betrieb einer Apotheke durch einen Nichtapotheker könne jedoch eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere für die Sicherheit und Qualität des Einzelhandelsvertriebs der Arzneimittel entstehen, weil das Gewinnstreben nicht mit den genannten mäßigenden Faktoren einhergehe, heißt es in der Begründung des Gerichts.

Diefenbach betonte, dass der Wettbewerb bei den Apothekern bereits seit Langem Einzug gehalten habe. Dieser sei aber häufig ein Leistungs- und seltener ein Preiswettbewerb. Zahlreiche Apotheken spezialisierten sich auf bestimmte Zielgruppen und Serviceleistungen. Als Beispiele nannte er die Themenfelder Homöopathie, Ernährungsberatung und Haut- bzw. Kosmetikberatung. Verärgert zeigte sich Diefenbach über Berichte, die suggerierten, dass die Arzneimittelpreise in Deutschland mit zu den höchsten zählten. Fakt sei, dass diese im europäischen Mittelfeld liegen würden.

Rabattverträge gut gestartet

Der Start der am 1. Juni in Kraft getretenen neuen AOK-Rabattverträge sei, was die Lieferfähigkeit der Arzneimittel anbelange, reibungslos verlaufen. Dennoch seien die Apothekenmitarbeiter wieder stark gefordert, die jahrelang an ein bestimmtes Produkt gewöhnte Patienten davon zu überzeugen, dass das neue Arzneimittel genauso gut geeignet sei wie das bisherige.

600.000 gefälschte Viagra-Tabletten sichergestellt

Über erhebliche Steigerungsraten bei der Sicherstellung von gefälschten und nicht zugelassenen Arzneimitteln berichtete Gabriele Grupe vom Zollfahndungsamt Frankfurt am Main. So lag im Jahr 2008 die Steigerungsrate der sichergestellten gefälschten oder nicht zugelassenen Arzneimittel bei 400 Prozent. Bei Anabolika betrug sie 75 Prozent.

An verbotenen bzw. nicht zugelassenen Arzneimitteln wurden rund 1.073.500 Stück (215.800) und nahezu 52 Kilogramm (z. B. Coffein-/ Paracetamol-Gemisch) sichergestellt. Den größten Anteil machte hier eine Sendung mit Potenzmittelfälschungen aus, bei der 600.000 gefälschte Viagra-Tabletten sichergestellt wurden. An nicht zugelassenen Schlankheitsmitteln wurden 172.000 Tabletten (2007: 50.000) aus dem Verkehr gezogen.

Die in den ersten fünf Monaten dieses Jahres sichergestellten illegalen Präparate lassen darauf schließen, dass sich die Zahlen weiter erhöhen werden.

Grupe machte bei dieser Gelegenheit deutlich, dass Verbraucher, die Arzneimittel aus dem Ausland bestellen, nicht nur Gefahr laufen, Fälschern und Betrügern in die Hände zu fallen, sondern sich bei der Einfuhr illegaler Präparate auch nach dem Arzneimittelgesetz strafbar machen und mit Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren, in schweren Fällen sogar bis zu zehn Jahren bestraft werden können.

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