Gesundheitspolitik

Droht Non-compliance, kann Sonder-PZN verwendet werden

AOK vertraut auf Fachkompetenz der Apotheker

Berlin (tw). Bestehen bei der Umstellung auf ein Rabattarzneimittel pharmazeutische Bedenken, kann der Apotheker sich für die Abgabe des gewohnten Präparats entscheiden. Das gilt auch für Bedenken hinsichtlich der Compliance. Es sei wichtig, dass alle Apotheken über diese Regelung informiert seien, so AOK-Chefunterhändler Dr. Christopher Hermann in einem Hintergrundgespräch am 20. Mai in Berlin.

Mit Inkrafttreten der neuen AOK-Rabattverträge kommt ein erheblicher Mehraufwand auf die Apotheken zu. Die Tatsache, dass viele AOK-Versicherte ein für sie ungewohntes Präparat erhalten werden, bringt einen vermehrten Beratungsbedarf mit sich. Die AOK rät Apothekern hier, vor allem auch auf die Vorteile für den Patienten hinzuweisen.

Was hat der Patient von den Rabattverträgen?

"Das Hauptargument sehen wir darin, dass das Präparat nun über mindestens zwei Jahre nicht mehr ausgewechselt wird, der Kunde hat zwei Jahre Sicherheit", so Hermann in Berlin. Das sei zuvor so klar nicht gewährleistet gewesen, da der Apotheker bei immer wechselnden Preisen wiederholt zwischen den drei günstigsten Präparaten entscheiden musste. Weiterhin brächten die Rabattverträge finanzielle Entlastungen für die AOK und damit für die Solidargemeinschaft der Beitragszahler. Diese hätten dadurch nicht nur längerfristig Vorteile durch eine höhere Beitragsstabilität, sie würden auch direkt sparen: Die gesetzliche Aufzahlung entfällt bei allen Rabattprodukten komplett.

Letztlich entscheidet der Apotheker

Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass einige Patienten mit Unverständnis, Verärgerung oder gar Aggressivität reagierten und das neue Präparat trotz ausführlicher Beratung ablehnten. Zeichnet sich schon im Beratungsgespräch eine derartige Unbelehrbarkeit ab und besteht berechtigter Grund von einer Non-Compliance aufgrund der Umstellung auszugehen, so kann sich der Apotheker dazu entscheiden, den Patienten mit seinem gewohnten Präparat zu versorgen. Dazu muss er die Sonder-Pharmazentralnummer (PZN), die auch für Lieferdefekte vorgesehen ist, sowie eine ausführliche Begründung auf dem Rezept neben dem Arzneimittel vermerken. Gleiches gilt für anderweitige pharmazeutische Bedenken, die sich zum Beispiel für die kritischen Indikationen wie Schilddrüsenerkrankungen ergeben können. Auch bei einem Austausch von Präparaten mit speziellen, schwer erlernbaren und fehleranfälligen Anwendungsformen wie beispielsweise Inhalatoren können pharmazeutische Bedenken bezüglich der Therapiesicherheit gerechtfertigt sein.

Die AOK vertraue dabei auf die Fachkompetenz der Ärzte und Apotheker, dass sie die "Compliance-PZN" nicht inflationär oder falsch einsetzten, so Hermann in Berlin. Es habe sich gezeigt, dass die Apotheker diese Entscheidungen sehr verantwortungsbewusst treffen. Die Auswertung der derzeit laufenden Rabattverträge belege, dass rund 70 Prozent der Patienten auf das entsprechende Rabattarzneimittel geswitcht würden. "Wir gehen davon aus", konstatiert Hermann, "dass die restlichen 30 Prozent medizinisch hinreichend begründet sind."

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