Gesundheitspolitik

Arzneimittel an der Tanke

Apotheker richtet Pick ups an Tankstellen ein/Kammer: Rechtliches Vorgehen ist schwierig

Uslar (diz). Was dm und Schlecker können, kann er als Apotheker auch, nur besser. Das dachte sich Apotheker Hermann Rohlfs im niedersächsischen Uslar und ging mit seinem Konzept "apotank" am 12. Mai an den Start: Er will mit seiner Arzneimittel-Pick-up-Station an Shell-Tankstellen "Patienten und Automobilisten" einen neuen Service bieten: Sie können direkt an der Tankstelle ihre Arzneimittel bestellen oder ihr Rezept abgeben. Die Arzneimittel werden dem Kunden dann nach Hause geschickt, oder er kann sie an der Tankstelle abholen.

Wie Rohlfs in einem Gespräch mit der AZ darlegt, sieht er Vorteile für die Kunden beispielsweise in den längeren Öffnungszeiten der Tankstellen. Während die Post die Kunden bei der Arzneimittelauslieferung tagsüber meist nicht antrifft und die Postämter "noch schlimmere Öffnungszeiten haben als jede Apotheke", können Apotank-Kunden ihre Arzneimittel an einigen Tankstellen rund um die Uhr oder zumindest von morgens 6 bis nachts um 22 Uhr abholen. Der Kunde kann bei seiner Stamm-Tankstelle vorbeifahren, seine Bestellung aufgeben und am nächsten Tag abholen, so Rohlfs. Parkplatzprobleme gibt es nicht. An den Tankstellen liegen Flyer und Broschüren zu den Arzneimittelangeboten aus. Die bekannten Schnelldreher-Produkte werden zu den üblichen Discount-Preisen angeboten, die Lieferung erfolgt versandkostenfrei an die Tankstelle zur Selbstabholung oder nach Hause gegen einen geringen Aufschlag. Mit seinem Konzept versucht er, den normalen Versandhandel zu überbieten, außerdem will er den Pick-up-Stellen Paroli bieten durch längere Öffnungszeiten an Tankstellen.

Hintergrund für diese Offensive ist der Ärger darüber, dass überhaupt der Versandhandel zugelassen wurde. Der Apotheker ist von drei Drogeriemärkten umgeben, die mit Versandapotheken zusammenarbeiten und Arzneimittel-Pick-up anbieten. Rohlfs: "Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich den gesamten Versandhandel wieder abschaffen." Aber, so seine Ansicht, der Gesetzgeber habe nun mal dazu aufgerufen, Arzneimittel auf neuen Vertriebswegen anzubieten.

Am Projekt Apotank ist er bereits seit einem Jahr dran – nachdem das Bundesverwaltungsgericht im März 2008 die dm-Pick-ups sanktioniert hat.

In einer sechsmonatigen Pilotphase wollen Shell und Apotank den neuen Service zunächst in vier, später in zwanzig Tankstellen in Ballungszentren, entlang der Autobahn (zum Beispiel auch für Fernfahrer, Berufspendler) und in dünn besiedelten Gebieten anbieten, um die Serviceleistungen und das Angebot zu optimieren. Später ist sogar an ein bundesweites Angebot gedacht – "wenn alles optimal läuft und wenn keine rechtlichen Blockaden aufgebaut werden".

Rohlfs zeigt sich überzeugt: "Wir denken, dieses Angebot wird von unseren Kunden hervorragend angenommen werden. Tankstellen wandeln sich immer mehr zu kleinen Nahversorgungszentren. Da passt das Apotank-Shell-Konzept genau dazu."

Auf die Frage, ob er Schwierigkeiten von Seiten der Kammer erwartet, gibt sich Rohlfs gelassen. "Ich denke, die Kammer kann da nichts machen, solange dm-Pick-up-Stellen mit richterlicher Zustimmung arbeiten."

Das Konzept wurde auch mit der Rechtsabteilung von Shell abgestimmt, die unter den heutigen Gegebenheiten keine Angriffspunkte fand.

Und so stehen nun an vier Shell-Tankstellen in Luhden, Bad Nenndorf, Stadthagen und Minden mannsgroße Aufsteller (siehe Foto), die auf den neuen Arzneimittelabholservice aufmerksam machen. Die Idee der Aufsteller hat sich Rohlfs von der Drogeriekette Rossmann abgeguckt, wo Pappaufsteller auf die Zusammenarbeit mit einer Versandapotheke aufmerksam machen. "Ein bisschen halte ich der Drogeriebranche damit auch den Spiegel vor, wobei ich meine Idee für die bessere ansehe", so der rührige Apotheker, der bereits vier Apotheken betreibt.

Auf die Frage, ob denn bereits Geld zwischen Shell und Apotank fließt, ließ Rohlfs durchblicken, dass man erst einmal abwarten wolle, wie das Angebot von den Kunden angenommen wird. Erst nach der Pilotphase soll darüber gesprochen werden.

Bedenken, dass er sich durch seine Apotank-Aktion den Zorn von Kollegen zuzieht, hat Rohlfs nicht: "Ich mache nichts, was andere nicht schon vorgemacht haben. Ich gehe nur erlaubte, vorgetretene Pfade. Ich rufe meinen Kollegen zu: Wenn Zorn aufkommt, dann richtet ihn bitte an die zuständigen Politiker. Bisher habe ich nichts gehört, dass die Politik den Arzneimittel-Versandhandel aus den Drogeriemärkten zurückdrängen will."

Bei der Kammer Niedersachsen kommt die Aktion des Apothekers aus Uslar erwartungsgemäß nicht gut an. Dr. Martin Thomsen, Geschäftsführer der Apothekerkammer Niedersachsen, gegenüber der AZ: "Das haben wir nun davon." Man werde das Konzept Apotank ganz genau anschauen, aber derzeit könne man noch nicht sagen, ob sich dagegen etwas unternehmen lasse. Vor dem Hintergrund der dm-Pick-up-Stellen könnten der Kammer oder den Ordnungsbehörden möglicherweise die Hände gebunden sein, dagegen einzuschreiten. Aber man werde genau prüfen. Thomsen: "Eigentlich müsste die Politik einschreiten, dass so etwas endlich aufhört."

Apotheker Hermann Rohlfs (46) besitzt neben seiner Rats-Apotheke in Uslar drei weitere Apotheken. Er betreibt ein Labor zur Herstellung von Zytostatika und parenteraler Ernährung. Mit Apotank steigt er nun in den Versandhandel ein.

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