Gesundheitspolitik

Unabhängige Apotheken: Stabil in der Krise

DAV-Wirtschaftsforum in Berlin: "Zukunftsmodell Apotheke: persönlich und unabhängig"

Berlin (ks). Das diesjährige Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) fiel in eine turbulente Zeit: Der Start der neuen AOK-Rabattverträge steht kurz bevor, die Beratungen zur Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) kommen in die Schlussphase und am 13. Mai steht ein weiteres Spitzengespräch über die Anpassung des Apothekenabschlags an. Nicht zu vergessen: Nächste Woche wird das lang erwartete Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Fremdbesitzverbot fallen. Der DAV-Vorsitzende Fritz Becker zeigte in seinem Lagebericht auf, was die Apotheken derzeit bewegt.

Der DAV hatte sein Wirtschaftsforum am 7. und 8. Mai in Berlin unter das Motto "Zukunftsmodell Apotheke: Persönlich und unabhängig" gestellt. Von welcher Wichtigkeit gerade die Unabhängigkeit der Apotheke ist, verdeutlicht für Becker die derzeitige internationale Wirtschaftskrise. Für ihn ist sie ein gutes Beispiel dafür, dass es gute Gründe für eine starke Regulierung der Arzneimittelversorgung gibt: "Einer der Auslöser der Krise waren exakt die Interessenverflechtungen, die das Fremd- und Mehrbesitzverbot bei Apotheken verhindert." Die Unabhängigkeit der Apotheker in Deutschland von Herstellern und Großhändlern garantiere, dass im Arzneimittelbereich niemals Ähnliches geschehen könne, wie im Finanzbereich, so Becker. Die deutschen Apotheken gewährten auch in der Krise stabil und verlässlich die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Und so gibt sich der DAV-Vorsitzende auch mit Blick auf den 19. Mai optimistisch: "Wir sind uns sicher: Der Europäische Gerichtshof wird sehr feinsinnig entscheiden".

Rabattverträge und Zielpreismodelle

Doch die Apotheken haben noch an einigen weiteren Ecken und Enden zu knabbern: So starten zum 1. Juni die neuen AOK-Rabattverträge, einen Monat später sollen sie bereits scharfgestellt werden. "Wir Apotheker haben das Instrument Rabattvertrag seit seiner Einführung unterstützt", betonte Becker. Dabei habe man konstruktiv auf Probleme aufmerksam gemacht, die den Patienten durch die Verträge entstehen könnten. Mit einem gewissen Erfolg: In den Rahmenvertrag zur Arzneimittelversorgung haben bereits einige Forderungen der Apotheker Eingang gefunden, etwa nach mehr Flexibilität bei pharmazeutischen Bedenken oder Compliance-Problemen. "Sträflich ignoriert" habe man bei den jüngsten AOK-Verträgen allerdings die Forderung nach Vereinbarungen mit mindestens drei Herstellern je Wirkstoff. "Eine kulante Übergangsregelung ist daher unumgänglich". Die bisherige Unterstützung durch die Apotheken sei "kein Blankoscheck für den Abschluss mangelhafter Rabattverträge", betonte Becker. Da zu erwarten ist, dass auch andere Kassen neue Ausschreibungen für Rabattverträge starten, forderte der DAV-Vorsitzende nochmals nachdrücklich, dass die Verträge praktikabel sein müssten und die Versorgung der Patienten nicht beeinträchtigen dürften. Die Gefahr von mangelhafter Lieferfähigkeit, Compliance-Problemen und überbordendem Verwaltungsaufwand könnte aus Beckers Sicht leicht gebannt werden: Mithilfe von Zielpreismodellen. Erfreut zeigte er sich, dass sich die Gmünder Ersatzkasse (GEK) und die BKK Gesundheit mit dem DAV auf Eckpunkte einer solchen Vereinbarung für 181 Wirkstoffe verständigt haben. Inkrafttreten könnte die Vereinbarung zum 1. Januar 2010 – in den kommenden Tagen soll über die Annahme dieser Zielpreisvereinbarung abgestimmt werden.

AMG-Novelle: Noch fehlt das Pick-up-Verbot

Auch die AMG-Novelle hält die Apotheker in Atem. In gut einem Monat sollen die Beratungen zum Gesetzentwurf im Gesundheitsausschuss abgeschlossen sein. Ein zentraler Punkt ist die Umstellung der Großhandelsvergütung auf einen prozentualen kombiniert mit einem fixen Zuschlag. Hintergrund ist der zunehmende Direktvertrieb einiger Hersteller sowie der Trend zu niedrigpreisigen Generika, die gemeinsam die Margen der Grossisten schrumpfen lassen. Zugleich soll dem Großhandel ein Sicherstellungsauftrag auferlegt werden. Der DAV begrüßt diese Änderungen grundsätzlich – Ziel sei es, die Vollsortierung des Großhandels zu erreichen. Wären die Apotheken dazu gezwungen, zunehmend auf den Direktvertrieb zurückzugreifen, bedeute dies einen enormen administrativen Aufwand, so Becker. Was die Vergütung betrifft, so betonte der DAV-Vorsitzende, dass die Umstellung für die Apotheken kostenneutral sein müsse: "Eine finanzielle Belastung der Apotheken, die durch eine überzogene Einschränkung der variablen Vergütungskomponente resultieren würde, stellt aus unserer Sicht den Apothekenabschlag an die GKV infrage – und zwar grundsätzlich." Verständnis hat Becker zudem für die Absicht des Gesetzgebers, die Preisbildungsmechanismen bei onkologischen Rezepturen, in denen Fertigarzneimittel verwendet werden, zu modifizieren. Tatsächlich versickerten hier erhebliche Einsparpotenziale. Doch gilt es aus Sicht des DAV noch einige Regelungslücken zu schließen und Grundlagen für die Preisvereinbarungen auszugestalten. Auch dürfe das Vorhaben nicht auf alle parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln angewandt werden, sondern nur auf onkologische. Nicht zuletzt erhofft sich der DAV, dass der Gesetzentwurf zur AMG-Novelle noch um ein Verbot von Pick-up- und Rezeptsammelstellen von Versandanbietern ergänzt wird. Nachdem der Bundesrat die Anträge Bayerns und Sachsens abgelehnt hat, den Versandhandel mit Arzneimitteln auf nicht verschreibungspflichtige Präparate zu begrenzen, will man zumindest durch diese Verbote einer Trivialisierung von Arzneimitteln entgegenwirken.

Streit um Apothekenabschlag

Sehr beschäftigt ist man beim DAV derzeit auch mit dem Apothekenabschlag, der bereits seit geraumer Zeit angepasst werden soll.

Es muss "Schluss" sein, mit der "maß- und entschädigungslosen Belastung der Apotheken", forderte Becker. Am 13. Mai werden sich Vertreter des DAV und des GKV-Spitzenverbandes erneut zur Abstimmung zusammenfinden. Der Deutsche Apothekerverband fordert eine Absenkung von derzeit 2,30 Euro auf 1,70 Euro. Diesen Kompromiss hatten die Beteiligten bereits vor Monaten ausgehandelt – doch dann meldete das Bundesgesundheitsministerium Bedenken an und die Kassen bekamen ebenfalls Zweifel. Wenn es diese Woche zu keiner Einigung kommt, wird das Schiedsamt entscheiden.

Dem sieht Becker jedoch gelassen entgegen. Denn für ihn sind die Fakten klar: Die Umsetzung der Rabattverträge produziere in den Apotheken jährlich Mehrkosten im dreistelligen Millionenbereich. Zudem hätten die Apotheken durch die Erhöhung des Abschlages für die Kassen seit April 2007 ein "Sonderopfer" von 240 Millionen Euro an die Kassen gezahlt. Von Leistungsgerechtigkeit und Kostenberücksichtigung, wie sie bei der Anpassung des Abschlags in § 130 SGB V vorgeschrieben sind, könne in der derzeitigen Situation keine Rede sein, so Becker.

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