Gesundheitspolitik

Bundessozialgericht stärkt Gemeinsamen Bundesausschuss

Richtlinienbeschlüsse des G-BA unterliegen lediglich der Rechtsaufsicht durch das Bundesgesundheitsministerium

Berlin (ks). Das Bundessozialgericht (BSG) hat dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) bei der Überprüfung von Richtlinienbeschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) Schranken gesetzt: Nach einem aktuellen Urteil des BSG steht dem Ministerium gegenüber dem Gremium der Selbstverwaltung lediglich eine Rechtsaufsicht, nicht aber eine weitergehende Fachaufsicht zu.
(Urteil des BSG vom 6. Mai, Az.: B 6 A 1/08 R)

Konkret ging es um einen Beschluss des G-BA, der die Protonentherapie als stationäre Leistung bei Brustkrebs ausgeschlossen hat. Das BMG hatte diese Entscheidung beanstandet, woraufhin der G-BA eine rechtliche Klärung vor den Sozialgerichten angestrengt hat – mit Erfolg: Das BSG kam zu dem Ergebnis, dass bei Brustkrebs eine Protonenbestrahlung nicht auf Kosten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durchgeführt werden darf. Eine derartige Therapie von Mammakarzinomen anstelle der bislang üblichen Bestrahlung mit Photonen (Röntgenstrahlen) sei nur im Rahmen klinischer Studien möglich, in denen Wirksamkeit und Nebenwirkungen genauer erforscht werden. Das BSG konnte keine Rechtsfehler bei der Entscheidung des G-BA feststellen. Die Einschätzung, dass die Wirksamkeit dieser Therapieform im Falle von Mammakarzinomen noch nicht ausreichend gesichert sei, halte sich im Rahmen der dem G-BA zukommenden Gestaltungsfreiheit beim Erlass von Richtlinien. Stationäre Leistungen müssen nach vergleichbaren Maßstäben vom G-BA beurteilt werden wie ambulante Leistungen, so das Gericht. Es hat daher nunmehr letztinstanzlich die Beanstandung des BMG als rechtswidrig beurteilt und sie deshalb aufgehoben. Das hat zur Folge, dass diese Richtlinie jetzt in Kraft treten kann.

Pro Gestaltungsfreiheit des G-BA entschieden

Zugleich haben die Kasseler Richter eine zweite Grundsatzfrage geklärt: Das BMG kann seine fachliche Beurteilung nicht durch eigene Zweckmäßigkeitserwägungen ersetzen, solange die Entscheidung des G-BA fachlich vertretbar und rechtmäßig beschlossen worden ist. Dies lasse sich zwar dem Wortlaut des einschlägigen § 94 SGB V nicht eindeutig entnehmen, ergebe sich aber aus dem traditionellen System des Aufsichtsrechts in der Sozialversicherung und vor allem aus der Rolle und Funktion des G-BA bei der Bestimmung des GKV-Leistungsumfangs in rechtsverbindlichen Richtlinien. Der Vorsitzende des entscheidenden Senats, Ulrich Wenner, führte dazu aus: "Könnte das BMG mithilfe seiner Aufsichtsbefugnisse den Inhalt der Richtlinien des G-BA selbst in allen Einzelheiten festlegen und damit die Gestaltungsfreiheit des G-BA aushöhlen, würde dies zwangsläufig die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Erlasses unter gesetzlicher Vorschriften durch ein Ministerium abweichend von den Vorgaben in Artikel 80 Grundgesetz erneut aufwerfen".

Hess: Klarstellung im beiderseitigen Interesse

Der Vorsitzende des G-BA, Rainer Hess, sieht durch das Urteil sein Gremium in seiner fachlichen Verantwortung gestärkt. Die Entscheidung enthalte eine "positive Signalwirkung für die gemeinsame Selbstverwaltung". Zugleich warb Hess um Verständnis für die ungewöhnliche Klage gegen das Ministerium: "Wir streiten uns nicht gerne mit unserer Aufsicht vor Gericht und tun dies deshalb auch in aller Regel nicht. Für unsere Arbeit ist eine sichere Rechtsgrundlage aber unabdingbar. Die Klärung strittiger Grundsatzfragen durch die Gerichte ist deswegen notwendig und liegt im beiderseitigen Interesse."

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