Management

Motivationspower für den Apothekenalltag

Warum es sich lohnt, die eigenen Motivatoren zu kennen

Was motiviert Sie, täglich die Herausforderungen anzunehmen, vor die Ihre Kunden oder Patienten Sie stellen? Wie schaffen Sie es, Regelungen und Gesetze einzuhalten, obwohl Sie von so manchen Vorgaben nicht überzeugt sind? Was treibt Sie überhaupt, in dieser Apotheke zu arbeiten? Vermutlich nicht nur Ihr Gehalt oder Ihr Unternehmensgewinn. Irgend etwas an Ihrem Arbeitsplatz und in Ihnen selbst motiviert Sie, immer wieder aufs Neue den Erfolg anzustreben – ganz gleich, wie Sie persönlich "Erfolg" definieren.

Die Managementliteratur kennt unterschiedliche Motivationsansätze. Vor allem die persönlichen Voraussetzungen, die ein Mensch mitbringt, stellen wesentliche Weichen dafür, mit welchen Methoden oder unter welchen Umweltbedingungen er überhaupt motivierbar ist, oder ob die Motivationsversuche bzw. -erwartungen ihn eher stören.

Verrückte Verkäufer vom Fischmarkt

Wer sich mit Motivation in einem verkaufsintensiven Beruf befasst, kommt an einem der bekanntesten Motivationsbücher kaum vorbei: Fish, erstmals erschienen in den USA im Jahr 2000. Das Buch erzählt die (hypothetische) Geschichte eines Fischverkaufsstandes auf dem Pike Place Fish Market in Seattle, Washington. Durch ungewöhnliche Kommunikationsmethoden und begeisterte Hingabe an die tägliche Arbeit hebt sich das Team von Lonnies Fischstand von allen Wettbewerbern sichtbar und hörbar ab.

Diese vier Grundregeln bestimmen dort den Arbeitsalltag:

1. Wähle deine Einstellung: Man hat immer die Wahl, wie man seine Arbeit machen will, auch dann, wenn man sich die Arbeit selbst nicht aussuchen kann.

2. Betrachte die Arbeit als ein Spiel.

3. Bereite anderen Freude.

4. Sei präsent.

Zunächst klingt das alles sehr einleuchtend – aber wie sind diese Ideen in einer deutschen Apotheke umsetzbar? Ist das wieder so ein US-amerikanisches Erfolgsmodell, das weder auf unsere Marktsituation noch auf unsere Mentalität übertragbar ist?

Wege aus der alltäglichen Unzufriedenheit

Reinhard Sprenger veröffentlichte 1997 ein noch heute heiß umstrittenes Buch mit dem Titel: Mythos Motivation. Er prangerte schonungslos an, durch welche Belohnungen, Erpressungen, Demotivationsmethoden und Führungsschwächen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter ihrem eigentlichen Leistungsniveau gehalten werden, wie also ihre möglicherweise vorhandene Motivation systematisch untergraben wird.

Weiterhin widmete Sprenger sich dem Thema Verantwortung. In seinem Band "Die Entscheidung liegt bei dir" kommt er zu der gleichen Schlussfolgerung wie Fish: Wir können selbst entscheiden, wie wir unsere Arbeit, unseren Beruf, ja unser ganzes Leben wahrnehmen und führen – und wir können das nicht nur, wir tun es, und zwar jeden Moment!

Die Radikalität dieser Erkenntnis, nämlich dass wir für unsere eigene Einstellung niemand anderen verantwortlich machen können als uns selbst, erregt überall dort Widerstand, wo Menschen sich ohnmächtig fühlen, wo sie sich in ihren Entscheidungsmöglichkeiten begrenzt sehen und wo sie von anderen schlecht behandelt werden.

Genau hier setzt Fish an: "Die Arbeit auf einem Fischmarkt ist kalt, nass, glitschig, es riecht nicht gerade ange-nehm und es ist eine ordentliche Plackerei. Aber zumindest haben wir die Möglichkeit, unsere Arbeitseinstellung zu bestimmen."

Intrinsische und extrinsische Motivation

Die eigene Einstellung zu wählen gehört zur intrinsischen Motivation, das ist die Leistungsbereitschaft, die der Mensch von innen heraus selbst entwickelt. Dieser steht die extrinsische Motivation gegenüber, also äußere Anreize, die uns zum Handeln motivieren (siehe Kasten "Motivation von innen und außen").

Menschen sind unterschiedlich motiviert und motivierbar; bei den meisten findet sich ein Mix aus beiden Motivationsansätzen. Menschen arbeiten in der Regel nicht nur, um ein Einkommen zu erzielen, sondern sie haben bereits mit der Wahl ihrer Ausbildung die Weichen dafür gestellt, ihre Arbeitskraft in einem ganz bestimmten Tätigkeitsfeld einzusetzen.

Fish baut mit seinen Leitsprüchen insbesondere auf intrinsische Motivatoren. Wie ein Mensch motivierbar ist, scheint eine persönliche Gegebenheit zu sein, die im Laufe des Lebens eher stabil bleibt. Wer also sich selbst oder seine Angestellten motivieren will, sollte zunächst herausfinden, wer auf welche Motivatoren bevorzugt reagiert.


Motivation von innen und außen


Intrinsische Motivation

Freude an der Arbeit an sich,

"in der Arbeit aufgehen"

Selbst gesteckte Ziele erreichen,

eigene Anforderungen erfüllen

Lernen, persönliche Weiterentwicklung

Eigene Ideen entwickeln, ausprobieren, umsetzen

Sich selbst freuen, weil man anderen

eine Freude macht
Extrinsische Motivation

Bezahlung und Bonussysteme


Gratifikationen, z. B. günstiger

Mitarbeitereinkauf, Incentives

Anerkennung durch andere

Prestige, Status, Sichtbarkeit,

Öffentlichkeit

Macht und Einfluss an sich

Warum arbeiten in Apotheken so viele Frauen?

PTAheute und Adexa haben im Herbst 2008 eine Umfrage auf der Expopharm und unter PTAheute -Leserinnen und -Lesern durchgeführt. Für die Tatsache, dass in Apotheken so viele Frauen arbeiten, wurden verschiedene Gründe mit unterschiedlicher Häufigkeit genannt (siehe Kasten "Frauen in Apotheken").

Die zweite und die vierte Antwort in dieser Liste basieren auf der intrinsischen Motivation, ganz persönlich im Umgang mit anderen Menschen einen nützlichen Beitrag zu leisten. Diese Tendenz aus der Umfrage wird gestützt von einer aktuell veröffentlichten Studie der klinischen Psychologin Susan Pinker. Sie schreibt, "dass Frauen im Durchschnitt eher durch intrinsische Belohnungen bei der Arbeit motiviert sind. Interesse am Beruf, die Fähigkeit, einen Beitrag zu leisten, und die Möglichkeit, positive Veränderungen in der realen Welt zu bewirken, sind ihnen wichtiger als ein höheres Gehalt".

Intrinsische Motivation ist ein starker Motor, insbesondere für die 82% Frauen in unseren Apotheken; aber damit sie sich entfalten kann, sind Voraussetzungen am Arbeitsplatz nötig wie z. B. ein hinreichender persönlicher Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum sowie ein Umfeld, in dem das eigene professionelle Handeln als erfolgreich erlebt wird.


Frauen in Apotheken


Umfrage unter PTAheute -Leserinnen und Lesern.

Als Gründe, dass in Apotheken so viele Frauen arbeiten, wurden verschiedene Gründe mit folgender Häufigkeit genannt (Mehrfachnennungen waren möglich):

  • Die meisten Männer arbeiten nicht zu diesen Gehältern
  • Andere Menschen zu versorgen und sich um ihre Gesundheit zu kümmern
  • gehört zur weiblichen Natur

  • Das hat sich historisch so entwickelt
  • Frauen haben mehr Interesse an kundennahen Berufen
  • Weil Apotheken so frauenfreundlich sind

46%

39%


11%

31%

16%

(143)

Was wäre, wenn die Arbeit ein Spiel wäre?

Fish führt an vielen Beispielen aus, welche Vorteile es hat, die Arbeit zu einem Spiel zu machen, z. B.:

  • Glückliche Menschen behandeln auch andere gut.
  • Spaß macht die Menschen kreativ.
  • Die Zeit vergeht wie im Flug.
  • Sich zu amüsieren ist gut für die Gesundheit.
  • Die Arbeit selbst erscheint als Lohn, nicht nur als Mittel zum Lohn.

Eine wichtige Voraussetzung allerdings wird hierbei nicht berücksichtigt: Passt es denn zum "Stil" und zur intrinsischen Motivation jeder Person, die Arbeit zu einem Spiel zu machen, selbst wenn die oben angeführten Argumente noch so überzeugend wirken? Wieso muss die Arbeit "angereichert" werden mit Spiel und Spaß – enthält sie, für einen von Natur aus intrinsisch motivierbaren Menschen, nicht an und für sich schon einen Lohn? Wer gerne Gartenarbeit verrichtet, kennt das Gefühl tiefer Befriedigung bei jedem Handgriff, selbst wenn man mit dornigen Rosen kämpft oder Wurzelstrünke aus dem Boden zerrt.

Ein wissenschaftlich umfassend evaluierter Persönlichkeitstest, der MBTI (Myers Briggs Type Indicator), nennt die Spielorientierung mancher Menschen als ein Merkmal der sogenannten wahrnehmungsorientierten Typen. Bents und Blank haben ein Buch herausgegeben, das diese Typen mithilfe von Illustrationen sehr anschaulich beschreibt. Am anderen Ende der Skala, also als Gegenüber zu den wahrnehmungsorientierten Typen, wird die Strukturorientierung genannt. Hier wird Fish den größten Widerstand oder zumindest ein gewisses Befremden gegenüber seiner Spiel-Empfehlung ernten: Strukturorientierte Typen arbeiten auf ein Ziel hin, sind entschlussfreudig und möchten Ergebnisse sehen. Produktivität ist für sie wichtig, sie möchten lieber kontrollieren, was geschieht, anstatt sich überraschen zu lassen.

Diese persönliche Orientierung zwischen Struktur- und Wahrnehmungsorientierung ist maßgeblich dafür verantwortlich, ob jemand durch die Idee "die Arbeit ist ein Spiel" überhaupt motivierbar ist. Wer ausgeprägt strukturorientiert ist, fühlt sich durch das "Spielen" seiner Kollegen nämlich eher gestört. Hier liegt ein erhebliches Potenzial zur Demotivation eines Apothekenteams.

Präsent sein und Multitasking

Die Aufforderung, bei der Arbeit "präsent" zu sein, gefällt mir persönlich am Motivationsansatz von Fish mit Abstand am besten. Was hier geleistet wird, ist ein radikaler Verzicht auf Multitasking, solange man mit einem anderen Menschen kommuniziert. Diese Einstellung hat fundamentale Folgen.

Gerade in kundennahen Berufen und in Arbeitssituationen wie in der öffentlichen Apotheke finden viele kleine Tätigkeiten eng hintereinander statt. Die Versuchung, mehrere Aufgaben simultan auszuführen, ist hoch: z. B. im Computer nach Daten suchen und währenddessen mit der Kundschaft sprechen, oder gleichzeitig telefonieren und ein Präparat heraussuchen und schon bereit legen. Mit dem Argument der Zeitersparnis werden Tätigkeiten zusammengezogen, die das Gehirn unterschiedlich beanspruchen, z. B. Sprachzentrum vs. räumliche Orientierung.

Torkel Klingberg, Professor für kognitive Neurowissenschaft am Karolinska-Institut in Stockholm, erforscht neurologische Mechanismen des Konzentrationsvermögens und des Arbeitsgedächtnisses. In seinem inspirierenden Buch über Multitasking nennt er eine Reihe von Gründen, warum die simultane Ausführung mehrerer Tätigkeiten Nachteile haben kann – und gibt Fish damit Recht.

Zwei Arten von Anforderungen muss unser Arbeitsgedächtnis bewältigen: 1. Das reizbedingte Arbeitsgedächtnis muss Ablenkungen filtern, also z. B. entscheiden, ob ein ablenkender Reiz weiter verfolgt werden soll oder gerade irrelevant ist. Beispiel: Während eine PTA einen Kunden berät, beginnt ein Kleinkind das Freiwahlregal auszuräumen.

2. Das kontrollierte Arbeitsgedächtnis muss sicherstellen, dass der Präparate- oder Wirkstoffname auf einem Rezept korrekt gelesen wird und genau das Produkt in der Stärke, Aufmachung etc. abgegeben wird, das verschrieben wurde bzw. das seinen Zweck erfüllen wird.

Zur Kontrolle der Aufmerksamkeit braucht man das Arbeitsgedächtnis also sowohl zum Zuhören – wer steht gerade vor mir, was sagt die Person? – als auch zum Ablesen von Text auf dem Rezept. Multitasking, nämlich beides gleichzeitig zu machen, stellt erhöhte Anforderungen ans Arbeitsgedächtnis und erhöht auch das Risiko für Fehler. Je höher der Schwierigkeitsgrad, um so mehr muss sich das Arbeitsgedächtnis anstrengen. Diese Belastung wird minimiert mit der Aufforderung bei Fish "Sei präsent!" Fish empfiehlt für den Umgang mit Kunden, sich ausschließlich auf den Menschen, auf den Moment und auf das Gespräch zu konzentrieren. In der Apotheke heißt das, erst dann in den Computer zu schauen, Schubladen zu öffnen, Produkte abzugeben, wenn es im natürlichen Fluss des Gesprächs passend ist, die Aktivität zu wechseln.

Der Fischmarkt ist ein hektisches Geschäft. Zeit ist auch dort ein Luxusgut. Aber durch die 100%ige Aufmerksamkeit für den Kunden wird jeder Kontakt viel wertvoller und eindrücklicher, selbst wenn die Begegnung sehr kurz ist. Wenn die größte Gruppe der in Apotheken arbeitenden Menschen davon motiviert wird, mit anderen Menschen umzugehen und sie in ihrer Gesundheit zu unterstützen, dann dürfte der größte Motivator für sie tatsächlich sein, dass sie es sich und einander ermöglichen, in jedem einzelnen Kundenkontakt voll präsent zu sein. Ob man das als Ernst oder als Spiel betreibt, ist dann nicht mehr so wichtig. Beides funktioniert.


Vera Naumann, Kommunikation & Organisation, www.vera-naumann.de


Literaturtipps


Torkel Klingberg: Multitasking. Wie man die Informationsflut bewältigt ohne den Verstand zu verlieren. – C. H. Beck 2008
Susan Pinker: Das Geschlechter-Paradox. Über begabte Mädchen, schwierige Jungs und den wahren Unterschied zwischen Männern und Frauen. – DVA 2008
Richard Bents, Reiner Blank: Typisch Mensch. Einführung in die Typentheorie. – Beltz Test 2005
Reinhard Sprenger: Die Entscheidung liegt bei dir! Wege aus der alltäglichen Unzufriedenheit. – Campus 2004
Stephen Lundin et al.: Fish! Ein ungewöhnliches Motivationsbuch. – Redline Wirtschaft bei Ueberreuter, 2001
Reinhard Sprenger: Mythos Motivation. Wege aus einer Sackgasse. – Campus 1997

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