Wirtschaft

DAX: Kratzer im Lack

Prinzip Hoffnung stößt an seine Grenzen

(hps). Aktien verzeichneten die ersten größeren Kurseinbußen seit Wochen. Das sei die Chance zum Wiedereinstieg, sagen die einen. Der Anfang vom Ende einer Bärenmarktrallye sei in Sicht, meinen die anderen. Unterdessen erhöhen dieser Tage immer mehr Banken und Vermögensverwalter deutlich die Aktienquote ihrer Kunden.

Die aktuelle Marktlage

Dem Highlight aus der Bankenszene scheint nun die Ernüchterung zu folgen. Es werden inzwischen erhebliche Zweifel angemeldet, ob die jüngsten Ergebnisse der US-Banken Wells Fargo, JP Morgan oder Goldman Sachs tatsächlich das halten können, was sie versprechen. So habe beispielsweise Goldman Sachs bei seinem jüngsten Zahlenwerk einfach den schlechten Monat Dezember 2008 herausgerechnet. Außerdem sind die Bilanzrichtlinien neuerdings aufgeweicht worden. Soll heißen: Die US-Finanztitel haben offensichtlich etwas Rouge aufgelegt, um die Staatsgelder so schnell wie möglich wieder zurückzuzahlen. Die Institute wollen sich möglichst rasch der Kontrolle durch die US-Regierung entziehen.

Bilanzkosmetik hin oder her – fest steht jedenfalls: Sieht man einmal von den Ergebnissen der Banken ab, dominieren in der Bilanzsaison eindeutig die Schattenseiten: Der Chemiegigant Du Pont meldete für das erste Quartal einen Umsatzeinbruch und nahm auch die Prognose für 2009 zurück. Baumaschinenhersteller Caterpillar lieferte den ersten Quartalsverlust seit 1992 ab. Auch hier wurden die Gesamtprognosen für das laufende Jahr zurückgenommen. Selbst IBM leidet unter Umsatzeinbußen. Recht bedenklich auch die Bank of America: Hier warnt man vor "extrem schweren Herausforderungen" durch faule Kredite. Klar negativ auch die Bank Morgan Stanley. AT&T und eBay gehörten zu den wenigen, die die Analystenschätzungen überbieten konnten.

Die Perspektive der Analysten

Von der "Geburt eines neuen Aufwärtstrends" sprechen die Analysten, während Fundamentalisten zu bedenken geben, dass es auch während der Wirtschaftskrise 1929 zwischendurch zu einer deutlichen Kursrallye gekommen sei.

Die Meinungen über den weiteren Fortgang an der Börse klaffen immer weiter auseinander. Optimisten, wie beispielsweise die Experten der NordLB, bauen nach wie vor auf ein Ende der Krise und auf weiter steigende Kurse. Manche Analysten stellen hier bis zu 5300 DAX-Punkte in Aussicht. Immerhin, so führen die Bullen an, sei die Rallye schon mehrmals totgesagt worden. Die Pessimisten dagegen denken, dass die realen Faktoren die jüngsten Hoffnungen auf eine Wirtschaftswende bald wieder zunichte machen dürften. Außerdem sei die Kursexplosion bei den Banken übertrieben und die ausbleibenden Ausblicke in der laufenden Berichtssaison bergen einiges an Enttäuschungspotenzial in sich. Im einem scheinen sich beide Lager jedoch weitgehend einig: Allzu heftig dürfte es wohl nicht bergab gehen – das März-Tief bei 3600 DAX-Punkten sollte also halten. Als nächste Unterstützungslinie wird dabei häufig die 4250 Punkte-Marke im DAX genannt.

Musterdepot und Strategie

Der nächste Put-Schein bezieht sich auf den amerikanischen Baumaschinenhersteller Caterpillar Das Unternehmen hat erst jüngst die Jahresprognose zurückgenommen. Dennoch ist die Aktie gestiegen. Der Schein der Citigroup hat eine Basis von 30 Dollar (aktuell bei 32,45 USD) und eine Laufzeit bis Juni 2009. WKN: CG 3DFN.

Der DAX am 23. April (14.00 h): 4592 Punkte.

Aus der Sicht des Querdenkers


Nun sind es also schon zwei. Mit Beiersdorf und der Telekom sind zwei Titel aus dem DAX unter ihr März-Tief gefallen, das einem DAX-Stand von rund 3600 Punkten entspricht. Die Telekom brauchte für diesen Absturz nur einen Tag, Beiersdorf drei. Das Schicksal der Volksaktie Telekom zeigt dabei, wie es im Zweifel um die viel gepriesenen, renditestarken Defensivtitel bestellt ist. Der Senkung der Gewinnprognose folgt die Angst vor einer Dividendenkürzung – und das war‘s dann auch schon mit der vermeintlichen Sicherheit im Depot.

Ist indes der Absturz beider Werte nur ein Ausreißer? Mag sein. Im Gesamtzusammenhang deutet aber vieles auf einen bevorstehenden Bruch der 3600er Marke im DAX hin.

Seitdem Notenbank und Regierung dies- und jenseits des Atlantiks den Anlegern und Unternehmern ins kollektive Unterbewusstsein eingebläut haben, dass es von nun an mit den Dingen wieder bergauf ginge, laufen scheinbar alle zwischen Frankfurter Börsenparkett und Hannover Messe mit einem der Welt entrückten Lächeln durch die Gegend. Die Investoren wollen plötzlich – da ganz weit hinten – ein Licht entdeckt haben. Solche Erfahrungen sollen allerdings auch schon all jene gemacht haben, die man kurz vor dem Jenseits noch mal zurückgeholt hat. Allein die Tatsache, dass sich die Fallgeschwindigkeit der Wirtschaft scheinbar verlangsamt, sollte nicht schon als Kehrtwende interpretiert werden. Da genügt bereits ein Blick auf den Ölpreis: Das Schwarze Gold konnte die 50 Dollar-Marke pro Barrel nicht halten und befindet sich wieder auf dem Rückzug. Oder können Sie etwas Beruhigendes daran finden, wenn der Chef des weltgrößten Chemiekonzerns BASF das Schlimmste immer noch vor uns sieht? Immerhin gilt die Chemie als der Gradmesser der Wirtschaftsentwicklung schlechthin. Dies bestätigt auch die technische Analyse: Nach dem jüngsten Kursaufschwung sieht alles nach einer massiven Kurskorrektur aus. Dabei wird es wohl gerade der Unbefangenheit der Optimisten zuzuschreiben sein, wenn der Kursrückgang dann entsprechend dynamisch verläuft. Laut Statistik liegt der Aktienanteil der Depots jetzt wieder bei durchschnittlich 52%. Eine Menge Zuwachspotenzial für die Bären.

Peter Spermann


Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.