Management

Gesprächsführung mit Hindernissen

Wie Apotheker bei einem Blackout richtig reagieren

Der Apotheker streut mitten in der Argumentation ein Zitat ein oder stellt eine Frage, die nur bedingt mit dem Thema zu tun hat. Was ist passiert? Schlechte Vorbereitung? Nein – der Apotheker ist gerade dabei, den Blackout zu umschiffen.

Das passiert selbst "alten Hasen" im Kundengespräch und gilt sowohl für den Apotheker als auch seine Mitarbeiter: Die Argumentation ist wie von einem schwarzen Loch verschluckt, der Apotheker weiß nicht mehr, welche Nutzenvorteile er auflisten wollte. Der Blackout ist da. Ist Ehrlichkeit nicht die beste Reaktion? "Lieber Kunde, ich hänge gerade fest, bitte geben Sie mir einen Moment Zeit, mich zu sammeln."

Es mag menschlich sein, ist aber in vielen Kundenaugen nicht gerade ein Kompetenzbeweis, wenn der Blackout eintritt. "Konnte der sich nicht besser vorbereiten?", wird zumindest derjenige denken, der den Anspruch stellt, ein Blackout dürfe nie und nimmer vorkommen. Insofern ist die Frage, ob ein Blackout größere Nachteile nach sich zieht, stets kundenabhängig zu beantworten.

In der "Abdunkelungskammer"

Allein die Forderung, sich doch intensiv auf das Kundengespräch vorzubereiten, weil dies die beste Waffe gegen den Blackout sei, genügt nicht. Eine kurze Ablenkung, die plötzliche Befürchtung, das Kundengespräch misslinge oder man erreiche die angestrebten Ziele nicht, kann zu Nervosität und zum "Stromausfall" führen. Dagegen hilft selbst die beste Vorbereitung nicht.

Hinzu kommt: Wenn die wohlüberlegte Argumentationskette reißt und der Aussetzer da ist, kann dies daran liegen, dass der Apotheker einem Kommunikationsparadox aufgesessen ist: Je mehr Argumente er in der Vorbereitung angehäuft hat, um die neuen Produkte aus dem Frei- und Sichtwahlbereich zu präsentieren und deren Vorteile darzustellen, je detaillierter die Argumentationsstrategie ausfällt – desto größer die Gefahr, dass er plötzlich im Dunklen sitzt.

Das englische "black out" wird mit "abdunkeln" übersetzt – ursprünglich war damit das schlagartige Verlöschen der Scheinwerfer am Ende einer Kabarett- oder Theateraufführung gemeint. Dieses Wissen hilft dem Apotheker zunächst nicht weiter. Was kann er tun, um aus der Blackbox herauszukommen?

  • Hilfreich ist es, wenn er die Ursache(n) für den Blackout identifiziert. Vor allem, wenn der "Filmriss" des Öfteren auftritt, ist zu prüfen, ob allgemeine Gründe wie Versagensangst vorliegen. Dann muss der Apotheker an diesen Ursachen arbeiten.

  • Der Apotheker bereitet für den konkreten Fall, also den Moment des Blackouts, Strategien vor und überlegt präventiv, welche Möglichkeiten ihm zur Verfügung stehen, auf die plötzliche Abdunklung zu reagieren.

Wie der Apotheker seinen Mitarbeitern hilft, mit Blackouts umzugehen


  • den Mitarbeitern die Angst vor dem Versagen, vor dem Blackout nehmen, indem das Thema im Team besprochen wird. Die Mitarbeiter merken im Erfahrungsaustausch: "Das passiert auch den Kollegen!"

  • das Selbstwertgefühl der Mitarbeiter steigern

  • die genannten Strategien vorstellen, durchsprechen und einüben

  • "semantische Höfe" zu wichtigen Themen gemeinsam erarbeiten

Strategie 1: Auf dem semantischen Hof bleiben

Der Apotheker bereitet sich darauf vor, auch einmal plötzlich und unerwartet einen "Nebenschauplatz" zu betreten. Dazu beschäftigt er sich in der Vorbereitung intensiv mit dem Thema, das im Mittelpunkt des Kundenkontakts steht. Dann jedoch weitet er diese Vorbereitung inhaltlich-thematisch aus – und nutzt die Lehre vom "semantischen Hof". Semantik ist die Wissenschaft von der Bedeutung, die ein Wort haben kann – dazu ein Beispiel: An dem Aktionstag geht es um Produkte zum Thema "Gesundheitsschutz im Urlaub". Die Produkte kennt der Apotheker selbstverständlich sehr gut – nun aber legt er überdies zum Thema Urlaub eine Assoziationskette an: Was fällt ihm dazu alles ein? Wohin fahren die Deutschen am liebsten, und warum?

Zweck der Übung: Der Apotheker setzt sich mit einem Inhalt derart auseinander, dass er den Blackout überbrücken kann, indem er auf "Nebenthemen" wie den Urlaub ausweicht: "In diesem Zusammenhang fällt mir ein tolles Erlebnis aus meinem letzten Urlaub ein …" Oder: "Übrigens, ein Freund war auch schon einmal dort und hat Folgendes berichtet … – Doch zurück zu unserem eigentlichen Thema …"

Es muss nicht, aber es kann gelingen: Indem der Apotheker während des Aussetzers zwar von seinem eigentlichen Gesprächsthema abschweift, aber doch den "semantischen Hof" nicht verlässt, also im weitesten Sinne beim Thema bleibt, erhöht er die Wahrscheinlichkeit, dass er den Argumentationsfaden wieder findet.

Der Dichter Heinrich von Kleist (1777 – 1811) hat in seinem Aufsatz "Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden" die Theorie aufgestellt, man könne beim Reden das Unbewusste nutzen: Man solle beim Sprechen mit der Entfaltung des Hauptgedankens beginnen und einfach drauf los reden. Dann vervollständigen sich allmählich die richtigen Gedanken wie von selbst.

Dazu ist eine gewaltige Portion Selbstvertrauen notwendig. Trotzdem: Eine Top-Vorbereitung, die semantische Assoziationssammlung, der Mut, mit dem Reden einfach loszulegen, und das Unterbewusstsein helfen dem Apotheker eventuell, den Blackout in den Griff zu bekommen.

Strategie 2: Fragen und zitieren

Souverän reagiert der Apotheker im Falle eines Blackouts, wenn er eine allgemein-unverbindliche Frage zum Thema stellt: "Bevor ich weiterrede, was sagen Sie denn dazu? Wie sind Ihre Erfahrungen?" Solche Fragen haben den Vorteil, dass der Kunde vielleicht sogar das Gesprächsthema, das der Gesprächspartner zurzeit "vergessen" hat, aufgreift – und beim Apotheker das Licht wieder angeht.

Dieser sollte überdies ein paar Zitate bereithalten. Ideal ist es, wenn sich das Zitat auf das Gesprächsthema bezieht. Zitatbanken im Internet, die thematisch geordnet sind, helfen ihm und dem Apothekenteam, sich gezielt vorzubereiten.

Strategie 3: Geschichte erzählen

In eine ähnliche Richtung weist das "Story Telling": Der Apotheker erzählt eine Geschichte oder Anekdote, die zum Gesprächsinhalt passt. Zudem kann er eine Floskel oder Killerphrase einbauen. Doch Achtung: Gerade der Phrasen-Hinweis wirft ein Licht auf die Zweischneidigkeit mancher Strategie: Der Kunde könnte sich aufgrund der Floskel, des Zitats oder des Sprechens auf dem "Nebenschauplatz" verärgert zeigen. Schließlich möchte er zuallererst über die Produkte informiert werden, die der Apotheker anbietet. Eine goldene Regel, wann er welche Strategie einsetzen sollte, gibt es daher leider nicht.

Bleibt die Frage: Ist bei einem Blackout nicht zugleich auch die Strategie gegen den Blackout "weg"? Die Erfahrung zeigt, dass selten die Festplatte als Ganzes ausfällt. Oft betrifft der "Filmriss" etwa die Nutzenvorteile, die Anti-Blackout-Strategie aber steht weiterhin zur Verfügung.


Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater

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