Gesundheitspolitik

Studie: Einheitlicher Beitragssatz unnötig hoch

Reduzierter Apotheken-Fixzuschlag soll sparen helfen/ABDA: Studie für den Papierkorb

Berlin (ks). Die gesetzlichen Krankenkassen verfügen einer aktuellen Studie zufolge über Effizienzreserven in Höhe von 5,6 bis 9,8 Mrd. Euro. Errechnet hat diese Summe das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) und der Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie der Universität Duisburg-Essen im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Das Fazit der Autoren: Die Anfang 2009 erfolgte Beitragssteigerung auf einheitlich 15,5 Prozent ist unnötig. Der einheitliche Beitragsatz könnte vielmehr um 0,6 bis 1 Prozentpunkte niedriger liegen, ohne dass es zu Qualitätseinbußen im Gesundheitswesen käme. Bei ihren Berechnungen legen die Wissenschaftler unter anderem einen um zwei Euro reduzierten Fixzuschlag für die Apotheken zugrunde.

Die brachliegenden Effizienzreserven sind aus Sicht der Autoren Folge des mangelnden Wettbewerbs im Verhältnis der Kassen zu den Leistungserbringern. Dies äußere sich etwa in überhöhten Preisen und zu hohen Fallzahlen bei Leistungen der Krankenhäuser und Arztpraxen, Überkapazitäten bei Krankenhäusern und überzogenen Handelsmargen bei Arzneimitteln. Untersucht wurden die stationäre und ambulante Versorgung sowie der Arzneimittelbereich. Die drei Sektoren machen zusammen 72 Prozent der GKV-Ausgaben aus.

Verglichen wurden die zum Teil erheblich unterschiedlichen Preise und Mengen medizinischer Leistungen in den 16 Bundesländern. Das Einsparvolumen errechnet sich, wenn jeweils das Preis- und Mengenniveau der teuren Bundesländer auf das Niveau der günstigeren gesenkt wird. Im konservativen Szenario A nehmen die Autoren als Referenzmarke für Einsparungen das durchschnittliche Preis- bzw. Mengenniveau aller Bundesländer. Dabei errechnen sie ein Einsparvolumen von 5,6 Mrd. Euro. Im einem optimistischen Szenario B dient jenes Bundesland als Referenzmarke, dessen Preis- bzw. Mengenniveau in der Mitte zwischen dem günstigsten und dem Durchschnitt aller Bundesländer liegt. Dabei errechnet sich ein Einsparvolumen von 9,8 Mrd. Euro.

Apotheken und Großhandel im Visier

Bei den Arzneimittelausgaben sehen die Studienautoren dabei Einsparmöglichkeiten von 2,33 Mrd. Euro im konservativen Szenario A bzw. von 3,41 Mrd. Euro im optimistischen Szenario B. Bei Ausgaben von 26,9 Mrd. Euro (Basis 2007) sind dies 9 bzw. 13 Prozent. Zur Berechnung dieser Summe gehen die Autoren von einer Verringerung der Ausgaben aus, aber auch von einer Kürzung der Margen des Großhandels und der Apotheken. Allein durch ein verändertes Verordnungsverhalten, ließen sich die Ausgaben um 0,47 Mrd. Euro senken, wenn die Bundesländer mit überdurchschnittlichen Arzneikosten den Durchschnittswert der Länder erreichen würden (Szenario A). 1,55 Mrd. Euro wären drin, wenn sich alle Länder am Primus orientieren würden. Um die Apotheken an der Hebung der Einsparpotenziale zu beteiligen, schlagen die Studienautoren vor, den pauschalen Apothekenzuschlag von derzeit 8,10 Euro um 2 Euro zu senken. Dies würde die Ausgaben für Arzneimittel inklusive Mehrwertsteuer in der GKV um rund 1,28 Mrd. Euro entlasten. Eine Reduktion des prozentualen Zuschlags der Großhandelsmarge um 2 Prozentpunkte über die gesamte Preisspanne der Arzneimittel würde weitere 2 Prozent des Bruttoumsatzes bzw. 584 Mio. Euro einsparen.

Apotheker als Rabattverhandler

Der Studie zufolge können Rabattverträge bereits einen Teil des Einsparvolumens heben. Darüber hinaus sehen die Autoren weitere Potenziale im Apothekenmarkt: So werde der „sich abzeichnende Wegfall des Mehr- und Fremdbesitzverbots den Apothekenmarkt grundlegend verändern“. Dabei werde es zu ganz neuen Formen der Distribution von Arzneimitteln kommen. In diesem Zusammenhang sei es wichtig, dass die Regelungen zu Großhandels- und Apothekenfestzuschlag in ihrer derzeitigen Form aufgehoben werden. Den Krankenkassen und Apotheken wäre wechselseitig die Möglichkeit einzuräumen, miteinander Selektivverträge abzuschließen. Damit würde dem Gedanken Rechnung getragen, dass Apotheken durch die Marktkonzentration in der Lage wären, eigenständig Rabatte zu verhandeln und auch zu vergeben, heißt es in der Studie. Die Freigabe der Preissetzung in Zusammenhang mit einem verstärkten Wettbewerb zwischen den Apotheken würde den Autoren zufolge den Wettbewerb im Arzneimittelmarkt insgesamt intensivieren.

ABDA: Autoren sind nicht auf neuestem Stand

Aus Sicht des ABDA-Präsidenten Heinz-Günter Wolf gehört die Studie „in den Papierkorb“. Die Autoren seien offensichtlich nicht auf dem neuesten Stand, monierte er. Das Honorar der Apotheker sei bereits mehrfach, zuletzt 2007, gekappt worden. „Eine weitere Kürzung käme einem kompletten Ertragsverlust für alle 21.560 deutschen Apotheken gleich“, so Wolf. Auch blieben die tatsächlichen Folgen eines solchen Vorschlages im Dunkeln: Denn kein Verdienst sei gleichbedeutend mit Null Investitionen, Null Lohnentwicklung für 144.000 Arbeitnehmer, Apothekenschließungen, dem Verlust von Jobs, Versorgungsengpässen und vielem mehr. „Hätten sich die Autoren das System ernsthaft angeschaut, wäre ihnen aufgefallen, dass die Ausgaben der Krankenkassen für die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel mit mehr als 4 Mrd. Euro das Apothekenhonorar längst übersteigt“, so der ABDA-Präsident. Er betonte, dass Arzneimittelversorgung auf höchstem Niveau ihren fairen Preis habe. Und der sei in Deutschland im internationalen Vergleich ohnehin niedrig. „Seit Jahren ist der Ertrag der Apotheken rückläufig – und das bei mehr Leistung, steigendem Aufwand und intensivstem Wettbewerb“, sagte Wolf.

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