Arzneimittel und Therapie

Werden Typ-1-Diabetiker noch ausreichend versorgt?

Kurzwirksame Insulinanaloga zur Behandlung von Typ-1-Diabetikern bleiben nur dann zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnungsfähig, wenn sie nicht teurer sind als Humaninsulin. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschlossen. Damit setzt er eine entsprechende Nutzenbewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen um, die keinen Zusatznutzen für die Insulinanaloga ergeben hatte, der deren höheren Preis rechtfertigen könnte. Der Beschluss trifft auf Kritik von Herstellern und Patientenvertretern.

In begründeten Ausnahmen können durch den Vertragsarzt kurzwirksame Insulinanaloga allerdings weiterhin zu Lasten der GKV verordnet werden, etwa wenn Patientinnen oder Patienten allergisch auf Humaninsulin reagieren oder eine stabile adäquate Stoffwechsellage mit Humaninsulin bereits in der Vergangenheit nicht erreicht werden konnte, dies mit kurzwirksamen Insulinanaloga aber nachweislich gelingt. Diese Ausnahmen gelten ohne Einschränkung für alle Patientinnen und Patienten, also auch für Kinder und Jugendliche sowie für Erwachsene aller Altersgruppen. Dieser aktuelle Beschluss des G-BA wird nun dem Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung vorgelegt. Erst nach erfolgter Nichtbeanstandung und nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger tritt er in Kraft.

Kosten-Nutzen-Bewertung

Als Humaninsulin wird die synthetische Nachbildung des körpereigenen, natürlichen Hormons Insulin bezeichnet. Insulinanaloga sind Abwandlungen des Hormons Insulin, die wie Humaninsulin den Blutzucker-Spiegel senken. Sie sind in Deutschland seit etwa zehn Jahren auf dem Markt. Hinsichtlich der im Vergleich zum Humaninsulin etwa 25 bis 30% teureren Insulinanaloga stellte sich in der Vergangenheit die Frage, ob es einen belegten Zusatznutzen für die mit kurzwirksamen Insulinanaloga behandelten Patienten gibt, der den höheren Preis rechtfertigt. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat 2006 in einer Nutzenbewertung dafür keine Belege gefunden. Der G-BA kommt damit zum Schluss, dass kurzwirksame Insulinanaloga für Patienten mit Diabetes Typ 1 grundsätzlich nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig sind. Patienten mit Diabetes Typ 1, die erstmals eine Insulintherapie erhalten sollen, müssen von Beginn der Behandlung an auf Humaninsulin eingestellt werden.

BPI: Offener Feldversuch bei Patienten

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) kritisiert die Entscheidung des G-BA: "Diese Entscheidung des G-BA ist falsch und geht an der Therapiewirklichkeit vorbei. Außerdem versetzt sie Ärzte und Patienten in unverantwortungsvoller Weise in Panik. Nach der neuen Regelung sollen Ärzte aus Kostengründen verpflichtet werden, Patienten, die gut auf kurzwirksame Insulinanaloga eingestellt sind, in den offenen Feldversuch zu schicken, um zu testen, ob möglicherweise das gleiche Therapieziel mit Humaninsulin erreichbar ist. Dies ist untragbar", so Prof. Dr. Barbara Sickmüller, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des BPI. Für die rund 300.000 betroffenen Typ-1-Diabetiker, davon ungefähr 25.000 Kinder, die bereits mit Insulinanaloga eingestellt sind, und 45.000 Pumpenträger, berge die nun vom G-BA geforderte Rückumstellung auf Humaninsulin eine erhöhte Gefahr des Eintritts lebensbedrohlicher hypoglykämischen Störungen und damit erhöhte schwerwiegende Gesundheitsrisiken. Hätte sich der G-BA für eine Festbetragsregelung entschieden, so Sickmüller, könnten die Patienten selbst mit ihrem Arzt die beste individuelle Therapie wählen. Dazu konnte der G-BA zum jetzigen Zeitpunkt aber noch keine Entscheidung treffen, da nach eigenen Angaben noch zwei weitere Bewertungen des IQWiG zu langwirksamen Insulinanaloga ausstehen. Diese Nutzenbewertungen seien für eine umfassende Beurteilung der Möglichkeit einer Festbetragsgruppenbildung aber zwingend erforderlich, so der G-BA.

Gemeinsamer Bundesausschuss

Einschränkung der Verordnungsfähigkeit von Clopidogrel

Clopidogrel ist künftig nicht mehr als Monotherapie von bestimmten Gefäßerkrankungen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnungsfähig. Eine entsprechende Entscheidung aus dem Jahr 2007 hat jetzt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bekräftigt.

Ausgenommen sind Patienten, die an einer besonderen Form der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit mit phasenweise auftretendem Hinken oder durch die Erkrankung bedingten Amputationen leiden. Außerdem gilt die Entscheidung nicht für Patienten mit einer Unverträglichkeit gegen Acetylsalicylsäure.

Einen entsprechenden Beschluss fasste der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) und bekräftigte damit eine entsprechende Entscheidung aus dem vergangenen Jahr.

Der G-BA hatte bereits im Jahr 2004 das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beauftragt, Clopidogrel einer Nutzenbewertung zu unterziehen. Eine Teilfrage galt dem Einsatz in der Monotherapie zur Sekundärprophylaxe bei Patienten mit Gefäßkrankheiten. Das IQWiG kam zu dem Ergebnis, dass in diesem Anwendungsgebiet von Clopidogrel im Vergleich zu Acetylsalicylsäure ein Zusatznutzen lediglich für eine bestimmte Patientengruppe wissenschaftlich belegt ist. In der Umsetzung dieser Empfehlung hatte der G-BA bereits im Januar 2007 beschlossen, dass Clopidogrel – bis auf die genannte Ausnahme – in diesem Anwendungsgebiet künftig nicht mehr zu Lasten der GKV verordnet werden kann. Diese Entscheidung war im März 2007 vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) aus formalen Gründen beanstandet worden und konnte dadurch nicht rechtskräftig werden. In dem Beschluss war nach Auffassung des BMG nicht ausreichend deutlich dargestellt worden, für welche Patientengruppen und für welche Anwendungsgebiete eine Verordnungsfähigkeit von Clopidogrel in der Monotherapie besteht und für welche nicht. In dem nun vorgelegten neuen Beschluss wurde dieser Beanstandungsgrund ausgeräumt.

Die aktuelle Entscheidung des G-BA wird nun dem BMG zur Prüfung vorgelegt und kann nach erfolgter Nichtbeanstandung und Bekanntmachung im Bundesanzeiger in Kraft treten.

 

Quelle

 Gemeinsamer Bundesausschuss bleibt bei Einschränkung der Verordnungsfähigkeit von Clopidogrel zu Lasten der GKV. Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 22. Februar 2008.

 


ck 

Wird die optimale Therapie zur Ausnahme?

Mit Unverständnis reagierte auch der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA).

"Es ist unverständlich, warum der G-BA Kindern eine optimale Therapie erschwert. Das menschliche wie das ökonomische Desaster ist vorprogrammiert: Einem Einsparvolumen von einigen hunderttausend Euro in der Akuttherapie von Kindern stehen dann möglicherweise Folgekosten von einigen hundert Millionen Euro aufgrund vermeidbarer Spätfolgen gegenüber. Diese Rechnung zeigt, dass eine realistische Therapieoption für Kinder nicht nur eine Herzensfrage ist, sondern auch ein gesellschaftliches Rechenexempel. Besonders bitter ist dabei, dass Deutschland ausgerechnet bei zuckerkranken Kindern im medizinischen Standard europäisches Schlusslicht wird," so Dr. Steffen Wahler, Geschäftsführer Gesundheitsökonomie VFA. In allen Ländern Europas werden kurzwirksame Insuline für Kinder bezahlt, da sie für Kinder eine ganz besondere Bedeutung haben. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen und deshalb nur schwer auf ein strenges Therapieregime festzulegen. Eine mangelhafte Behandlung im Kindesalter könne zu Spätfolgen wie Nieren- und Augenschäden führen.

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft weist darauf hin, dass der Beschluss des G-BA zunächst noch nicht verbindlich ist, denn er erfordert noch eine Zustimmung seitens der Politik. Erfahrungsgemäß wird mit einer Stellungnahme Anfang April zu rechnen sein. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft hofft, dass diese Zustimmung nicht erfolgen wird, da mit demBeschluss des G-BA "der Forderung der Politik, dass das Arzneimittelbewertungsverfahren im Einklang mit internationalen Bewertungen stehen soll, nicht Rechnung getragen wird."

 

Quelle

Optimale medizinische Versorgung von Typ-1-Diabetikern gesichert. Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundesausschuss vom 22. Februar 2008.

G-BA Beschluss zur Diabetes Therapie. Offener Feldversuch bei Patienten. Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e. V. (BPI), 22. Februar 2008.

Bei zuckerkranken Kindern wird optimale Therapie zur Ausnahme. Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), 22. Februar 2008.

 


ck

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