Rechtsprechung aktuell

DocMorris hat seit 2004 Anspruch auf Herstellerrabatte

Nach einem aktuellen Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg hat die holländische Internetapotheke DocMorris N.V. ab dem Jahr 2004 einen Anspruch auf Erstattung des Herstellerrabatts auf Arzneimittel gemäß § 130a Abs. 1 SGB V. Für das Jahr 2003 lehnt das LSG einen Erstattungsanspruch ab, weil der Versand von Arzneimitteln im Jahre 2003 noch verboten war.
(Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 16. Januar, Az.: L 5 KR 3869/05)

DocMorris hatte gegen einen pharmazeutischen Hersteller geklagt, da dieser den seit dem 1. Januar 2003 gesetzlich vorgesehenen Herstellerrabatt auf Arzneimittel für Versicherte deutscher Krankenkassen einbehalten hatte. Das LSG geht jedoch davon aus, dass die Voraussetzungen für den Erstattungsanspruch nach § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V gegeben sind und das Unternehmen daher die Rabatte an die Versandapotheke zu leisten hatte – jedenfalls ab dem Zeitpunkt, da der Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland erlaubt war, also ab Januar 2004. Nach der einschlägigen Vorschrift erhalten die Krankenkassen von Apotheken für ab dem 1. Januar 2003 zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 6 Prozent des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. Die pharmazeutischen Unternehmer sind verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten.

DocMorris durch Einzelverträge eingebunden

Konkret setzt § 130a Abs. 1 Satz 2 SGB V voraus, dass die klagende Internetapotheke durch das Leistungserbringerrecht des SGB V in die Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln als Sachleistung und damit auch in das gesetzliche Rabattsystem nach § 130a SGB V eingebunden ist. Zudem muss die Abgabe der Arzneimittel an gesetzlich Versicherte im Rahmen des Versandhandels mit den maßgeblichen Anforderungen des Arzneimittelrechts in Einklang stehen. Durch die mit dem GKV-Modernisierungsgesetz zum 1. Januar 2004 eingeführten Bestimmungen des § 13 Abs. 4 ff. SGB V und des § 140e SGB V, wonach die Krankenkassen nach Maßgabe des SGB V-Leistungsrechts und des dazugehörigen untergesetzlichen Rechts Verträge mit Leistungserbringern in EU- bzw. EWR-Staaten abschließen dürfen, sei der Wille des Gesetzgebers hervorgetreten, ausländische Leistungserbringer möglichst bruchlos in das System der krankenversicherungsrechtlichen Leistungserbringung einzubinden, so das Gericht. Der an das Sachleistungsprinzip anknüpfende Rabattmechanismus des Leistungserbringerrechts der Apotheken gelte daher im Grundsatz auch für Apotheken mit Sitz in EU- bzw. EWR-Mitgliedstaaten, sofern diese nach Maßgabe des § 140e SGB V Sachleistungen für gesetzlich Versicherte zu Lasten der Krankenkassen erbrächten – DocMorris hat mit nahezu allen deutschen Krankenkassen entsprechende Verträge abgeschlossen. Angesichts dieser Verträge sei es auch irrelevant, dass DocMorris nicht den Vereinbarungen des Rahmenvertrages nach § 129 Abs. 2 SGB V unterliege. DocMorris nehme auf einzelvertraglicher Grundlage rechtmäßig an der Sachleistungsversorgung der Versicherten mit Arzneimitteln teil und unterliege infolgedessen auch dem Rabattsystem nach § 130a SGB V.

Anwendbarkeit der AMPreisV bleibt offen

Darüber hinaus hängt dem Urteil zufolge die Existenz eines "Abgabepreises" im Sinne des § 130a Abs. 1 SGB V als Bezugspunkt des Herstellerrabatts nicht von der Anwendbarkeit der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) auf ausländische Apotheken ab. Das Preisrecht der AMPreisV erfasse nur den Abgabepreis der Apotheke, der für jedes Arzneimittel in jeder Apotheke einheitlich sein soll. Die originäre Preisfestsetzungsbefugnis des jeweiligen Arzneimittelherstellers sei demgegenüber nicht Regelungsgegenstand der AMPreisV und damit auch nicht die Preisbildung des Herstellerabgabepreises pharmazeutischer Unternehmen. Zwar lege § 130a Abs. 1 SGB V nicht fest, was unter dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zu verstehen sei. Notwendig sei nur, dass es für das abgegebene Arzneimittel einen feststellbaren Abgabepreis gebe.

Länderliste ohne Einfluss

Maßgeblicher Zeitpunkt für das Fälligwerden sei auch nicht die erst im Juni 2005 erfolgte Bekanntmachung des Bundesgesundheitsministeriums, wonach in den Niederlanden und Großbritannien vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen und der Versandhandel nach Deutschland damit zulässig sei. Die sogenannte "Länderliste" habe für die Zulässigkeit des Versandhandels mit Arzneimitteln keine rechtskonstitutive Bedeutung, sondern nur tatsächliches Gewicht, so das Gericht. Fehle eine Länderübersicht oder sei sie nicht mehr aktuell, sei dadurch der Gesetzesvollzug mit Blick auf den Versandhandel zwar erschwert, aber nicht gehindert. Damit hatte der Hersteller ab Januar 2004 Rabatte an DocMorris zu leisten.

Revision zugelassen

Das LSG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen. Beim LSG Baden-Württemberg ist zudem noch ein weiteres Verfahren über die Erstattungsansprüche einer ausländischen Internetapotheke anhängig. Hierzu ist ein Termin zur mündlichen Verhandlung noch nicht bestimmt.


RA Kirsten Sucker-Sket, Berlin

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