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Arzneimittelversandhandel spaltet die Gemüter

(ifh/ral). Der Versandhandel mit Arzneimitteln ist ein Thema, das polarisiert. Während die einen ihn als normalen Vertriebskanal betrachten, sehen die anderen in ihm ein Einfallstor für Wettbewerbsverzerrungen und Arzneimittelfälschungen. Wie sehr der Arzneimittelversandhandel die Gemüter spaltet, wurde vor Kurzem bei der Diskussionsrunde "Der Weiße Tisch" des Kölner Instituts für Handelsforschung (IfH) deutlich.

Unter der Moderation von Dr. Andreas Kaapke, Geschäftsführer des IfH, diskutierten der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken (BVDVA) und Inhaber der Sanicare-Apotheke, Johannes Mönter, der Vorstandsvorsitzende der Noweda eG Apothekergenossenschaft, Wilfried Hollmann, Prof. Dr. Burkhard Strobel von der Fachhochschule Worms, Christian Buse von der myCare OHG Wittenberg, Apotheker Ulrich Schwier, Dr. Thomas Miller (Krohn Rechtsanwälte), Dr. Klaus G. Brauer vom Deutschen Apotheker Verlag und Dr. Markus Preißner (IfH). Fazit am Ende der fast dreistündigen Diskussion: Der Versandhandel mit Arzneimitteln ist nicht per se falsch, es muss jedoch sichergestellt werden, dass zwischen Versandapotheken und stationären Apotheken Chancengleichheit herrscht und der Verbraucher bei diesen "Gütern der besonderen Art" ausreichend geschützt ist. Der Vertrieb von Arzneimitteln über Abholstellen in Drogeriemärkten und anderen Einzelhandelsbetrieben stieß in der Diskussion sowohl bei Gegnern als auch bei Befürwortern des Versandhandels mit Arzneimitteln auf Ablehnung.


Der Weiße Tisch am IfH

Die Diskussionsrunde "Der Weiße Tisch am IfH" ist von der Forschungsstelle für Arzneimitteldistribution am Institut für Handelsforschung an der Universität zu Köln (IfH) zu Beginn dieses Jahres ins Leben gerufen worden, damit sich die an der Arzneimittelversorgung beteiligten Akteure über ihre Erwartungen und Perspektiven austauschen und aktuelle Themen rund um die Distribution von Arzneimitteln diskutieren können. Die Veranstaltungen finden nicht öffentlich statt. Das IfH plant pro Jahr die Durchführung von etwa zwei bis drei Diskussionsrunden zu aktuellen Themen rund um die Distribution von Arzneimitteln.

Nischenvertriebsweg – heute und künftig?

Quantitativ spielt der Arzneimittelversandhandel in Deutschland bislang eine untergeordnete Rolle. Nach Angaben von Johannes Mönter liegt der Marktanteil der Versandapotheken derzeit bei etwa 3 bis 4%, für die Zukunft erwartet er einen Marktanteil von ca. 8%. Für Vertreter des Arzneimittelversandhandels steht der Vertriebskanal erst am Anfang und wird sich mit dem Heranwachsen der Internetgeneration noch stärker etablieren. Diese Einschätzung teilte Wilfried Hollmann nicht. Für ihn steht fest: "Der Versandhandel ist ein Nischenvertriebsweg und er wird es auch in Zukunft bleiben."

Mehr Transparenz, aber auch mehr Gefahren

Qualitativ argumentierten Befürworter und Gegner des Arzneimittelversandhandels am "Weißen Tisch" in unterschiedliche Richtungen. So nannte Prof. Dr. Burkhard Strobel den Versandhandel eine Vertriebsform wie jede andere auch. Die Frage sei nur, ob er für "Güter der besonderen Art" angemessen sei. Nach Einschätzung von Christian Buse hat der Versandhandel Transparenz in die Apotheken gebracht und so einen für den Wettbewerb notwendigen Impuls gegeben. "Es ist das gute Recht des Verbrauchers, Preise zu vergleichen und sich daraufhin für einen Anbieter zu entscheiden", so Buse. Mit Preisvergleichen alleine ist es aus Sicht von Hollmann jedoch nicht getan, er sieht im Arzneimittelversandhandel das Einfallstor für Arzneimittelfälschungen durch unseriöse Anbieter aus dem Ausland. "Wenn man die Gesamtheit der Versandhändler betrachten möchte, muss man über die Grenzen schauen. Und dort sind durchaus unseriöse Anbieter vertreten, so dass ein Eingreifen notwendig wird. Im Ausland liegt das größte Problem des Versandhandels", so Hollmann. Mit dieser Einschätzung stand er nicht alleine. Befürworter und Gegner des Arzneimittelversandhandels waren sich einig: Schwarze Schafe – national wie international – bringen den Vertriebskanal in Verruf. Während die Versand-Befürworter die schwarzen Schafe durch Einführung eines Gütesiegels für seriöse Anbieter in Schach halten wollten, forderten die Kritiker des Arzneimittelversandhandels ein Verbot des Vertriebskanals in Deutschland – insbesondere bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln. Damit, so die Versandhandels-Pro-Seite, sei das Problem der Arzneimittelfälschungen jedoch nicht zu lösen, da man den illegalen Versand aus dem Ausland nicht verhindern könne.

Chancengleichheit nicht gegeben

Neben der Gefahr von Arzneimittelfälschungen nannten die Versand-Kritiker bei der Diskussionsrunde als weiteres Problem eine mögliche Institutionalisierung von Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Präsenzapotheken. So betonte Dr. Klaus G. Brauer: "Der Versandhandel leistet den Notdienst nur für das Einzugsgebiet, nicht für alle Kunden der Versandapotheke. Das ist die Aufgabe der übrigen Apotheken. Es ergeben sich Wettbewerbsverzerrungen und ordnungspolitische Verwerfungen." Hollmann forderte deshalb, dass sich die Versandapotheken in Zukunft wie stationäre Apotheken an Gemeinwohlaufgaben beteiligen müssen. Strobel zeigte auf, was Chancengleichheit zwischen Versand- und Präsenzapotheken ordnungspolitisch bedeutet: "Wenn der Versandhandel ein gleichwertiger Vertriebskanal sein soll, muss man entweder auch im Bereich stationärer Apotheken Liberalisierungen vornehmen oder den Versandhandel qualitativ so organisieren, dass Chancengleichheit herrscht. Um Chancengleichheit herzustellen, muss dann beispielsweise auch stationären Apotheken zwei Tage Lieferzeit zugestanden werden." Vor solchen Liberalisierungen warnte Brauer. Er forderte vehement ein Verbot des Vertriebskanals, da "sich ordnungspolitisch immer mehr zeige, dass sich Entwicklungen ergeben, die man nicht vorhergesehen hat." Gemeint waren damit beispielsweise Abholstellen für Arzneimittel in Drogeriemärkten, die durch Versandhändler beliefert werden. Einem Verbot derartiger Vertriebsorgane standen auch die Befürworter des Arzneimittelversandhandels in Deutschland positiv gegenüber.

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