Arzneimittelsicherheit

Internationale Einheiten oder Milligramm?

Die Angabe des Gehalts bei antimikrobiellen Wirkstoffen
Die Mengen an Antibiotika in Rezepturen und Darreichungsformen werden heute immer noch nach unterschiedlichen Bezugsgrößen angegeben: bezogen auf die biologische Aktivität (IU = Internationale Einheit) oder auf die Masse (mg). Dies führt, wie zahlreiche Anfragen an die Deutsche Arzneibuch-Kommission belegen, zu vielen Missverständnissen und Unsicherheiten. Die Autoren beleuchten die Hintergründe der bestehenden Situation und versuchen, zur Transparenz beizutragen.

Zur Verwirrung trägt bei, dass die Wirksamkeit einiger Wirkstoffe in den Arzneibüchern in Internationalen Einheiten angegeben ist, die entsprechenden Fertigarzneimittel aber in der Regel in mg deklariert sind (z. B. Vancomycin). Darüber hinaus gibt es auch zwischen den weltweit führenden Arzneibüchern unterschiedliche Vorgehensweisen und Deklarationen. So resultiert aus der mikrobiologischen Wertebestimmung von Gentamicin nach Ph. Eur. eine Angabe in IU/mg, während nach USP der Gehalt in µg/mg angegeben wird.

Die Menge Wirkstoff, die verabreicht werden soll, wird in der medizinischen Wissenschaft unterschiedlich angegeben. Während Gentamicin generell in mg dosiert wird, wird Nystatin in IU dosiert. Daneben bestehen auch Mischformen bei anderen Wirkstoffen. Die jeweiligen Angaben haben sich über Jahre hinweg eingebürgert.

Historie: warum Internationale Einheiten?

Die ersten antimikrobiellen Wirkstoffe (insbesondere Penicilline) waren Isolate aus Pilzkulturen. Es zeigte sich, dass die Isolate bei gleicher Substanzmenge teilweise deutlich unterschiedlich wirksam waren. Da aber die Wirksamkeit einer bestimmten Substanz (auch als Aktivität bezeichnet) – und nicht ihre exakte Masse – die entscheidende Größe für den Einsatz in der Therapie war, wurden mikrobiologische Wertbestimmungsverfahren eingeführt. Bei diesen wird die Substanzmenge bestimmt, die notwendig ist, um das Wachstum bestimmter Bakterien zu hemmen. Die Aktivität wird in Internationalen Einheiten pro Milligramm, engl. International Units per milligram (IU/mg) angegeben.

Wallhäußer hat 1982 die Historie der Wirksamkeitsangaben übersichtlich dargestellt [1]. Von ihm stammt auch der Arzneibuch-Kommentar zur Mikrobiologischen Wertbestimmung von Antibiotika (Ph. Eur. 2.7.2) [2].

In den ersten Jahren der Penicillinforschung wurde die Wirksamkeit, ausgehend von Penicillin G als Bezugsstandard für alle anderen Penicilline, in Oxford-Einheiten (O.E.) ausgedrückt, aus denen dann später die Internationalen Einheiten hervorgingen. Als Oxford-Einheit wurde die Menge Penicillin G festgelegt, die in 50 ml Bouillon das Wachstum eines bestimmten Staphylococcus aureus -Stammes gerade noch hemmt. Mit zunehmender Reinheit der Isolate stieg dann auch die Wirksamkeit von anfangs 40 bis 50 O.E./mg auf 1667 IU/mg (1982) [1].

Die Wirksamkeit wird häufig auch in "Gewichtseinheiten" (µg/mg) angegeben. Diese Angabe hat sich parallel zu den Internationalen Einheiten recht früh etabliert und wird bei Salzen angewendet. Bei Streptomycin gelten zum Beispiel 1000 µg/mg für die Base und 798 µg/mg für Streptomycinsulfat, auf die Base bezogen.

Auch bei Gentamicin wird die Aktivität der Base mit 1000 µg/mg in "Gewichtseinheiten" angegeben. Die "Gewichtseinheiten" sind betragsmäßig gleich mit den Internationalen Einheiten für Gentamicin, sodass sich die Dosierungen für Gentamicin in Gewichtseinheiten oder in Internationalen Einheiten letztendlich entsprechen (z. B. 80 mg Gentamicin entsprechen 80.000 IU).

Die Benutzung von Gewichtseinheiten bei der Beurteilung der Wirksamkeit in einem frühen Entwicklungsstadium eines Antibiotikums kann bei zunehmender Reinheit dazu führen, dass Werte oberhalb von 1000 µg/mg erhalten werden [1]. Zu allem Überfluss werden zum Teil die "Gewichtseinheiten" bei gleichem Betrag synonym für Internationale Einheiten verwendet.

Um Irritationen zu vermeiden, sollte aus Sicht der Autoren der Gehalt antimikrobieller Wirkstoffe, deren Aktivität über mikrobiologische Verfahren bestimmt wird, ausschließlich über Internationale Einheiten angegeben werden.

Dosierungsangaben – IU oder mg?

Wie ein Arzneistoff dosiert wird, hat sich über Jahre hinweg bei der Ärzteschaft eingebürgert. Änderungen dieser Angaben würden daher bei den Ärzten zu Verwirrungen führen, gegebenenfalls auch zu Falschdosierungen von Fertigarzneimitteln und von Rezepturen.

Aus diesem Grund sind die Autoren der Ansicht, dass an "falschen" Dosierungsangaben (z. B. mg Gentamicin statt IU Gentamicin) festgehalten werden muss, auch wenn sie überholt sind. Für den Apotheker ist es wichtig zu wissen, dass die Dosierung bestimmter Wirkstoffe anders deklariert werden kann als ihre mikrobiologische Aktivität.

Standardisierung der Wirksamkeitsangabe

Bei der Angabe der Wirksamkeit wurde es schnell notwendig, Referenzstandards festzulegen, die eine definierte Wirksamkeit besitzen.

Die WHO hat bereits in den fünfziger und sechziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts Standards etabliert, die für einige Stoffe noch heute Gültigkeit besitzen. Die WHO veröffentlicht eine aktuelle Liste der Antibiotika-Referenzstandardpräparationen für Wirkstoffe, deren Aktivität über eine mikrobiologische Gehaltsbestimmung definiert wird: "WHO International Biological Reference Preparations" [3]. Werden neue WHO-Referenzstandards etabliert, so gibt die WHO dies in der Technical Report Series (TRS) ihres Expert Committee on Biological Standardization bekannt.

Eine Übersicht der WHO- und Ph. Eur.-Standards zeigt Tabelle 1. Sie lässt erkennen, dass für einige Wirkstoffe keine Substanzmenge aufgeführt wird, in der die angegebenen Internationalen Einheiten enthalten sind. So ist beispielsweise bei Gentamicin die Aktivität mit 31.020 IU/Ampulle angegeben ("IU je Packungseinheit und nicht je mg"). Der Hintergrund dafür ist, dass einige Stoffe so hygroskopisch sind, dass eine Einwaage für Standardisierungszwecke zu ungenau wäre. Es ist daher immer die gesamte Ampulle zu verwenden und in einem definierten Volumen aufzulösen, um eine definierte Wirkstoffkonzentration zu erhalten.

Zahlreiche Wirkstoffe, für die ursprünglich mikrobiologische Wertbestimmungen und somit entsprechende Standards etabliert wurden, werden heute nicht mehr mikrobiologisch bestimmt. Wo immer die Wirksamkeit eines Wirkstoffs auf eine genau definierte chemische Substanz zurückgeführt werden kann, wurde die ursprüngliche mikrobiologische Wertbestimmung nach und nach auf chemische Gehaltsbestimmungen (in der Regel HPLC) umgestellt (z. B. Penicilline).

Auch die Ph. Eur. definiert die Aktivität für einige Wirkstoffe nicht mehr über internationale Einheiten, sondern über einen prozentualen Gehalt einzelner Komponenten. Bei diesen Wirkstoffen handelt es sich nicht um genau definierte chemische Substanzen, sondern um mehr oder weniger definierte Substanzgemische, deren Einzelkomponenten jeweils eine eigene mikrobiologische Aktivität aufweisen (Colistinsulfat, Dihydrostreptomycinsulfat, Erythromycin, Polymixin B und Tobramycin). Die WHO hingegen definiert für diese Stoffe noch immer eine mikrobiologische Aktivität in IU.

Der prozentuale Anteil einzelner Komponenten dieser Wirkstoffe wurde im Europäischen Arzneibuch aufgrund von Chargendaten festgelegt. Der Beitrag der einzelnen Bestandteile zur mikrobiologischen Aktivität ist in den wenigsten Fällen untersucht.

Solange zwischen der mikrobiologischen Aktivität des Substanzgemischs (des Wirkstoffs) und der chromatographisch bestimmten prozentualen Zusammensetzung keine Korrelation besteht, muss die mikrobiologische Aktivität bestimmt werden. Andernfalls würde ein wichtiger Parameter fehlen, um zu bewerten, ob die Substanz für die Verwendung in Rezepturen und/oder Fertigarzneimitteln geeignet ist.

Es mag unterschiedliche Chargen geben, deren prozentuale Zusammensetzung den Anforderungen des Europäischen Arzneibuchs entspricht, deren mikrobiologische Aktivität (des Substanzgemisches) sich aber erheblich unterscheidet.

Tab. 1: Antibiotika, deren Gehalt über eine mikrobiologische Wertbestimmung definiert wird
Wirkstoff
WHO-Standard, Jahr
Gehalt
WHO-Standard
Gehalt CRS
Bemerkung zu CRS
Amphotericin B
1st. Int. Std., 1963
940 IU/mg
944 IU/mg
Bacitracin-Zink
2nd. Int. Std., 1964
74 IU/mg
62,9 IU/mg
Bleomycin complex A2/B2
1st. Int. Ref. Prep., 1980
8910 IU/ampoule
8910 IU/7 mg vial
als Bleomycinsulfat
Colistin (sulfat)
1st. Int. Std., 1968
20.500 IU/mg
576.000 IU/25 mg vial
daneben CRS Standard für LC-Assay
Colistin methane sulfonate
1st. Int. Ref. Prep., 1968
12.700 IU/mg
12.850 IU/mg
als Colistimethat Natrium
Dihydrostreptomycin (sulfat)
2nd. Int. Std., 1966
820 IU/mg
CRS-Standard für
LC-Assay
Erythromycin A
Base (A Base nur beim WHO-Std.)
2nd. Int. Std., 1978
920 IU/mg
960 IU/mg
daneben CRS für die jeweiligen Ester und Salze für LC-Assays
Gentamicin
2nd. Int. Std., 1995
31.020 IU/ampoule
16.500 IU/25 mg vial
als Gentamicinsulfat
Gramicidin
1st. Int. Ref. Prep., 1966
1000 IU/mg
1081 IU/mg
Kanamycin
1st. Int. Std., 1986
10.345 IU/ampoule
799 IU/mg
als Kanamycinmonosulfat
Neomycin (sulfat)
2nd. Int. Ref. Prep., 1975
775 IU/mg (ampoule)
19.850 IU/25 mg vial
als Neomycinsulfat
Neomycin B (sulfat)
(= Framycetinsulfat)
1st. Int. Ref. Prep., 1975
670 IU/mg (ampoule)
18.060 IU/25 mg vial
als Framycetinsulfat
Netilmicin
1st. Int. Std., 1989
4810 IU/ampoule
14.656 IU/25 mg vial
als Netilmicinsulfat
Nystatin
2nd. Int. Std., 1982
4855 IU/mg
5600 IU/mg
Polymixin B
2nd. Int. Std., 1969
8403 IU/mg
203.360 IU/25 mg vial
als Polymixin B sulfat
Rifamycin SV
1st. Int. Ref. Prep., 1967
887 IU/mg
856 IU/mg
als Rifamycin Natrium
Sisomicin
1st. Int. Std., 1984
35.200 IU/mg
CRS-Standard für Verunreinigungen in Netilmicinsulfat
Spiramycin
1st. Int. Ref. Prep., 1964
3200 IU/mg
4530 IU/mg
Streptomycin
3rd. Int. Std., 1980
78.500 IU/ampoule
78.500 IU/100 mg ampoule
als Streptomycinsulfat
Teicoplanin
1st. Int. Std., 1990
51.550 IU/ampoule
monographiert erst ab Ph. Eur. 6.3
Tobramycin
2nd. Int. Std., 1985
9800 IU/ampoule
CRS Standard für
LC-Assay
Vancomycin (sulfat)
1st. Int. Std., 1963
1007 IU/mg
102.500 IU/100 mg vial
als Vancomycinhydrochlorid
Ph. Eur. spezifische Referenzstandards
Tylosin CRS
1035 IU/mg
Josamycin CRS
1000 Ph. Eur. U/mg
Josamycinpropionat CRS
930 Ph. Eur. U/mg

Gibt es einen einheitlichen "Umrechnungsfaktor" von IU in mg?

Sowohl die in der WHO-Liste "WHO International Biological Reference Preparations" [3] angegebenen Gehalte der Referenzstandards (z. B. Amphotericin B: 940 IU/mg) als auch die in den Monographien genannten Mindestaktivitäten (z. B. Amphotericin B: min. 750 IU/mg) stellen keinen allgemeingültigen "Umrechnungsfaktor" dar, mit dem man eine Rezeptursubstanz von IU auf mg umrechnen kann. Die Werte der WHO gelten nur für den jeweiligen Referenzstandard, der von der WHO vertrieben wird. Von Lieferanten bezogene Substanzen können eine andere mikrobiologische Aktivität (auch "potency" genannt) aufweisen. Der Lieferant muss die mikrobiologische Aktivität der jeweiligen Substanz in IU/mg angeben, zusammen mit den Lagerbedingungen, unter denen die Substanz diesen Wert auch behält. Die mikrobiologische Aktivität einer Substanz wird mithilfe einer vergleichenden mikrobiologischen Wertbestimmung mit dem Referenzstandard ermittelt. Hierzu sei auf die Methode 2.7.2 Ph. Eur. verwiesen [4].

Auch über das EDQM (European Directorate for the Quality of Medicines & HealthCare) können Antibiotika-Referenzstandards (CRS) bezogen werden. Die Angabe ihrer Aktivität in Internationalen Einheiten ist auf den jeweiligen internationalen Standard bezogen.

Bei Fertigarzneimitteln wird die genaue Einwaage an Wirkstoff nach der tatsächlichen Aktivität (in IU/mg) der verwendeten Wirkstoffcharge festgelegt. Für im Arzneibuch monographierte Antibiotika mit mikrobiologischer Wertbestimmung ist eine Mindestaktivität gefordert, beispielsweise bei Gentamicinsulfat mindestens 590 IU/mg. Die NRF-Rezepturhinweise [5] geben für Gentamicinsulfat an, dass die Aktivität unter Berücksichtigung des Sulfatgehaltes momentan im Bereich von 650 bis 680 IU/mg liegt. Für gentamicinhaltige Rezepturen ist die genaue Einwaage aus der angegebenen Aktivität (in IU/mg) zu berechnen.

Fazit

  • Es wird deutlich, dass es keinen allgemein verbindlichen Umrechnungsfaktor zwischen IU und mg gibt, sondern dass jede Rezeptursubstanz chargenabhängig eine eigene, separat ermittelte oder zu ermittelnde Aktivität aufweist. Für jede einzelne Rezeptursubstanz muss dieser Faktor bekannt sein. Einen generellen Umrechnungsfaktor gibt es nicht.
  • Die Angabe der mikrobiologischen Wirksamkeit (Aktivität, "Gehalt") antimikrobieller Wirkstoffe sollte nur in Internationalen Einheiten erfolgen, sofern die Wirksamkeit über mikrobiologische Wertbestimmungsverfahren durch die WHO definiert ist.
  • Da sich aber für verschiedene antimikrobielle Wirkstoffe andere Dosierungsangaben eingebürgert haben (z. B. Gentamicin), muss bei der Festlegung der Dosis vor einer strikten Abkehr von althergebrachten Bezeichnungsweisen gewarnt werden.
  • Es ist wichtig zu wissen, dass die Dosierung bestimmter Wirkstoffe anders deklariert werden kann als ihre mikrobiologische Aktivität.
Danksagung:

Die Autoren danken Herrn Dr. Hugo Peeters, BfArM, Fachgebiet Arzneibuch, für fruchtbare Diskussionen.

Literatur

[1] Wallhäußer, Wertbestimmung von Antibiotika. Pharm. Ind. 1982;44:301–308.

[2] Kommentar zur Ph. Eur. 2.7.2 Mikrobiologische Wertbestimmung von Antibiotika, Kommentar zur Ph. Eur. Ausgabe 4.08, 2005.

[3] www.who.int/bloodproducts/catalogue/anti_July07.pdf.

[4] European Pharmacopoeia (Ph. Eur.), 6. Ausgabe 2008, Monographie 2.7.2.

[5] NRF-Rezepturhinweise: Gentamicin zur Anwendung auf der Haut, vom 12.04.2007. In: Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände – ABDA (Hrsg). Deutscher Arzneimittel-Codex (DAC) inkl. Neues Rezeptur-Formularium (NRF). Fortsetzungswerk. Aktuelle Ausgabe. Govi-Verlag, Eschborn.

Anschriften der Verfasser:

Dr. Uwe Lipke und Dr. Thorsten Gumz

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3, 53175 Bonn

Dr. Bernhard Wolf

Head of Quality Control, Merckle GmbH

Graf-Arco Str. 3, 89079 Ulm

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