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Zur aktuellen Stammzellforschung

Die Diskussion um die Stammzellforschung ist erneut voll entbrannt, nicht zuletzt deshalb, weil vor Kurzem bedeutende Fortschritte auf diesem wichtigen Forschungsgebiet erzielt wurden und zudem die Novellierung des Stammzellgesetzes ansteht. Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) fordert die Aktualisierung der Regeln für ein streng kontrolliertes Forschen mit embryonalen Zellen und begrüßt insbesondere die bemerkenswerten Erfolge bei der Entwicklung alternativer Methoden für den klinischen Einsatz.

Die Medien feierten vor einigen Tagen die Nachricht, dass erstmals Zellen eines erwachsenen Menschen nach der Methode des somatischen Kerntransfers (somatic cell nuclear transfer, SCNT) geklont werden konnten, als "spektakulären Durchbruch in der medizinischen Forschung". Zudem erschienen mehrere Publikationen in denen gezeigt wurde, dass sich adulte Zellen durch wenige Transkriptionsfaktoren in einen embryonalen Zustand zurück programmieren lassen.

Auch nach Ansicht der DPhG sind solche Forschungen zu begrüßen, um die Stammzelltechnologie voranzutreiben und sie künftig therapeutisch einsetzen zu können. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein verantwortungsvolles und zielführendes Erforschen der Grundlagen.

Diese Forschung ist deshalb unerlässlich, weil infolge einer immer älter werdenden Gesellschaft die Zahl degenerativer Erkrankungen (wie Alzheimer-Krankheit, Parkinson-Syndrom oder Herzinfarkt) von Jahr zu Jahr steigt. Diese Krankheiten sind dadurch gekennzeichnet, dass Gewebe bzw. Zellen und damit deren Funktionen – unreparierbar mit den bisher zur Verfügung stehenden Methoden – zugrunde gehen. Daher bedürfen sie einer Substitution von Zellen, die sich in die noch vorhandenen intakten Strukturen funktionell integrieren. Dementsprechend besitzt eine auf sichere Stammzelltechnologie aufbauende regenerative Medizin bei dieser Art von Krankheiten das größte Potenzial.

Das deutsche Stammzellgesetz (StZG) verfolgt das Ziel, der staatlichen Verpflichtung nachzukommen, "die Menschenwürde und das Recht auf Leben zu achten und zu schützen und (gleichzeitig) die Freiheit der Forschung zu gewährleisten". In der Politik wird das Thema Stammzellforschung noch immer kontrovers und meist auch emotional diskutiert. Die eine Gruppe von Politiker fordert eine Novellierung des Gesetzes, um die Rahmenbedingungen für die Forschung in Deutschland zu verbessern, die andere wiederum möchte am liebsten die Grundlagenforschung an Embryonen vollständig verbieten.

Die oben genannten wissenschaftlichen und technischen Fortschritte gerade der letzten Wochen und Monate deuten an, dass man eines Tages ganz darauf verzichten können wird, Embryonen zu "verbrauchen". Damit wird dieser Wissenschaftszweig hoffentlich zu einem erheblichen Teil entemotionalisiert werden. Allerdings wäre es verfrüht, bereits heute ein prinzipielles Ende der molekularen Grundlagenforschung an embryonalen Stammzellen zu fordern.

Die DPhG schließt sich daher nicht den Appellen einzelner Politiker an, die Grundlagenforschung an neu gewonnenen embryonalen Stammzelllinien generell zu verbieten. Wir fordern dagegen die Aktualisierung der Regeln für ein streng kontrolliertes Forschen mit embryonalen Zellen. Dieses sollte mit den genannten strengen Auflagen in und nur in dafür eindeutig ausgewiesenen Einrichtungen noch so lange erlaubt sein, bis – aufbauend auf den Erkenntnissen solider Grundlagenforschung – Alternativen für embryonale Stammzellen entwickelt sind. Die Basis hierfür hat sich in den letzten Wochen sehr positiv entwickelt.


Prof. Dr. Th. Dingermann,
Prof. Dr. Dr. E. Mutschler,
Prof. Dr. M. Schubert-Zsilavecz (Präsident),
Dr. M. Stein (Geschäftsführer)

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