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Langfristige Nebenwirkungen der Rabattverträge

HAMBURG (tmb). Wer gewinnt und wer verliert bei Rabattverträgen? Um diese Frage ging es beim 4. Eppendorfer Dialog, den Prof. Dr. Matthias Augustin, Competenzzentrum Versorgungsforschung des Uni-Klinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), am 23. Januar veranstaltete. Experten aus verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens verdeutlichten langfristige Folgen des neuen Steuerungsinstruments, die angesichts der ersten Umsetzungsschwierigkeiten bisher kaum angesprochen wurden.

Für Krankenhäuser sind Rabattverträge ein bekannter Baustein des strategischen Einkaufsmanagements, erklärte Dr. Alexander Kirstein, Kaufmännischer Direktor des UKE. Die Standardisierung der Arzneimittelversorgung und der gemeinschaftliche Einkauf von Krankenhausapotheken führen zu guten Konditionen. Außerdem würden die Krankenhäuser von günstigen Angeboten insbesondere für "Pseudoinnovationen" profitieren, weil die Industrie auf eine Fortführung der Behandlung im ambulanten Bereich hofft. Aufgrund der Rabattverträge im ambulanten Bereich würde aber wie bei kommunizierenden Röhren künftig der Rabattspielraum für den Einkauf der Krankenhäuser abnehmen. Dafür würden die Krankenhäuser einen Ausgleich erwarten.

Zielpreise als Alternative

Karl-Heinz Resch, ABDA-Geschäftsführer Wirtschaft und Soziales, beschrieb die bekannten Probleme mit der Umsetzung der Rabattverträge aus Apothekenperspektive. Als Alternative präsentierte er das Zielpreismodell der ABDA, das Durchschnittspreise auf Landesebene garantiert. Das Modell sei partnerschaftlich, flexibel, transparent, einfach umzusetzen und rechtssicher, zumal es keine Ausschreibungen erfordere. Es biete allen Beteiligten Vorteile, fördere die Compliance der Patienten und lasse sich problemlos auf neue Wirkstoffe erweitern. Für 2008 könnte die GKV damit auf der Grundlage der bereits abgesenkten Preise weitere 400 Millionen Euro bei 390 Millionen Packungen einsparen. Das Konzept fördere den Wettbewerb, weil alle Hersteller ihre Preise jederzeit in den vereinbarten Preiskorridor senken könnten und so die Anbietervielfalt erhalten bleibe. Daher seien später weitere Einsparungen zu erwarten.

Noch mehr Wettbewerb

Dr. Hans Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, äußerte sich zuversichtlich, dass die AOK nach der anstehenden Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg weitere Zuschläge für Rabattverträge erteilen kann. Die Patienten würden mehrheitlich positiv auf die Verträge reagieren. Sie seien überzeugt, dass bei Arzneimitteln aus der Apotheke die Qualität stimme. Die Einsparungen durch Rabattverträge seien nötig, um auch künftig Innovationen bezahlen zu können. Die Verträge seien nicht nur ein Sparinstrument, sondern ein Schritt zu mehr Wettbewerb. Das Ziel sei, auch für patentgeschützte Arzneimittel eine kassenartspezifische Positivliste einzuführen und die nicht unverzichtbaren Produkte auszuschreiben. Die bisherigen Rabattverträge haben sich nach Einschätzung von Ahrens günstig für mittelständische Pharmaunternehmen ausgewirkt, weil deren Anteil am Generikamarkt gestiegen sei.

Drohendes Oligopol

Doch zeigte Henning Fahrenkamp, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), dass hauptsächlich Anbieter mit über 50 Millionen Euro Jahresumsatz profitierten, während die Umsätze kleinerer Generikahersteller zurückgingen. Große Anbieter hätten aufgrund von Skaleneffekten und besonders bei Portfolioverträgen bessere Angebotsmöglichkeiten. Damit drohe ein staatlich gefördertes Oligopol, das letztlich die Preise in die Höhe treibe.

Die Rabattverträge hätten sich sehr schnell entwickelt. Im September seien im generikafähigen Markt für die Knappschaft 59 Prozent und für die AOK 23 Prozent Rabattarzneimittel abgegeben worden. Angesichts der Marktbedeutung der AOK könnten insbesondere deren Rabattverträge für Hersteller existenzielle Bedeutung haben. Der Preis der vielen sehr niedrigpreisigen Generika werde überwiegend durch den Festaufschlag der Apotheken bestimmt, sodass die Hersteller dabei eine Preiskomponente rabattieren müssten, die bei ihnen ohnehin nicht ankommt. Doch sogar mit einem Rabattvertrag seien die Umsätze keineswegs garantiert, weil die Apotheker zwischen den Vertragsunternehmen auswählen können.

Zum Streit über die gerichtliche Zuständigkeit für Rabattverträge erklärte Fahrenkamp, Wettbewerbsrecht unterliege zwingenden europarechtlichen Vorschriften. Der Europäische Gerichtshof werde sich voraussichtlich bald in einem Verfahren über orthopädische Schuhe grundsätzlich zur Stellung von Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber äußern.

Patienten als Verlierer

Rechtsanwalt Wolf Kozianka, Hamburg, betrachtet die Patienten als Verlierer bei den Rabattverträgen. Wirtschaftlichkeit und Qualität seien gleichberechtigte Forderungen des SGB V, doch würden die Rabattverträge falsche Anreize schaffen. Denn die Ärzte werden bei der Verordnung von Rabattarzneimitteln von der Wirtschaftlichkeitsprüfung freigestellt und hätten damit einen Anreiz, eher rabattierte als innovative Wirkstoffe zu verordnen. Das Instrument wirke damit über die ausgeschriebenen Wirkstoffe hinaus. Da Regresse für Jahre erhoben würden und erst nach langem Rechtsstreit zu gewinnen seien, sei dies für Ärzte nicht finanzierbar. Sie würden sich daher zunehmend scheuen, teure Arzneimittel zu verordnen.

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