Arzneimittel und Therapie

Weiterer Lepraerreger entdeckt

Weltweit sollen etwa 8 bis 12 Millionen Menschen mit der Lepra infiziert sein. Ihre Symptome können stark variieren, wobei zwei wesentliche Verlaufsformen – die tuberkuloide und die lepromatöse Lepra – unterschieden werden. Diese Erscheinungsformen sind bislang mit individuellen Reaktionen des Immunsystems erklärt worden. Jetzt gelang es, einen weiteren Lepraerreger zu identifizieren. Er wurde aus dem Gewebe von zwei an einer lepromatösen Lepra Verstorbenen isoliert. Daher wurde für den neu beschriebenen Infektionserreger der Name Mycobacterium lepromatosis s. nov. vorgeschlagen.
Mycobacterium leprae war bisher der einzig bekannte Erreger der Lepra. Die lepromatöse Form dieser Infektionskrankheit könnte durch das neu entdeckte Mycobacterium lepromatosis verursacht sein. Das neu beschriebene Bakterium unterscheidet sich deutlich von anderen Mykobakterien und eindeutig von dem „klassischen“ Lepraerreger M. leprae und muss als eigenständige Art betrachtet werden.

Lepra ist eine der ältesten bekannten Infektionskrankheiten. Die Zahl der Erkrankten wird mit 1,3 Millionen beziffert, jährlich kommen etwa 300.000 Neuinfektionen hinzu. Der bislang einzig bekannte Erreger, Mycobacterium leprae, wurde vor etwa 150 Jahren von dem norwegischen Arzt G. A. Hansen erstmals beschrieben (daher auch der gelegentlich noch zu findende Name Hansen-Krankheit). Ursprünglich vor allem in wärmeren Gebieten weltweit verbreitet, treten heute die meisten Erkrankungen in Indien und Brasilien auf. In Europa kommt es in südeuropäischen Ländern wie Italien, Griechenland, Portugal, Spanien oder der Türkei zu Erkrankungen (etwa 0,2% der Gesamtfälle). In Deutschland sind in den letzten Jahren nur vereinzelte importierte Fälle aufgetreten. Das Infektionsrisiko wird als gering angegeben und ist vor allem bei längerem Kontakt mit unbehandelten Infizierten erhöht. Die Inkubationszeit ist sehr unterschiedlich und kann wenige Monate, aber auch über 30 Jahre betragen. Der Erreger wächst in Makrophagen und Schwann-Zellen heran; er zerstört die Haut und Schleimhäute und befällt die Nervenzellen vor allem des peripheren Nervensystems.

Charakteristische ausgedehnte Läsionen der Haut

Die Erkrankung umfasst ein weites Spektrum an Schweregraden und Manifestationsformen. Die beiden polaren Formen sind die tuberkuloide Verlaufsform und die lepromatöse Form. Unterschiedliche immunologische Reaktionen sollten Ursache dieser Formen sein. Bei der lepromatösen Lepra sind die zahlreichen, meist symmetrisch angeordneten Hautläsionen makulös, papulös, nodulär oder erscheinen als flächenhafte Infiltrate. Aus dem Gewebe von zwei an dieser lepromatösen Lepra Verstorbenen wurde nun eine bislang nicht beschriebene Bakterienart isoliert. Die Erkrankungsform wird als DDL (engl. Diffuse Lepromatous Leprosy) beschrieben und für den neu beschriebenen Infektionserreger der Name Mycobacterium lepromatosis s. nov. vorgeschlagen. Durch molekulargenetischen Vergleich konnten die Autoren zeigen, dass sich das neu beschriebene Bakterium deutlich von anderen Mykobakterien und eindeutig von dem "klassischen" Lepraerreger Mycobacterium leprae unterscheidet und somit als eigenständige Art zu betrachten ist. Auffällig war dabei vor allem eine deutlich veränderte Struktur des 16S rRNA (ribosomale RNA)-Gens, das als hochkonservativ gilt. Bei den jetzt gefundenen Isolaten von M. lepromatosis wurden abweichende Sequenzen gefunden, wahrend alle bis jetzt beschriebenen M.-leprae-Vergleiche untereinander eine identische Struktur zeigten.

Der neu entdeckte Erreger könnte die klinische und geographische Variabilität der Erkrankung erklären. Die Autoren gehen davon aus, dass dieser Befund positive Auswirkungen auf die Diagnose der Erkrankung und die weitere Lepraforschung haben wird.


Quelle

Han Y; et al.: A new Mycobacterium species causing Diffuse Lepromatous Leprosy. Am J Clin Pathol 2008; 130(6): 856-864.

Infektionskrankheiten von A - Z. Steckbriefe seltener und importierter Infektionskrankheiten. www.rki.de


Dr. Hans-Peter Hanssen

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