Medizin

Was sind eigentlich Hüftinfarkt und Hüftnekrose?

Ein plötzlich in die Hüfte einschießender stechender Schmerz kann ein wichtiges Warnsignal für einen Hüftinfarkt sein. Der Hüftinfarkt entsteht infolge eines Gefäßverschlusses und kann zu einer Hüftkopfnekrose – auch als Hüftnekrose bezeichnet – führen. Betroffen sind meist Erwachsene im Alter um die 40 Jahre, Männer häufiger als Frauen. In der Hälfte aller Fälle findet man eine Nekrose des Hüftkopfes auf beiden Seiten.

Der Hüftinfarkt beginnt mit einem stechenden Schmerz, der in die Hüfte schießt. Allerdings hält dieser nicht allzu lange an und ist auch nicht so stark, dass die Betroffenen gleich einen Arzt aufsuchen. Dieser Schmerz deutet die eigentliche Ursache an – einen Gefäßverschluss der Hüftkopfarterie. Im weiteren Verlauf kann der Knochen einbrechen und verliert an Höhe, so dass der Knorpel geschädigt wird und eine zunehmende Arthrose entsteht.

Die Durchblutung des Hüftkopfs ist oft problematisch. Schon kleinere Störungen der Blutversorgung können zum teilweisen oder sogar kompletten Absterben des Hüftkopfs führen. Ist die Ursache der Störung unbekannt, handelt es sich um eine idiopathische Hüftkopfnekrose.

Nicht nur unbekannte Ursachen führen zum Absterben des Hüftkopfes, nachgewiesen ist auch ein erhöhtes Risiko nach vorhergegangenen Schenkelhalsbrüchen und Hüftluxation, bei Nierenschäden und rheumatischen Erkrankungen wie dem Lupus erythematodes, bei vererbten Bluterkrankungen (Sichelzellanämie), vererbten Zuckerstoffwechselstörungen (Morbus Gaucher), der Hyperlipoproteinämie, um nur einige zu nennen. Ein erhöhtes Erkrankungsrisiko ist auch bei Alkohol- und Nicotinmissbrauch sowie einer längeren Einnahme von Cortisonpräparaten zu beklagen. Auch konnten nach Transplantationen vermehrt Hüftkopfnekrosen beobachtet werden.

Da die Beschwerden unspezifisch sind, bleibt die Hüftkopfnekrose oft lange unerkannt. Die Erkrankung beginnt mit ziehenden, oft in das Kniegelenk projizierten Schmerzen und einer Einschränkung der Gelenkfunktion, die gelegentlich sogar zur absoluten Belastungsunfähigkeit führt. Die Belastungsunfähigkeit muss nicht gleich nach den akuten Schmerzen auftreten, sie kann manchmal sogar einige Zeit nach einer akuten aber wieder abgeklungenen Schmerzattacke auftreten. Häufig klagen die Betroffenen über nächtliche starke Schmerzen.

Hüftkopfnekrose

Im Stadium I (Initialstadium) kommt es zu so kleinen Veränderungen, dass sie im Röntgenbild nicht erkennbar sind. Dies kann lediglich im MRT und in der Szintigrafie diagnostiziert werden. In der Szintigrafie wird zunächst eine Zone verminderter Speicherung auffällig, mit Beginn der Reparationsvorgänge zeigt sich dann eine vermehrte Speicherung. Zu diesem Zeitpunkt sind Vorgänge des vermehrten Knochenumbaus durch Sklerosierungszonen erkennbar (Stadium II).

Im Stadium III kommt es zum Einbruch der Gelenkfläche, die dann in Deformierungen mit Arthrose (Stadium IV) übergehen können.

Verdachtsmoment Hinken

Nach der Anamnese folgt die körperliche Untersuchung. Ein Hinken oder Bewegungseinschränkungen lenken den Verdacht auf die Hüfte. Zu Beginn der Erkrankung sind im Röntgenbild die typischen Veränderungen oft nur sehr unscheinbar und kaum sichtbar. Sollte anfänglich noch eine Diagnoseunsicherheit bestehen, können eine MRT-Untersuchung und die Szintigrafie eingesetzt werden. In der Szintigrafie wird zunächst eine Zone verminderter Speicherung auffällig. Mit Beginn der Reparationsvorgänge zeigt sich dann eine vermehrte Speicherung. Sollten auch danach Unsicherheiten bestehen, muss der weitere Verlauf engmaschig beobachtet werden.

Morbus Perthes – die kindliche Hüftkopfnekrose

Morbus Perthes ist die kindliche Sonderform der Hüftkopfnekrose (juvenile Hüftkopfnekrose, idiopathische kindliche Hüftkopfnekrose). Die Erkrankung tritt bei Kindern, vor allem bei Jungen, im Alter von drei bis zwölf Jahren aufgrund unbekannter Ursache auf. Rechtzeitig behandelt, heilt der Morbus Perthes oft folgenlos aus, weil beim Kind abgestorbenes Knochengewebe abgebaut und durch neues ersetzt wird. Manchmal verbleibt jedoch eine Deformierung des Hüftkopfs mit der Spätfolge einer Arthrose.

Die kindliche Form der Hüftkopfnekrose macht sich anfangs oft lediglich in zeitweiligem Hinken bemerkbar. Schmerzen in Leiste oder Knie folgen meist erst später. Bei Kindern mit Morbus Perthes genügt oft eine Entlastung mit Orthesen. Das sind große Schienen, die das Bein in leichter Abspreizung halten. Vor allem älteren Kindern hilft jedoch nur eine Operation.

Schlechte Heilungschancen

Die Therapie ist von den Ursachen und Risikofaktoren, dem Alter des Patienten, der Ausdehnung des geschädigten Knochenbereiches und dem Stadium abhängig. Untersuchungen zeigten, dass Hüftkopfnekrosen nach Unfällen eine günstigere Prognose haben als eine idiopathische Hüftkopfnekrose. Generell gilt: Je fortgeschrittener das Stadium, desto weniger Aussicht besteht auf eine Heilung des erkrankten Hüftkopfes. Im Anfangsstadium, in dem im MRT typischerweise ein Knochenmarködem erkennbar ist, besteht unter Umständen die Möglichkeit der Reperfusion mittels einer Ilomedin-Infusionstherapie.

Im Stadium I ist eine Dekompression des Knochenmarkraumes (Hüftkopfanbohrung) angezeigt. Diese führt zu einer Entlastung der bei der Knochennekrose entstehenden Druckerhöhung im Knochengewebe und der Knochen soll zur erneuten Durchblutung angeregt werden. Mit einem hochporösen Metallstift aus Tantalum scheint jetzt ein Implantat gefunden zu sein, das die Gefäßversorgung des Knochens entscheidend verbessert und damit den Fortschritt der Erkrankung aufhalten kann. Über einen ca. 4 cm langen Hautschnitt wird der Stift unter Röntgenkontrolle in den Hüftkopf eingebracht.

Eine andere Therapiemöglichkeit ist das Auffüllen mit Zellen aus dem Knochenmark über einen Bohrkanal. Diese Knochenmarkzellen sollen die Knochenneubildung beschleunigen. Studien zeigen, dass die Auffüllung erfolgreich zu sein scheint. Solche Maßnahmen müssen immer von ergänzenden Maßnahmen begleitet werden. So gehören auf jeden Fall die Entlastung der betroffenen Seite mit Unterarmgehstützen, die physikalische Therapie sowie eine analgetische und antiphlogistische Therapie dazu.

Sind im Röntgenbild schon die ersten Anzeichen einer Veränderung zu erkennen (Stadium II/III), muss operiert werden. Hüftkopfentlastende und hüftkopfzentrierende Umstellungsoperationen unter Erhalt des Gelenkes sind eine Möglichkeit, eventuell ergänzt durch die oben beschriebene Anbohrung. Im fortgeschrittenen Alter und schweren Fällen mit Zerstörung des Gelenks ist nur noch der Gelenkersatz (Hüftgelenktotalendoprothese) als einzige Maßnahme Erfolg versprechend. In den meisten Fällen ist auch ein Ersatz der mitbeteiligten Hüftpfanne notwendig.

Zusätzlich zu den genannten Therapien wird neuerdings die hyperbare Sauerstofftherapie (hyperbare Oxygenierung, HBO) erprobt. Dabei sitzen die Betroffenen in einer Überdruckkammer und atmen mit Sauerstoff angereicherte Luft oder reinen Sauerstoff ein. Auf diese Weise nimmt das Blut größere Mengen an Sauerstoff auf als unter normalen Luftdruck-Bedingungen. Dadurch sollen Durchblutungsstörungen ausgeglichen und Nekrosen vermieden werden. Allerdings ist die Wirksamkeit noch nicht belegt. Bislang existieren weltweit nur Daten zu etwa 100 bis 200 Fällen. Die einzig verfügbare vergleichende Studie ist aufgrund methodischer und inhaltlicher Mängel nicht verwertbar.


Quelle

Krämer J: Orthopädie, Unfallchirurgie. Springer Verlag, Berlin,8., neubearbeitete und erweiterte Auflage

Debrunner AM: Orthopädie /Orthopädische Chirurgie. Patientenorientierte Diagnostik und Therapie des Bewegungsapparates.Huber Verlag, Bern 4. Auflage

Hüter-Becker A: Physiotherapie in der Orthopädie. Thieme Verlag, Stuttgart, 1. Auflage


Dr. med. Ingo Blank, Gärtringen

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