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Versandverbot für Thalidomid und Lenalidomid

BERLIN (ks). Für die Verordnung und Abgabe thalidomid- und lenalidomidhaltiger Arzneimittel werden bald strengere Regeln gelten: Die Rezepte sollen stärker kontrolliert und der Versandhandel mit den betreffenden Medikamenten untersagt werden. Diesen Zweck verfolgt die Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) und der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), die der Bundesrat am 28. November verabschiedet hat.

Im April 2008 wurde dem thalidomidhaltigen Fertigarzneimittel Thalidomid Pharmion® mit einer EG-Verordnung eine zentrale Zulassung erteilt. Da dieser Wirkstoff seinerzeit die Contergan-Katastrophe ausgelöst hat, verpflichtete die EU-Kommission die Mitgliedstaaten zugleich, die Einhaltung von Auflagen für ein Sicherheitskonzept in ihrem Zuständigkeitsbereich sicherzustellen. Es müsse möglichst verhindert werden, dass aufgrund der teratogenen Wirkung dieses Wirkstoffes erneut Missbildungen bei Neugeborenen vorkommen. Gleiches gilt auch für ein lenalidomidhaltiges Fertigarzneimittel (Revlimid®), das ebenfalls im zentralen Verfahren eine Zulassung erhalten hat. Lenalidomid ist ein zu Thalidomid strukturverwandter Wirkstoff, von dem zu vermuten ist, dass auch er eine fruchtschädigende Wirkung hat. Beide Arzneimittel sind zur kombinierten Behandlung des Multiplen Myeloms zugelassen: Thalidomid Pharmion® zur "First-Line-Therapie", Revlimid® als "Second-Line-Therapie". Wegen des jeweils stoffgebundenen Risikos erstreckt sich die Änderungsverordnung nicht nur auf die zentral zugelassenen Fertigarzneimittel, sondern auch auf entsprechende Rezepturarzneimittel.

Zweiteiliges Rezeptformular

Zum einen gilt für die Verschreibung und Abgabe der Arzneimittel künftig ein neues, zweiteiliges Rezeptformular. Dieses wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) personengebunden ausgegeben und ist ausschließlich zur Verschreibung der genannten Arzneimittel vorgesehen. Die verschreibende ärztliche Person muss auf dem Rezept die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften gemäß der Fachinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels bestätigen; dazu zählt insbesondere, dass ein Schwangerschafts-Präventionsprogramm durchgeführt wird und der Patientin bzw. dem Patienten geeignete medizinische Informationsmaterialien ausgehändigt wurden. Ferner muss auf der Verschreibung vermerkt sein, ob eine Behandlung innerhalb oder außerhalb der jeweils zugelassenen Anwendungsgebiete erfolgt. Für zusätzliche Sicherheit soll sorgen, dass die Rezepte nur sechs Tage gültig sind. Die Verschreibungs-Höchstmenge darf je Rezept für Frauen im gebärfähigen Alter den Bedarf für vier Wochen, ansonsten für zwölf Wochen nicht übersteigen. Die Apotheken müssen die Abgabe analog zu Betäubungsmitteln oder Blutzubereitungen sorgfältig dokumentieren. Die Durchschriften der eingelösten Rezepte müssen sie sodann vierteljährlich ans BfArM schicken.

Versandverbot

Eine Änderung wird es auch in der ApBetrO geben: Thalidomid und Lenalidomid dürfen in Zukunft nicht mehr im Wege des Versandhandels in den Verkehr gebracht werden. Den Apotheken aufgegebenen Auflagen – insbesondere ihre umfassenden Aufklärungs- und Beratungspflichten – könne im Rahmen einer nur telefonischen oder schriftlichen Beratung nicht nachgekommen werden, heißt es in der Verordnungsbegründung. Wegen der Vielzahl der mit den Arzneimitteln verbundenen Besonderheiten und dem Umstand, dass bereits die einmalige Einnahme schwerwiegende Folgen haben kann, sei die Einschränkung des Vertriebsweges gerechtfertigt und verhältnismäßig. Die Arzneimittelsicherheit und der Verbraucherschutz können in diesem speziellen Fall nicht mit anderen, milderen Mitteln gewährleistet werden.

Die Verordnung wird nach einer Übergangsfrist von zwei Monaten nach der in Kürze zur erwartenden Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.

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