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Sorgenkind Kosten-Nutzenbewertung

BERLIN (ks). Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt weiß die pharmazeutische Industrie im eigenen Land durchaus zu schätzen. Sie habe "viel Interesse", dass Deutschland Forschungsstandort und Leitmarkt für Innovationen bleibt, betonte die Ministerin anlässlich der öffentlichen Mitgliederversammlung des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) am 27. November in Berlin. Zugleich appellierte sie an die Branche, ihre Preise fair zu gestalten und damit für ein bezahlbares Gesundheitssystem zu sorgen, in dem alle Zugang zu Innovationen haben.

Schmidt ist es ein besonderes Anliegen, dass der medizinische Fortschritt in Deutschland allen zugänglich ist. Dafür investiere auch die Bundesregierung wieder verstärkt – insbesondere in die Grundlagenforschung. In der klinischen Forschung, so die Ministerin, stehe man nach schlechteren Zeiten seit 2006 wieder mit an der Spitze. Das gefällt Schmidt, denn Arzneimittel sollten ihres Erachtens in Deutschland "nicht nur verkauft, sondern auch erforscht und entwickelt" werden. Damit dabei auch echte Innovationen herauskommen, sollte man sich auf bestimmte Indikationsgebiete konzentrieren, z. B. die Demenz. Auch die Kosten-Nutzenbewertung von Arzneimitteln soll Innovationen fördern – und zugleich die steigenden Ausgaben für patentgeschützte Arzneien im Zaum halten. Am liebsten sähe die Ministerin es, wenn sich "die großen europäischen Länder zusammensetzen und eine einheitliche Bewertung auf den Weg bringen". Dies würde die Planbarkeit und Berechenbarkeit für die Industrie erhöhen. Doch es stockt mit der Kosten-Nutzenbewertung bereits im eigenen Land. Zwar wird sie allseits begrüßt – auch vom VFA – doch obwohl sie bereits beschlossene Sache ist, lässt ihre praktische Einführung auf sich warten. An den anzuwendenden Methoden feilt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) schon seit geraumer Zeit. Für Schmidt ist allerdings bereits genug diskutiert, sie will nicht mehr lange warten. Denn nur ungern möchte sie erneut mit einem Arzneimittel-Spargesetz auf die steigenden Ausgaben reagieren, beteuert die Ministerin. Allerdings sei die Alternative zur Kosten-Nutzenbewertung nicht "Gar Nichts". Sie könne jedenfalls "nicht zulassen, dass die Preise ins Unermessliche steigen".

Dass es mit der Kosten-Nutzenbewertung vorangehen muss, forderten in der anschließenden Diskussion auch andere Gesundheitspolitiker und der VFA-Vorsitzende Wolfgang Plischke. Plischke betonte, die Hersteller seien willens bei Pilotprojekten mitzumachen. Die Kosten-Nutzenbewertung solle schnell zu einem "Meilenstein" werden. Allerdings bestimmten nicht die Unternehmen die Zeit; wolle man weiterschreiten, sei das IQWiG gefordert. Auch der gesundheitspolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Annette Widmann-Mauz, ist es völlig unverständlich, wie man bereits so lange über die Kosten-Nutzenbewertung diskutieren kann, ohne dass etwas geschieht. Sie forderte alle Beteiligten auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Marlies Vokmer (SPD), Biggi Bender (Grüne) und Daniel Bahr (FDP) sehen dies ähnlich. Es gehe allerdings nicht an, dass die Selbstverwaltung die Verantwortung der Politik zuschiebt und umgekehrt, erklärte Bender. Ihres Erachtens könnte Schmidt mehr tun, um den Prozess zu beschleunigen. Bahr äußerte die Vermutung, dass es möglicherweise auch im Interesse der Regierung sein könnte, die Kosten-Nutzenbewertung hinauszuzögern, um einen guten Grund für kurzfristige Sparmaßnahmen zu haben.

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