Arzneimittel und Therapie

Neue Tyrosinkinase-Inhibitoren bei Imatinib-Resistenz

Ein Problem der Imatinib-Therapie sind frühe Rezidive oder Unverträglichkeiten. Risikopatienten müssen mithilfe hämatologischer, zytogenetischer und molekularer Marker rechtzeitig erfasst und auf eine neue Therapie umgestellt werden. Eine Möglichkeit ist die Behandlung mit dem Multityrosinkinase-Inhibitor Dasatinib (Sprycel®). Ein Update entsprechender Studien zeigt den Benefit eines solchen Vorgehens.

Die chronisch myeloische Leukämie (CML) ist eine der wenigen Krebserkrankungen, deren molekular-biologische Ursache bekannt ist. Durch eine Chromosomentranslokation kommt es zu einer dauerhaften Aktivierung einer Rezeptor-Tyrosinkinase und zu einer kontinuierlichen Produktion von Wachstumssignalen. Eine Hemmung der entsprechenden Tyrosinkinase bietet somit einen idealen Angriffspunkt. So kann mithilfe von Tyrosinkinase-Inhibitoren ein deutlicher Therapieerfolg erzielt werden, der sich in hohen Überlebensraten und vielfach progressionsfreien Krankheitsverläufen niederschlägt. Zur Erst-Linien-Therapie einer CML wird Imatinib (Glivec®) eingesetzt. Allerdings sprechen nicht alle Patienten dauerhaft auf diese Behandlung an. Neben Intoleranzen treten vor allem in den ersten drei Jahren der Therapie Resistenzen gegenüber Imatinib auf und machen einen Wechsel auf andere Tyrosinkinase-Inhibitoren erforderlich. Eine mögliche Option ist dann die Gabe von Dasatinib.

Molekulargenetische Hintergründe der CML

Maßgeblich beim Zustandekommen der CML ist die Translokation zwischen Chromosom 9 und 22. Der Chromosomenbruch liegt auf beiden Chromosomen im Bereich von Genen: auf Chromosom 9 abl (oder abl1) und auf Chromosom 22 bcr (breakpoint cluster region). Es kommt zur Bildung von Fusionsgenen: bcr-abl auf Chromosom 22 und abl-bcr auf Chromosom 9. Die Chromosomentranslokation ist häufig auch zytogenetisch als verkürztes Chromosom 22, als sogenanntes Philadelphia-Chromosom sichtbar. BCR-ABL-Fusionsgene kodieren die Bildung des BCR-ABL-Fusionsproteins, das eine erhöhte und dauerhafte Tyrosinkinaseaktivität aufweist. Die gesteigerte und unregulierte Tyrosinkinaseaktivität des BCR-ABL-Proteins führt zur Zelltransformation. Es kommt zum Verlust regulierender Zellproliferations- und Differenzierungssignale, was sich in einer gesteigerten Zellproliferation, Hemmung der Apoptose, einem Abbau regulatorischer Proteine und einer Beeinträchtigung von DNA-Reparaturmechanismen niederschlägt.

Multityrosinkinase-Inhibitor Dasatinib

Dasatinib hemmt mehrere Rezeptor-Tyrosinkinasen und wird zur Behandlung der CML nach Versagen von Imatinib eingesetzt. Dasatinib bindet mit einer um den Faktor 325 höheren Affinität als Imatinib an das aktive Zentrum der BCR-ABL-Kinase (s. Kasten) und weist keine Kreuzresistenz gegenüber Imatinib auf, da sich die jeweiligen Bindungsregionen unterscheiden. Dasatinib ist bis auf eine Ausnahme auch bei Imatinib-Resistenzen wirksam. Die klinischen Studien mit Dasatinib werden im Start-Studienprogramm (SRC/ABL Tyrosin Kinase Inhibition Activity Research Trial) koordiniert und ausgewertet.

Aktuelle Studienauswertungen

Im Rahmen der jeweiligen Zwei-Jahres-Auswertungen des Start-Studienprogramms konnte gezeigt werden, dass die Behandlung mit Dasatinib in allen Phasen der CML-Erkrankung lang anhaltende hämatologische und zytogenetische Remissionen erzielte. Gleiches gilt für das progressionsfreie Überleben und die Gesamtüberlebensrate. So lag das Gesamtüberleben in der chronischen Phase bei 100% (Imatinib-intolerante Patienten) bzw. bei 92% (Imatinib-resistente Patienten) und in der akzelerierten Phase bei 72%. In der Blastenphase betrug die mediane Gesamtüberlebensrate im Falle myeloischer Blasten 11,8 Monate, im Falle lymphoischer Blasten 5,3 Monate. In der Start-R-Studie konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass bei vorherigem Versagen von 400 bis 600 mg Imatinib pro Tag der Wechsel zu zweimal täglich 70 mg Dasatinib (progressionsfreies Überleben 86%) eine bessere Prognose besitzt als die Dosiseskalation von Imatinib auf 800 mg pro Tag (progressionsfreies Überleben 65%). Die höchste Effektivität von Dasatinib wird generell bei frühzeitiger Gabe unmittelbar nach Imatinib-Versagen erzielt.

Tyrosinkinase-Inhibitoren

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Das für die chronische myeloische Leukämie pathognomonische Philadelphia-Chromosom hat auf molekularer Ebene die Aktivierung der Abl-Tyrosinkinase zur Folge. Diese Tyrosinkinase überträgt Adenosin-Triphosphat (ATP) auf Tyrosinreste intrazellulärer Substrate und bewirkt auf diese Weise eine abnorme Proliferation des malignen Klons. Tyrosinkinase-Inhibitoren verdrängen ATP von der spezifischen Bindungsstelle der Tyrosinkinasedomäne des Bcr-Abl und verhindern dadurch die Phosphorylierung von Substraten.

Als erster Tyrosinkinase-Inhibitor wurde 2001 Imatinib (Glivec®) zur oralen Therapie von Patienten mit chronisch myeloischer Leukämie eingeführt.
2006 wurde mit Dasatinib (Sprycel®) ein neuer Multityrosinkinase-Hemmer für die Therapie von Imatinib-resistenter oder -intoleranter CML und Philadelphia-Chromosom-positiver akuter lymphatischer Leukämie (Ph+ ALL) zugelassen.

2007 wurde Nilotinib (Tasigna®) für die Second-Line-Therapie von Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie zugelassen. Es weist verglichen mit Imatinib eine größere Selektivität gegenüber der Zielstruktur auf.

Molekulargenetische Hintergründe der CML

Maßgeblich beim Zustandekommen der CML ist die Translokation zwischen Chromosom 9 und 22. Der Chromosomenbruch liegt auf beiden Chromosomen im Bereich von Genen: auf Chromosom 9 abl (oder abl1) und auf Chromosom 22 bcr (breakpoint cluster region). Es kommt zur Bildung von Fusionsgenen: bcr-abl auf Chromosom 22 und abl-bcr auf Chromosom 9. Die Chromosomentranslokation ist häufig auch zytogenetisch als verkürztes Chromosom 22, als sogenanntes Philadelphia-Chromosom sichtbar. BCR-ABL-Fusionsgene kodieren die Bildung des BCR-ABL-Fusionsproteins, das eine erhöhte und dauerhafte Tyrosinkinaseaktivität aufweist. Die gesteigerte und unregulierte Tyrosinkinaseaktivität des BCR-ABL-Proteins führt zur Zelltransformation. Es kommt zum Verlust regulierender Zellproliferations- und Differenzierungssignale, was sich in einer gesteigerten Zellproliferation, Hemmung der Apoptose, einem Abbau regulatorischer Proteine und einer Beeinträchtigung von DNA-Reparaturmechanismen niederschlägt.

Studien zur Dosierungsoptimierung

In einer Dosisoptimierungsstudie mit Imatinib-resistenten Patienten in der chronischen CML-Phase konnte durch einen Dosiswechsel von zweimal täglich 70 mg auf einmal täglich 100 mg Dasatinib eine Reduktion der Nebenwirkungen belegt werden. Die Effektivität der Therapie blieb erhalten.

In einer weiteren Phase-IIIOptimierungsstudie mit Patienten in fortgeschrittenen CML-Phasen sowie bei der Philadelphia-Chromosom-positiven akuten lymphatischen Leukämie (Ph+ALL) wurde die einmal tägliche Einnahme von 140 mg Dasatinib mit der zweimaligen Einnahme von 70 mg verglichen. Dabei zeigte sich eine vergleichbare Wirksamkeit. In der Folgeauswertung nach sechs Monaten wurde ein Benefit für die zweimal tägliche Gabe von 70 mg Dasatinib hinsichtlich der Remissionsdauer in den verschiedenen Krankheitsphasen – vor allem in Phasen mit lymphoider Transformation – beobachtet.

Engmaschiges Monitoring

Diagnostik und Monitoring der chronisch myeloischen Leukämie sollten gemäß den Richtlinien des European Leukemia Network (ELN) bzw. des National Comprehensive Cancer Network (NCCN) erfolgen. Die Initialdiagnostik umfasst neben der hämatologischen Untersuchung eine zytogenetische Analyse (Nachweis des Philadelphia-Chromosoms) und eine reverse Transkriptase-PCRUntersuchung. Alternativ kommt eine Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung in Betracht. Nach Diagnosestellung einer chronisch myeloischen Leukämie und Therapiebeginn mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor wird die Durchführung hämatologischer, zytogenetischer und molekulargenetischer Untersuchungen zu definierten Zeitpunkten empfohlen. Indikationen für die Durchführung von Plasmaspiegelmessungen sind neben inadäquatem Therapieansprechen vor allem eine fragliche Patientencompliance bei der Medikamenteneinnahme, schwere toxische Nebenwirkungen oder der Verdacht auf Interaktionen mit anderen Arzneistoffen, die über das Cytochrom-P450-System metabolisiert werden.

Quelle

Prof. Dr. Dr. Thomas Lion, Wien; Prof. Dr. Dr. Torsten Haferlach, München; Prof. Dr. Andreas Hochhaus, Heidelberg: Pressekonferenz "Optimierte CML-Therapie mit Dasatinib (Sprycel™): Gute Chancen durch konsequentes Monitoring" anlässlich der Gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie (DGOH), Wien, 11. Oktober 2008, veranstaltet von der Bristol-Myers Squibb GmbH, München.

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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