Arzneimittel und Therapie

Was nützt Mitochondrien ein eigener genetischer Code?

Vor 30 Jahren wurde entdeckt, dass Mitochondrien einen eigenen genetischen Code und eine eigene Eiweißbiosynthese besitzen. Jetzt haben Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz nachgewiesen, dass dieser zweite genetische Code der Bildung ganz spezieller Proteine dient, die gegen oxidativen Stress wesentlich besser geschützt sind.

Es war eine Sensation, als 1979 erste wissenschaftliche Veröffentlichungen von einem zweiten genetischen Code in den "Kraftwerken der Zelle", den Mitochondrien, berichteten. Neben einer eigenen genetischen Information (mtDNA) besitzen die Zellorganellen eine eigene Proteinsynthese – mit eigenen Ribosomen und tRNA – sowie eine innere Membran zur Synthese von ATP aus ADP. Allein sind Mitochondrien jedoch nicht lebensfähig. Die Endosymbiontentheorie geht davon aus, dass Mitochondrien aus einer Symbiose spezieller aerober oder fakultativ anaerober Bakterien mit den Vorläufern der heutigen höheren Lebewesen (Eukaryonten) hervorgegangen sind. Es ist aber wohl eher so, dass sich im Laufe der Evolution in den Mitochondrien ein abweichender genetischer Code entwickelt hat, der zu einem Schutz der gebildeten Proteine gegen oxidativen Stress führte.

Was macht den genetischen Code so besonders?

Die Erbinformation ist in der DNA des Zellkerns enthalten und wird an folgende Generationen in dieser Form weitergegeben. Der genetische Code "übersetzt" diese Information, die in der Anordnung der DNA-Bausteine enthalten ist, über die messenger-RNA (mRNA) in die Proteinstruktur. Dabei stehen immer drei Nucleotide (Codon) der mRNA für eine Aminosäure. Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz haben jetzt herausgefunden, dass sich der genetische Code im Zellkern und der in den Mitochondrien in einem ganz wesentlichen Punkt unterscheiden: Das Codon AUA (Adenin-Uracil-Adenin) der mRNA führt normalerweise zur Aminosäure Isoleucin, die dann in das neue Protein integriert wird. In den Mitochondrien führt diese Kombination aber zur Aminosäure Methionin. Diese Aminosäure ist leicht oxidierbar. Es konnte nachgewiesen werden, dass es zu einer massiven Ansammlung von Methionin in der hoch oxidativen inneren Membran kommt. Methionin selbst hat jedoch eine antioxidative Oberfläche. Als Ergebnis entstehen strukturell abnormale, aber antioxidative und somit zellschützende Proteinkomplexe, da das Methionin die angreifenden freien Radikale schon an der Proteinoberfläche abfängt. Methionin selbst wird dabei dann im weiteren Verlauf verbraucht, die strukturelle Integrität des gesamten Proteinkomplexes aber bleibt erhalten. "Nach unseren Erkenntnissen dient der zweite genetische Code in den Mitochondrien zur Bildung von ganz speziellen Proteinen, die gegen oxidativen Stress wesentlich besser geschützt sind. Das ist gerade in den Mitochondrien besonders wichtig, weil bei hohem Sauerstoffumsatz fast immer freie Radikale entstehen" so der Leiter der Arbeitsgruppe in Mainz, Prof. Dr. B. Moosmann. Oxidativer Stress hat somit im Laufe der Evolution zu einem besonderen genetischen Code in den Mitochondrien geführt.


Quelle

Bendera A, et al.: Adaptive antioxidant methionine accumulation in respiratory chain complexes explains the use of a deviant genetic code in mitochondria. Proc. Nat. Acad. Sci. 2008; 105 (43): 16496 –16501.


Autor
Dr. Hans-Peter Hanssen

Universität Hamburg

Institut für Pharmazeutische Biologie und Mikrobiologie

Bundesstr.

20146 Hamburg

hans-peter.hanssen@hamburg.de

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.