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Was bedeutet das Qualitätsbekenntnis?

MÜNSTER (tmb). In einem Interview erläutert Hans-Günter Friese, Präsident der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, was das "Qualitätsbekenntnis der Apothekerinnen und Apotheker in Westfalen-Lippe" künftig für die Apotheker bedeuten wird.

DAZ Apotheker sind zur Fortbildung verpflichtet. Die Leitlinien der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung konkretisieren den "state of the art" der Offizinpharmazie, was auch als Verpflichtung interpretiert werden kann. Allerdings sind dies implizite Vorgaben ohne Sanktionen. Was ist dann neu an Ihrem Qualitätsbekenntnis, das auch auf das Sanktionssystem der Berufsordnung verzichtet?

Friese: Wir haben uns in Westfalen-Lippe in einem neunmonatigen, breit angelegten Prozess auf den Weg zu mehr Qualität begeben. Denn Qualität ist die entscheidende Grundlage für die Existenzsicherung der Institution Apotheke sowie der Profession des Apothekers. Am Anfang stand meine Analyse der aktuellen Lage, die wie folgt lautet: Wir Apotheker als freie Heilberufler haben nur dann eine Zukunft, wenn wir im pharmazeutischen Kernbereich unsere Aufgaben annehmen und flächendeckend eine hohe Beratungs- und Rezepturqualität sicherstellen. Wir brauchen also einen "Aufbruch im Umbruch".

In der Frühjahrssitzung unserer Kammerversammlung haben wir einen Grundsatzbeschluss für einen solchen Aufbruch in Form einer Qualitätsoffensive gefasst und diesen in den vergangenen Monaten konkretisiert. Dabei hat sich in der Diskussion auf den verschiedensten Ebenen und in fast allen Gremien herausgestellt, dass wir ein Maximum an Zustimmung für diesen pharmazeutischen Aufbruch erzielen, wenn wir den Weg eines Qualitätsbekenntnisses gehen – im Sinne einer inneren Verpflichtung, nicht eines äußeren Zwangs. Dieses Votum ist keineswegs nur ein Lippenbekenntnis, sondern ein echtes Aufbruchsignal, weil inzwischen eine breite Bewegung für mehr Qualität entstanden ist und die Kammer zahlreiche Arbeitshilfen anbietet – in einer Dimension, die es bisher noch nicht gegeben hat. Nur ein Beispiel: Wir werden das Fortbildungsangebot verdoppeln und unseren Fortbildungsetat 2009 um 70 Prozent aufstocken.

DAZ Wie können Sie reagieren, falls Sie nach einigen Jahren feststellen, dass eine Minderheit von Apotheken die beschriebenen Instrumente nur halbherzig umsetzt?

Friese: Wir gehen selbstbewusst davon aus, dass eine solche Reaktion nicht erforderlich sein wird. In unseren dezentralen Informationsveranstaltungen, an denen sich im November 800 Kammermitglieder beteiligt haben, ist deutlich geworden, dass die Apothekerinnen und Apotheker in Westfalen-Lippe bereits in einem außerordentlich hohen Maße für Fragen der Qualität sensibilisiert sind und unseren Weg mitgehen werden. Ein weiterer Beleg ist die breite Zustimmung der Kammerversammlung zum Qualitätsbekenntnis – bei nur einer Handvoll Gegenstimmen. Falls wir aber mit dieser Einschätzung falsch liegen sollten, obliegt es dann dem Vorstand und der Kammerversammlung in zwei bis drei Jahren noch einmal neu über eine Festschreibung der Qualitätsoffensive in der Berufsordnung nachzudenken.

DAZ Ein häufig gebrauchtes Argument gegen die Pflichtfortbildung ist der Zeitbedarf. Wer in ländlichen Regionen lebt, muss schon für die Anfahrt zu Veranstaltungen viel Zeit aufwenden. Was können Sie diesen Apothekern bieten?

Friese: Zunächst einmal stelle ich fest, dass die Verpflichtung zur Fortbildung ja bereits in unserem Heilberufsgesetz in NRW festgeschrieben ist. Letztlich geht es nicht um das Ob, sondern um das Wie: Wer das Fortbildungszertifikat erwerben möchte, kann in Westfalen-Lippe bereits jetzt einen Großteil der in der Kategorie "Externe Veranstaltungen" zu sammelnden Punkte online erwerben. Unser Angebot "Fortbildung online" bietet die Auswahl aus 40 Lektionen, die bequem von zu Hause bzw. während des Not- und Nachtdienstes bearbeitet werden können. Auch werden wir mit unserem Fortbildungsangebot verstärkt in die Fläche gehen und ab 2009 in vielen der 27 Kreise unseres Kammergebietes mit Veranstaltungen präsent sein. Last but not least ist es möglich, Beratungstrainer für eine Fortbildung in die Apotheke zu holen. Ebenso wie bei einer Team-Fortbildung kommen hier die Fortbildungspunkte gleichsam in die Apotheke. Aus meiner Sicht sind das hervorragende und komfortable Alternativen zu externen Veranstaltungen.

DAZ Die Installation eines QMS wird von der Zertifizierung unterschieden. Letztere gilt bei vielen als bürokratischer Ballast. Wie funktioniert der Nachweis über die Installation Ihres neuen pharmazeutischen Basismoduls? Gibt es dafür eine "Zertifizierung light"?

Friese: Unser neues pharmazeutisches Qualitätsmodul – kurz pQM – ist als zusätzliches Angebot zu verstehen, das zugleich den Einstieg in ein vollumfängliches Qualitätsmanagementsystem erleichtern soll. Die Umsetzung des pQM in der Praxis erfordert insbesondere ein aktuelles Qualitätsbuch, in dem die pharmazeutischen Tätigkeiten unter Berücksichtigung der Leitlinien der Bundesapothekerkammer schriftlich fixiert werden. Als Hilfestellung für die Erarbeitung des Qualitätsbuches bieten wir kostenlose Schulungen an und haben eine spezielle Software, unser elektronisches Handbuch, entwickelt, in dem die wichtigsten Musterprozesse bereitgestellt sind und auf die eigene Apotheke angepasst werden können. Auch wenn eine Zertifizierung nicht vorgesehen ist, machen wir hier keinerlei Abstriche im Kernbereich der pharmazeutischen Qualität, die wir verbessert sehen wollen.

DAZ Angenommen ein umfassendes QMS ist in einigen Jahren ein Standardinstrument der Apotheken – könnten Sie sich dann vorstellen ein Pflicht-QMS in der Berufsordnung festzuschreiben, obwohl diese sich an Apotheker als Personen wendet? Oder wäre dies nicht eher eine Sache der Apothekenbetriebsordnung, die Apotheken als Betriebe betrifft?

Friese: Hier gilt es aufmerksam die Entwicklung der nächsten Jahre zu verfolgen. Wenn sich die Tendenzen verfestigen, dass Krankenkassen zukünftig ein zertifiziertes QMS für die Teilhabe an Lieferverträgen voraussetzen, wäre aus meiner Sicht eine Festschreibung in der Berufsordnung nicht erforderlich. Dem Vernehmen nach wird in einer Novelle der Apothekenbetriebsordnung ohnehin die Verpflichtung zu einem Qualitätssicherungssystem durch den Verordnungsgeber gefordert sein.

DAZ Testkäufe zur Beratungsqualität werden in nahezu allen Bundesländern durchgeführt, aber die Vorgehensweisen der Kammern unterscheiden sich. Welche Methode wenden Sie in Westfalen-Lippe an und warum?

Friese: Wir haben als erste Kammer bundesweit bereits ab 2002 eigene Beratungstests etabliert und verfügen inzwischen über Erfahrungswerte aus nahezu 4500 Testkäufen. Wichtig sind uns dabei zwei Prinzipien: Kollegialität und Reziprozität. Was ist damit gemeint? Erstens sind unsere Testkäufer, wir nennen sie pharmazeutische Fachprüfer, Kolleginnen und Kollegen. Wir verfügen derzeit über einen Pool von etwa 30 Kammermitgliedern, die von uns regelmäßig für die Testkäufe geschult werden und die genau wissen, was zu einer guten Beratung gehört. Zweitens ist ein Testkauf bei uns keine kommunikative Einbahnstraße: Der pharmazeutische Fachprüfer kehrt wenige Minuten nach dem Testkauf in die Apotheke zurück und bespricht mit dem Apothekenleiter sowie dem Beratenden das Ergebnis. Der hat dann wiederum die Gelegenheit, ein Feedback zu geben und uns mitzuteilen, wie er den Verlauf des Testkaufes empfunden hat und welche konkreten Hilfestellungen der Kammer er sich wünscht, um die Beratungsqualität in seiner Apotheke zu optimieren. Aus diesen Rückmeldungen haben wir unter anderem das Angebot der Beratungstrainer entwickelt: Sie können in Westfalen-Lippe einen Referenten buchen, der in die Apotheke kommt und das gesamte Team zu Themen der Selbstmedikation und darüber hinaus fit macht. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wir verstehen den pharmazeutischen Fachprüfer nicht als Kontrolleur, sondern eher als Partner des Apothekenteams innerhalb eines Verfahrens mit größtmöglicher Transparenz.

DAZ Wie gehen Sie mit Apotheken um, die – vielleicht sogar mehrfach – durch negative Ergebnisse auffallen? Ändert sich dabei etwas durch das Qualitätsbekenntnis?

Friese: Wer im pharmazeutischen Kernbereich – trotz aller Hilfestellung durch unsere Kammer – wiederholt seine Hausaufgaben nicht erledigt und z. B. seine Kunden und Patienten auch auf Nachfrage nicht berät oder PKA im Handverkauf beschäftigt, schadet damit dem gesamten Berufsstand. Derjenige setzt damit auch die Zukunft seiner Kolleginnen und Kollegen aufs Spiel. Derartige Fälle, von denen ich hoffe und erwarte, dass sie die absolute Ausnahme darstellen, werden wir im Kammervorstand einer berufsrechtlichen Bewertung unterziehen. Unsere Devise lautet ab sofort: Jeder kann und sollte mitmachen, keiner kann sich mehr herausreden.

DAZ Vielen Dank für das Gespräch, Herr Friese.

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