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Jetzt auch noch eine OTC-Krise?

Keine schöne Zahlen, die da das Institut für Medizinische Statistik (IMS Health) vor Kurzem meldete: auf dem Selbstmedikationsmarkt ist der Umsatz zu Endverbraucherpreisen von Januar bis September 2008 im Vergleich zum Vorjahr um 3 Prozent zurückgegangen. Nur noch für knapp 4 Milliarden Euro gingen in den ersten drei Quartalen OTC-Arzneimittel über den Handverkaufstisch der Apotheke: Ärzte haben weniger rezeptfreie Arzneimittel verordnet und die Patienten selbst haben weniger OTCs in den Apotheken gekauft. Die Rezession auf dem OTC-Markt hat allerdings nichts mit der Immobilienkrise der USA zu tun und dürfte auch nicht mit der Finanzkrise zusammenhängen. Die Ursachen gehen wohl auf die Jahre 2003/04 zurück. Noch 2003 gaben die Bundesbürger im Durchschnitt pro Jahr rund 82 Euro für rezeptfreie Arzneimittel aus. Doch dann kam das GMG, das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit diesem Gesetz wurden die OTC-Preise freigegeben und nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel generell von der Erstattungsfähigkeit durch die gesetzliche Krankenversicherung ausgeschlossen (von wenigen bestimmten Ausnahmen abgesehen). Seit 2004 gehen die jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben für rezeptfreie Arzneimittel kontinuierlich zurück, 2007 betrugen sie nur noch rund 68 Euro. Und am Ende dieses Jahres dürften es dann wohl wieder ein bis zwei Euro weniger sein. Die Bevölkerung ist immer weniger bereit, Arzneimittel aus eigener Tasche zu bezahlen – aber warum?

Umfragen in der Bevölkerung stellten fest, dass das Image der OTC-Arzneimittel durch die Preisfreigabe und durch den Ausschluss aus der GKV gelitten hat. Natürlich freut sich der Verbraucher, wenn er 20 Paracetamol-Tabletten für unter einen Euro bekommt oder für ein Voltaren-Schmerzgel nur noch 5,78 Euro statt 12,95 Euro an die Versandapotheke überweisen muss. Doch gleichzeitig geht damit im Bewusstsein des Verbrauchers einher, dass Arzneimittel verramscht werden wie andere Waren auch. Ob sie dann auch noch so wirksam sind? Er hat zudem erfahren, dass Krankenkassen nicht mehr für die OTCs bezahlen. Und er fragt sich, warum? Der Gedanke, dass diese verschreibungsfreien Präparate vielleicht doch nicht so gut wirken, liegt für ihn nahe.

Der Rückgang des Umsatzes rezeptfreier Arzneimittel in Apotheken in den letzten Jahren passt eigentlich nicht in die Landschaft und widerspricht so manchem anderen Trend, z. B. dem, dass der Gesundheitsmarkt im Allgemeinen wächst und ein Zukunftsmarkt ist. Geld für Gesundheit ist beim Verbraucher da, nur scheint er es in anderen Gesundheitskanälen auszugeben. Was läuft da falsch?

Hört man sich in der Selbstmedikationsindustrie um, ist man trotz rückläufiger Zahlen nicht ganz pessimistisch. Man wird in Zukunft noch stärker die Chancen und Möglichkeiten unterschiedlicher Vertriebslinien von Produkten nutzen. Beratungsintensive Arzneimittel werden auch weiterhin in der Apotheke gekauft. Bekannte Markenprodukte und solche, die kontinuierlich eingenommen werden, werden in Zukunft vermehrt übers Internet vertrieben. Präparate für Prophylaxe, Lifestyle und Wohlbefinden dürften dagegen im Massenmarkt ihre Käufer finden, meint ein Kenner der OTC-Branche. Viele OTC-Firmen rüsten derzeit ihre Internetseiten auf, um noch stärker dem Informationsbedürfnis des Verbrauchers über die freiverkäuflichen Arzneimittel entgegenzukommen.

Trotz Massenmarkt und Internetversand: die Apotheke wird der maßgebliche OTC-Vertriebskanal bleiben. Eine gute Vertrauensbasis zwischen Apotheker und Kunde wird weiterhin eine besondere Bedeutung haben. Nur sollten und könnten wir als Apothekerinnen und Apotheker mit Sicherheit noch mehr für diesen Markt tun. Wie sieht es eigentlich mit der aktiven Empfehlung von OTC-Produkten aus? Nehmen wir dieses Segment in der Apotheke ernst genug? Nutzen wir das Potenzial der Zusatzverkäufe? Da laut PTA-Verband die PTA rund 70 bis 80 Prozent der Beratungs- und Verkaufsvorgänge abwickelt, ist es nicht verkehrt, hier genauer hinzusehen. Sind die PTA fit in Sachen Zusatzverkauf? Können sie zu einer Verordnung geeignete OTC-Produkte zur Unterstützung empfehlen? Oder ganz einfach formuliert: Können Ihre PTAs gut verkaufen? Vermutlich liegt hier noch Potenzial. Investitionen in Training und Schulungen für die PTAs sind gut angelegt.

Mein Fazit: Ich glaube nicht, dass wir in eine OTC-Krise schlittern – wenn wir etwas für diesen Markt tun. Damit meine ich nicht, dass wir die Preise immer weiter nach unten schrauben und uns gegenseitig bis zum Netto-netto-Preis die Margen kaputt machen. Der OTC-Markt lebt von einer aktiven kompetenten Beratung – das ist unsere Domäne. Versandapotheken und Drogeriemärkte, die zum Teil begierlich auf diesen Markt schielen, haben hier keine Chance.


Peter Ditzel

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