Arzneimittel und Therapie

Ungetrübtes Glück für ältere Frauen?

Eine Testosteronsubstitution ohne Estrogen kann prinzipiell älteren Frauen auch im Alter befriedigende sexuelle Erlebnisse ermöglichen. Allerdings müssen sie einen unerwünschten Haarwuchs akzeptieren. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass Testosteron das Brustkrebsrisiko erhöht.
Dr. Anneliese Schwenkhagen

Das Testosteronpflaster Intrinsa soll helfen, die Libido bei Frauen in und nach der Menopause zu steigern. Bislang ist es jedoch nur für ovar- und hysterektomierte-Frauen in Kombination mit Estrogen zugelassen.

Um die Wirksamkeit und Sicherheit einer Testosteronsubstitution zur Libidosteigerung bei Frauen in der Postmenopause ohne gleichzeitige Estrogensubstitution abzuklären, wurde die Aphrodite-Studie (A Phase III Study of Femal Sexual Dysfunction in Women on Testosterone Patch without Estrogen) initiiert. In einer randomisierten Doppelblindstudie wurden 814 Frauen mit vermindertem sexuellem Verlangen über 52 Wochen entweder mit

einem Testosteronpflaster mit einer Freisetzungsrate von 300 Mikrogramm pro Tag

einem Testosteronpflaster mit einer Freisetzungsrate von 150 Mikrogramm pro Tag oder

einem Placebopflaster

behandelt. Eine Subgruppe wurde ein weiteres Jahr beobachtet.

Signifikant mehr befriedigende Erlebnisse wurden lediglich unter dem 300-Mikrogramm-Testosteronpflaster registriert. Im Schnitt waren es 2,1 Episoden pro Monat, während unter Placebo 0,7 und unter dem 150-Mikrogramm-Pflaster 1,2 Episoden angegeben wurden. Das sexuelle Verlangen wurden allerdings auch durch das 150-Mikrogramm-Pflaster signifikant gesteigert.

In der 300-Mikrogramm-Testosterongruppe traten vermehrt androgene Nebenwirkungen – hier vor allem Hirsutismus – auf (30% versus 23,1% unter Placebo).

Insgesamt erkrankten vier Frauen während der Studie an Brustkrebs. Alle gehörten den Testosterongruppen an.

Wie die Studienergebnisse und die Brustkrebserkrankungen einzuordnen sind, darüber haben wir mit der Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtsmedizin Dr. Anneliese Schwenkhagen vom Gynäkologicum Hamburg gesprochen:

DAZ Was war die Intention der Aphrodite-Studie?

Schwenkhagen:

Bei der Aphrodite-Studie handelt es sich um eine logische Fortsetzung der Studien, in denen die Wirksamkeit einer Testosteronsubstitution bei vermindertem sexuellem Verlangen von Frauen in der Menopause untersucht worden ist. Ausgangspunkt waren Untersuchungen mit hyster- und ovarektomierten Frauen. Hier ist in idealer Weise zu sehen, was passiert, wenn Testosteron verloren geht und was geschieht, wenn man Testosteron bei vermindertem sexuellen Verlangen substituiert. Untersucht wurde zunächst die transdermale Gabe von 150- und 300-Mikrogramm Testosteron bei gleichzeitiger Estrogensubstitution. Dabei stellt sich heraus, dass mit der 300-Mikrogramm-Testosteron-Dosierung die Zahl der als befriedigend empfundenen Ereignisse und weitere Aspekte wie sexuelles Verlangen und Libido am effektivsten zu steigern waren.

Es folgten weitere Studien zur Testosteronsubstitution, auch bei Frauen mit natürlicher Menopause in Kombination mit Estrogen und Gestagenen.

Vor dem Hintergrund der Diskussionen um die WHI-Studie wurde in der Aphrodite-Studie dann die alleinige Testosteronsubstitution in der natürlichen Menopause unter die Lupe genommen. Auch hier zeigt sich, dass Testosteron wirkt und die 300-Mikrogramm-Dosierung effektiver ist als die 150 Mikrogramm-Dosierung.

DAZ Testosteron wirkt, doch für Irritationen sorgen die Brustkrebserkrankungen ...

Schwenkhagen:

Um diese Erkrankungen richtig einordnen zu können, muss man ganz genau hinschauen. In den Verumgruppen sind vier Brustkrebserkrankungen aufgetreten. Der erste Fall trat nach vier Monaten unter der 150-Mikrogramm-Dosierung auf. Hier halte ich einen Kausalzusammenhang für extrem unwahrscheinlich.

Im zweiten Fall hatte die Patientin einen blutigen Ausfluss vor dem Eintritt in die Studie verschwiegen. Es lag also mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schon vor der Testosteronsubstitution ein Mammakarzinom vor. Diese Patientin hätte nie in die Studie aufgenommen werden dürfen.

Dann trat ein Fall eines Estrogenrezeptor-positiven Mammakarzinoms nach zwölf Monaten und ein weiterer in der Verlängerungsphase der Studie auf.

Im letzten Fall handelte es sich um eine Patientin, deren Schwester schon an Brustkrebs erkrankt war und die über 20 Jahre Estrogene und Gestagene eingenommen hatte. Wir können anhand dieser Fälle und der geringen Studienteilnehmerzahl wirklich keine Aussage darüber treffen, ob Testosteron nun das Brustkrebsrisiko erhöht oder nicht.

DAZWas bedeutet das langfristig für die Option, sexuelle Funktionsstörungen im Alter bei Frauen mit Testosteron zu beheben?

Schwenkhagen:

Wir müssen in jedem Fall die Frage der Langzeitsicherheit einer solchen Testosteronsubstitution weiter diskutieren und erforschen. Zurzeit läuft eine sehr große Studie, in der die kritischen Endpunkte wie das Mammakarzinom aller mit Testosteronpflaster behandelten Frauen erfasst werden. Im Endeffekt werden wir auf Daten von über 10.000 Frauen zurückgreifen können, mit denen wir dann die Sicherheit einer solchen Testosteronsubstitution besser beurteilen können.

DAZ Frau Dr. Schwenkhagen, wir danken Ihnen für das Gespräch!


Quelle

Davis SR et al.: Testosteron for Low Libido in Postmenopausal Women Not Taking Estrogen. N Engl J Med 2008; 359: 2005 – 2017


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