Arzneimittel und Therapie

IQWiG sieht immer noch keinen Zusatznutzen

Schon im Jahr 2007 sah das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in einer Nutzenbewertung keine Vorteile für eine fixe Kombination von lang wirksamen Beta-2-Agonisten und Corticoiden. Auch in einer soeben veröffentlichten erweiterten Nutzenbewertung kommt das IQWiG zu keinem anderen Schluss.

Der erweiterte Abschlussbericht war vorgelegt worden, weil zwischenzeitlich Budesonid plus Formoterol (Symbicort) eine erweiterte Zulassung zur Erhaltungs- und Bedarfstherapie erhalten hatte (Smart) und mit Beclometasondipropionat plus Formoterol (Foster, Inuvair) eine neue Wirkstoffkombination auf den Markt gekommen war.

Für die Bewertung war entscheidend, ob die Schwere der Asthmasymptome und Exazerbationen im Vergleich zur getrennten Gabe durch die Fixkombination zu verringern waren, ob Patienten seltener ins Krankenhaus oder zum Arzt mussten und ob eine der Therapie-Varianten weniger Nebenwirkungen hatte. Auch gesundheitsbezogene Lebensqualität, körperliche Belastbarkeit sowie Einschränkungen bei Aktivitäten des täglichen Lebens wurden als Zielgrößen erfasst. Insgesamt wurden 16 Studien in die Bewertung einbezogen. Bei Verwendung der gleichen Inhalationssysteme fand das IQWiG für die fixe und für die freie Kombination von Budesonid/Formoterol und Fluticason/Salmeterol ähnliche Ergebnisse. Für die neue Kombination Beclometasondipropionat/Formoterol lagen keine entsprechenden Studien vor. Auch der Vergleich der verschiedenen Fixkombinationen untereinander erbrachte nach Ansicht des IQWiG keine nutzenrelevanten Unterschiede. Schwere Exazerbationen sind die einzige Zielgröße, bei der sich ein Vorteil für Budesonid/Formoterol (Smart) gegenüber Fluticason/Salmeterol andeutete. Bei allen anderen Endpunkten, etwa der Asthmasymptomatik, der Lebensqualität oder unerwünschten Ereignissen, zeigen auch die bereits veröffentlichten Daten keine Unterschiede zur Fixkombination Fluticason/Salmeterol. Das IQWiG hegt jedoch Zweifel, ob von Seiten des Symbicort/Smart-Herstellers Astra-Zeneca alle relevanten Studien vorgelegt worden sind. Astra-Zeneca hatte als einziger Hersteller eine Vereinbarung zur Übermittlung und Veröffentlichung von Herstellerdaten nicht unterzeichnet.


Quelle

Pressemitteilung des IQWiG: Asthma-Therapie: Keine Belege für Zusatznutzen der Fixkombinationen. 4. November 2008.

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Kommentar

Mit zweierlei Maß gemessen

Im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hatte das IQWiG zu entscheiden, ob die fixen Kombinationen aus inhalativen Corticosteroiden (ICS) und langwirksamen Beta-2-Agonisten (LABA) einen "Zusatznutzen" im Vergleich zur getrennten Verabreichung der gleichen Substanzen aus zwei Inhalatoren haben. Nur in diesem Fall würde man dem G-BA die weitere Rückerstattung der Kosten durch die gesetzliche Krankenversicherung empfehlen. Bereits im ursprünglichen Bericht vom 30. März 2007 wurde ein Zusatznutzen verneint. Zum Ergänzungsauftrag kam es, da bei der ersten Prüfung die Formoterol/Beclomethason-Kombination (Foster, Inuvair) und die Smart-Indikation (Symbicort Maintenance and Reliever Therapy) noch nicht geprüft worden waren. Es ist darauf hinzuweisen, dass nicht etwa die Wirksamkeit und die in den letzten Jahren heiß diskutierten Nebenwirkungen einer zusätzlichen LABA-Therapie zu inhalativen Corticosteroiden unter dem Aspekt der Erstattungsfähigkeit 3,5 Jahre lang geprüft worden waren, sondern lediglich die Frage, ob diese Substanzen aus einem oder zwei Inhalatoren verabreicht werden sollen, ein rein administrativer Aspekt.

Obwohl der gesunde Menschenverstand zugegebener Maßen nicht in das methodologische Armamentarium der Evidenz-basierten Medizin gehört – letztere bietet dem IQWiG die Entscheidungsgrundlage –, hat in der Fachwelt niemand ernsthaft damit rechnen können, dass die gleichen zwei Substanzen aus gleichen Inhalatoren – zur gleichen Zeit oder unmittelbar hintereinander in randomisierten doppelblinden Studien verabreicht – wesentliche Unterschiede (einen "Zusatznutzen") zeigen würden, soweit die Adhärenz zur Therapie durch die Doppel-dummy-Technik auf dem gleichen Niveau gehalten wird. Auch die Hersteller haben mit einem solchen Zusatznutzen nicht gerechnet! Geprüft wurde in zahlreichen Zulassungsstudien lediglich, ob eine Gleichwertigkeit ("non-inferiority") besteht. Es ist statistisch problematisch, aus diesen Studien auf eine Überlegenheit schließen zu wollen. Die Gleichwertigkeit der fixen und freien Kombination war für die – ebenfalls nach den Regeln der Evidenz-basierten Medizin handelnden – Zulassungsbehörden so klar, dass für die zuletzt erfolgte Zulassung der Kombination Formoterol/Beclomethason solche Studien gar nicht mehr vorgelegt werden mussten.

Der Zusatznutzen dieser Therapie liegt in einer einfacheren Anwendung durch den Patienten, Vermeidung der Verwechslung der Inhalatoren und vor allem in der Sicherstellung der inhalativen Corticosteroidtherapie. Mehrere Registerstudien konnten gleichlautend den Adhärenzvorteil der Kombination nachweisen. Diese Studien werden vom IQWiG nicht berücksichtigt, da sie keine erstrangige Evidenz liefern. Gewiss, randomisierte kontrollierte Studien liegen zu dieser Frage nicht vor. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse randomisierter kontrollierter Adhärenzstudien auf den Praxisalltag wäre aber technisch schwer vorstellbar. Der Studienpatient wird aufgeklärt, er unterschreibt eine Einverständniserklärung und soweit man an den Ergebnissen der Studie interessiert ist, muss man sie auch erheben. Mit anderen Worten: Der Patient wird während einer solchen Studie kontrolliert. Bislang jedenfalls findet sich in der Literatur keine Methodologie, die eine auf den Praxisalltag übertragbare randomisierte Adhärenzstudie in der Pneumologie beschreiben würde. Somit sind wir auf Studien angewiesen, die einen niedrigeren Evidenzgrad aufweisen. Dieser Zustand ist keinesfalls einmalig in der Evidenz-basierten Medizin. Bei der Mehrzahl der Empfehlungen in Leitlinien müssen niedrigere Evidenzgrade für Empfehlungen herangezogen werden. Selbst die Expertenmeinung findet als (die niedrigste) Evidenz dort Berücksichtigung.

Die im IQWiG-Dokument breit aufgearbeitete Adhärenzdiskussion wird aber dadurch ad absurdum geführt, dass Adhärenz nicht als valider Surrogat für patientennahe Endpunkte anerkannt wird. Im IQWiG-Dokument findet sich nicht nur der Satz, dass eine gute Adhärenz auch schädlich sein kann, da in diesem Fall auch mehr Nebenwirkungen auftreten. Die fehlende Validität des Surrogats Adhärenz wird mit Studien belegt, die erstens fehlerhaft interpretiert werden und zweitens heutigen statistischen Anforderungen nicht entsprechen. Bei Berücksichtigung der zur IQWiG-Entscheidung herangezogenen Studien wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen, je nachdem, was ins Konzept passt. Diese Fragen wurden bei der mündlichen Erörterung gar nicht erst diskutiert (Originaltext Moderator: "wenn wir dieses Fass aufmachen, dann müssten viele für die kommende Nacht ein Hotelzimmer buchen", nachzulesen unter www.IQWIG.de/index.651.html) und auch in dem Abschlussbericht ist man darauf nicht eingegangen.

Im Gegensatz zu den anderen betroffenen Herstellern hat AstraZeneca nicht veröffentlichte Studienergebnisse nur soweit dem IQWiG zur Verfügung gestellt, wie sie nach Einschätzung der Firma für die geprüften Fragestellungen relevant waren. Selbst bei positivem Ausfall von Vergleichen von Symbicort sah sich das IQWiG in einigen Fällen außerstande, nachgewiesene Vorteile zu berücksichtigen, da immer die Frage einer eventuellen "publication bias" gestellt werden musste. Die Evidenz-basierte Medizin verlangt in der Tat, dass alle potenziell relevanten Studien ausgewertet werden.


Dr. med. Peter Kardos

Zentrum für Allergologie, Pneumologie, Schlafmedizin

Klinik Maingau vom Roten Kreuz

Scheffelstraße 33

60318 Frankfurt

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