Analytik

Ginkgohaltige Teeprodukte nicht ohne Risiko

Zu viel Ginkgosäuren im Aufguss

Von Meike Krzywon, Mona Tawab und Manfred Schubert-Zsilavecz

Besonders in der kalten Jahreszeit greifen viele Verbraucher gerne zu diversen Teeprodukten. Neuerdings werden dabei in zunehmendem Maße Teemischungen angeboten, denen in unterschiedlichen Mengen Ginkgoblätter zugesetzt sind. In diesem Zusammenhang wird den Verbrauchern suggeriert, dass Ginkgoblätter in Teemischungen, ähnlich wie Ginkgoextrakt-haltige Arzneimittel, positive Wirkungen auf die mentale Leistungsfähigkeit haben. Untersuchungen des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker (ZL) zeigen jedoch, dass das Trinken von Ginkgoblätter enthaltenden Tees mit Gesundheitsrisiken verbunden sein kann.

Aus Sicht der Fachkreise und der Verbraucher haben Ginkgo-Zubereitungen seit Jahrzehnten einen festen Platz in der Medizin. So zählen Ginkgo-Präparate heute zu den meist eingenommenen pflanzlichen Präparaten in Europa. Der arzneiliche Wirkstoff Trockenextrakt aus Ginkgo-biloba-Blättern enthält als wirksamkeitsrelevante Inhaltsstoffe im Vergleich zum Gehalt der Blätter auf ca. das 50-Fache angereicherte Ginkgoflavonglykoside und Terpenlactone (Ginkgolide, Bilobalid). Wie in zahlreichen Studien nachgewiesen wurde, sind diese pharmakologisch aktiven neuroprotektiven Inhaltsstoffe u. a. wirksam bei nachlassender Konzentrations- und Gedächtnisleistung. Da Ginkgo-Präparate wegen ihrer guten Wirksamkeit und Verträglichkeit in der Bevölkerung einen guten Ruf haben, versuchen Lebensmittelhersteller zunehmend, unter Vermeidung der hohen Hürden einer Arzneimittelzulassung an dem guten Ruf von Ginkgo-Präparaten zu partizipieren, indem sie Ginkgoblätter-Teemischungen und jüngst auch Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt bringen. Im Unterschied zu Ginkgo-Arzneimitteln liegen aber für Ginkgoblätter-haltige Teemischungen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über deren ernährungsphysiologische Wirkungen, aber auch nicht über deren Lebensmittelsicherheit vor.

Ginkgolsäuren potenziell gesundheitsschädlich

Da im Deutschen und Europäischen Arzneibuch aus Gründen der Arzneimittelsicherheit vorgeschrieben ist, dass die in Ginkgoblättern bis zu zwei Prozent vorkommenden potenziell gesundheitsschädlichen Ginkgolsäuren bei der Herstellung von arzneilich verwendeten Ginkgoextrakten auf das technisch Machbare abzureichern sind, lag es nahe, die vermehrt auf den Markt kommenden Ginkgoblätter enthaltenden Teeprodukte auf ihren Gehalt an Ginkgolsäuren zu untersuchen.

Ginkgolsäuren zählen zu den Alkyl- und Alkenylphenolcarbonsäuren. Für sie wurden außer einem hohen allergenen Potenzial in pharmakologisch-toxikologischen Untersuchungen auch zytotoxische, neurotoxische und mutagene Wirkungen nachgewiesen. Vor diesem Hintergrund wurde in dem Europäischen und Deutschen Arzneibuch der zulässige Gehalt an Ginkgolsäuren in arzneilich verwendeten Ginkgo-Trockenextrakten auf 5 ppm (parts per million) limitiert. Da von der zuständigen Bundesbehörde (BfArM) Ginkgo-Arzneimittel ab einer unteren therapeutisch wirksamen Tagesdosis von 120 mg bis zu einer oberen Tagesdosis von 240 mg Ginkgo-Trockenextrakt zugelassen werden, nimmt der Patient mit diesen Arzneimitteln maximal 0,6 bis 1,2 µg Ginkgolsäuren pro Tag auf.

In der Apotheke ist seit Jahren eine große Auswahl an qualitativ hochwertigen standardisierten Ginkgo-biloba-Präparaten erhältlich. Seit einiger Zeit drängen jedoch außerhalb des Arzneimittelbereichs Ginkgo-haltige Teemischungen und Nahrungsergänzungsmittel in den Markt. Nachdem das ZL bereits früher in solchen Nahrungsergänzungsmitteln aus dem Internethandel unzulässig hohe Gehalte an Ginkgolsäuren nachgewiesen hatte, widmet sich die vorliegende Studie der Bestimmung von Ginkgolsäuren in Ginkgoblätter enthaltenden Teeprodukten und deren wässrigen Aufgüssen.

Untersuchte Teeproben

Die Untersuchung erstreckte sich über neun verschiedene Ginkgoblätter-haltige Teeprodukte, die in Drogerien, Reformhäusern und Supermärkten gekauft wurden (Tab. 1). Von dem Produkt Meßmer Manana-Tee wurden zwei unterschiedliche Chargen untersucht, die sich laut Packungsangabe im Gehalt an Ginkgoblättern unterscheiden. Während die Charge L117772621 15% Ginkgoblätter aufweist, enthält die Charge L117781762 gemäß Deklaration 5%. Nach mündlicher Auskunft des Herstellers wurde der Ginkgoblätter-Anteil dieser Teemischung aufgrund regelmäßiger Qualitätsanpassungen reduziert. Alle untersuchten Produkte enthielten neben Ginkgoblättern eine Vielzahl an weiteren pflanzlichen Drogen.


Tab. 1: Durchschnittlicher Gehalt an Ginkgolsäuren in Teemischungen und Aufgüssen
Produktname
(Gehalt Ginkgoblätter)
Hersteller
Charge
Ginkgolsäuren in d. Teemischung
[µg/g]
Ziehzeit [min]
Ginkgolsäuren im
Aufguss [µg/ml]
Ginkgolsäuren in Tasse Tee
[µg/200 ml]
Grüner Tee
Apfel + Ginkgo*
Meßmer Tee-
Gesellschaft mbH, Seevetal
L119281881
483,00
4
0,3301
66,01
Manana-Tee
(5% Ginkgoblätter)
Meßmer Tee-
Gesellschaft mbH, Seevetal
L117781762
537,89
6
0,2603
52,06
Manana-Tee
(15% Ginkgoblätter)
Meßmer Tee-
Gesellschaft mbH, Seevetal
L117772621
467,69
6
0,2621
52,43
Quelle der Energie*
Meßmer Tee-
Gesellschaft mbH, Seevetal
L117881332
380,95
6
0,2531
50,62
Hibiskus-Ginkgo Tee (10% Ginkgoblätter)
Bad Heilbrunner Naturheilmittel GmbH & Co.,
Bad Heilbrunn
2600178
798,82
10
0,2449
48,98
Ginkgo-Konzentrationstee (15% Ginkgoblätter)
Sonnentor GmbH, Sprögnitz
(Österreich)
BR12152303
1370,73
10
0,2567
51,34
Klarer Geist Tee*
Golden Temple Natural Products GmbH, Hamburg
R T1
948,35
6
0,3298
98,95
Japanischer Tempelbaum (55% Ginkgoblätter)
Salus Haus GmbH & Co. KG, Bruckmühl
A 01482-1
7577,82
4
0,4561
91,23
Bleib Jung*
Teekanne GmbH & Co. KG, Düsseldorf
822350
107,63
5
0,2404
48,08
* Gehalt Ginkgoblätter nicht deklariert

Analytik

Extraktion der Ginkgolsäuren aus der Teemischung: Der Inhalt eines Teebeutels (ca. 2 g) wurde in einen Iodzahlkolben eingewogen, mit 10 ml Methanol 30 min magnetisch gerührt und anschließend 10 min ins Ultraschall gestellt. Die erhaltene Lösung wurde über einen Blaubandfilter in einen 25 ml Messkolben filtriert. Der Rückstand wurde erneut mit 10 ml Methanol wie zuvor beschrieben extrahiert. Nach erneutem Filtrieren wurden die vereinigten Lösungen mit Methanol bis zur Marke aufgefüllt. Bei Trübung wurde über einen 0,45 µm Nylon-Spritzenfilter filtriert. Jede Teemischung wurde zweifach extrahiert.

Extraktion der Ginkgolsäuren aus dem wässrigen Aufguss: Alle Teebeutel mit Ausnahme des "Klarer Geist Tee" wurden gemäß der Packungsvorschrift mit 200 ml Wasser aufgebrüht. Nur dieser wurde nach den Vorgaben des Herstellers mit 300 ml Wasser aufgebrüht. Die Extraktionszeit (kurz: Ziehzeit) des Aufgusses variierte je nach den Vorgaben auf der Packung zwischen 4 und 10 Minuten. Anschließend wurde der Teebeutel entfernt und 20 ml des erkalteten Aufgusses auf eine Extrelut NT 20 Säule aufgegeben. Nach 15 min wurde mit 100 ml Ethylacetat eluiert. Die erhaltene Lösung wurde am Rotationsverdampfer bis zur Trockne eingeengt und der Rückstand mit 2 ml Methanol aufgenommen. Bei Trübung wurde über einen 0,45 µm Nylon-Spritzenfilter filtriert. Jeder Aufguss wurde zweifach hergestellt.

LC-UV-Analytik: Die anschließende Analytik der Ginkgolsäuren erfolgte mittels einer im ZL entwickelten und gemäß den ICH-Richtlinien über das Standardadditionsverfahren validierten Rapid-Resolution-LC-UV-Methode. Zur Auswertung wurden die Flächen der Peaks der drei Ginkgolsäuren bei ca. 12,2 min, ca. 12,4 min und ca. 13,6 min herangezogen, wobei sich der Gehalt an Ginkgolsäuren aus der Summe der Flächen dieser drei Peaks errechnet. Die angewandte analytische Methode ist von ihren Kenn- und Validierungsdaten her geeignet, die Konzentrationen in den Teemischungen und entsprechenden Aufgüssen mit guter Präzision und Richtigkeit zu bestimmen. Die Reinheit der Peaks der einzelnen Ginkgolsäuren wurde über einen Spektrenvergleich im Bereich von 200 bis 400 nm in jedem untersuchten Teeprodukt belegt.

Ergebnisse: Gehalt an Ginkgolsäuren sehr unterschiedlich

Der durchschnittliche Gehalt an Ginkgolsäuren in den jeweiligen Teemischungen und Aufgüssen ist in Tabelle 1 aufgelistet. Wegen der schlechten Wasserlöslichkeit der unpolaren Ginkgolsäuren wurden in den Teemischungen höhere Konzentrationen an Ginkgolsäuren nachgewiesen als in den entsprechenden Aufgüssen, nämlich 107,6 bis 7577 µg Ginkgolsäuren pro Gramm Teemischung gegenüber 48,08 bis 98,95 µg Ginkgolsäuren in einer Tasse wässrigem Aufguss.

Auffallend ist der um mehr als das 70-Fache variierende Gehalt an Ginkgolsäuren in den untersuchten Teemischungen. Der Gehalt an Ginkgolsäuren im Aufguss korrelierte weder mit dem Gehalt in der Teemischung noch mit der Ziehzeit. So hat der "Ginkgo-Konzentrationstee" einen sehr hohen Gehalt an Ginkgolsäuren in der Teemischung, während der Aufguss nach einer Ziehzeit von 10 Minuten nur eine relativ geringe Konzentration aufweist.

Bewertung der Ergebnisse

Alle in dieser Studie untersuchten Aufgüsse enthalten unzulässig viel Ginkgolsäuren und sind gesundheitsbedenklich. Dabei variiert der Gehalt an Ginkgolsäuren in den Teemischungen sehr stark, was neben dem unterschiedlich hohen, teilweise nicht deklarierten Anteil der Ginkgoblätter in der Teemischung vor allem von dem jeweiligen Anbaugebiet und der anschließenden Drogenaufbereitung abhängen dürfte. Offensichtlich werden bei den oben genannten Teemischungen die potenziell gesundheitsschädlichen Ginkgolsäuren nicht in einem ausreichenden Maße entfernt, wie es bei standardisierten Ginkgo-Trockenextrakten für Arzneimittel der Fall ist, bzw. es werden Ginkgoblätter verwendet, die reich an Ginkgolsäuren sind.

Dies wäre unproblematisch, wenn die Ginkgolsäuren aufgrund ihrer Lipophilie nicht in den wässrigen Aufguss übergehen würden. Doch die vorliegende Untersuchung belegt das Gegenteil. Trotz der relativ schlechten Wasserlöslichkeit der Ginkgolsäuren konnten sie im Aufguss in unzulässig hohen Mengen nachgewiesen werden. Hierbei spielen die Konzentrationen der Ginkgolsäuren in der Teemischung und die Ziehzeit keine vorrangige Rolle. Daher ist anzunehmen, dass die Konzentration der Ginkgolsäuren in den Aufgüssen u. a. von dem Vorhandensein löslichkeitsvermittelnder Bestandteile in der Teemischung abhängig ist. Dies könnte zum Beispiel die höhere Konzentration der Ginkgolsäuren im Aufguss des Meßmer Teeprodukts "Grüner Tee Apfel + Ginkgo" im Vergleich zum "Ginkgo-Konzentrationstee" erklären, obwohl der erstere einen geringeren Ginkgolsäuregehalt in der Teemischung aufweist.

Die für Arzneimittel zulässige höchste Tagesdosis an Ginkgolsäuren von 1,2 µg (entsprechend dem Grenzwert der Arzneibücher von 5 ppm) wurde im wässrigen Aufguss aller untersuchten Teeprodukte erheblich überschritten, nämlich beim Genuss von nur einer Tasse Aufguss um das 40-Fache bis mehr als das 80-Fache. Eine gesundheitliche Unbedenklichkeit, wie sie für Lebensmittel zu fordern ist, ist bei der Einnahme von solch hohen Mengen an Ginkgolsäuren nicht gegeben, dies erst recht nicht, wenn täglich mehrere Tassen Aufguss getrunken werden. Der Konsum von mit Ginkgolsäuren kontaminierten Aufgüssen ist daher auch aus der Warte der Lebensmittelsicherheit kritisch zu bewerten, zumal ein ernährungsphysiologischer Nutzen solcher Ginkgoblätter-haltiger Teeprodukte nicht belegt ist.

Fazit

Der Zusatz von Ginkgoblättern in Teemischungen und anderen Lebensmitteln war bis zu den jüngsten Neuregelungen des europäischen Arzneimittel- und Lebensmittelrechts in Deutschland nicht üblich. Seit jüngerer Zeit kommen jedoch immer mehr Ginkgoblätter enthaltende Teemischungen auf den Markt, wobei die Hersteller an die Bekanntheit, Popularität und Medienpräsenz von Ginkgo-Arzneimitteln anknüpfen. Offensichtlich sind die Hersteller, aber auch die Behörden bislang davon ausgegangen, dass die Ginkgolsäuren wegen ihrer schlechten Wasserlöslichkeit nicht in den wässrigen Aufguss übergehen. Die vorliegende Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass bei allen untersuchten Teeprodukten erhebliche Mengen an Ginkgolsäuren in den Aufguss übergehen. Dies erscheint unter dem Aspekt der Lebensmittelsicherheit nicht vertretbar, zumal wenn hier ebenso strenge Risikokriterien angelegt werden wie bei der Arzneimittelsicherheit.


Literatur

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Hager ROM 2006. Ginkgo-biloba-Blätter. Springer Medizin Verlag, Heidelberg.

Hänsel R, Sticher O. Pharmakognosie – Phytopharmazie, 7. Aufl., Springer-Verlag, Heidelberg 2004, S. 165 ff., S. 801 ff.

Hecker H, Johannisson R, Koch E, Siegers CP. In vitro evaluation of the cytotoxic potential of alkylphenols from Ginkgo biloba L. Toxicology 2002; 177(2-3):167 – 177.

Jaggy H, Koch E. Chemistry and biology of alkylphenols from Ginkgo biloba L. Pharmazie 1997;52(10):735–738.

Meins J, Ihrig M, Schubert-Zsilavecz M. Ginkgo-Produkte aus dem Internethandel? Dtsch Apoth Ztg, 2005; 145(44):60 – 61.



Für die Verfasser:

Abteilung Forschung und Entwicklung

Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker gGmbH

Carl-Mannich-Str. 20, 65760 Eschborn

M.Krzywon@zentrallabor.com
Abb. 1: In Ginkgoblättern vorhandene Ginkgolsäuren

Sie unter­schei­­den sich durch die Seitenkettenlänge und das Vor­handensein einer Dop­pelbindung; oben: Ginkgolsäure C13:0; ­ Mitte: Ginkgol­säure C15:1 (syn. Ginkgolsäure I); unten: Ginkgol­säure C17:1 (syn. Ginkgolsäure II).

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