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Der Apotheker ist der Präventionsberater

(diz). Mit der Ankündigung des Projekts "Apotheke macht Schule" hat das Wissenschaftliche Institut für Prävention im Gesundheitswesen (WIPIG) bereits für Aufmerksamkeit und viel Zustimmung gesorgt. Sinn dieser Aktion und Aufgabe des WIPIG ist es, den Apotheker als Präventionsberater noch stärker ins Gesundheitswesen einzubinden. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer des WIPIG, Dr. Helmut Schlager, der Sprecherin des WIPIG, Margit Schlenk, und dem Präsidenten der Bayerischen Landesapothekerkammer, Dr. Ulrich Krötsch. Die Bayerische Landesapothekerkammer unterstützt das WIPIG finanziell.

DAZ Herr Dr. Krötsch, wie kommt das Projekt "Apotheke macht Schule" bei den Apothekerinnen und Apothekern und in den Schulen an?

Krötsch: Das Projekt kommt sehr gut an, wir haben einen Zuspruch, wie wir ihn nicht erwartet hätten. Bei über 5000 Schulen und rund 3400 Apotheken in Bayern haben wir bereits jetzt schon über 650 Anfragen. Und täglich werden es mehr. Von Lehrern an meinem Ort habe ich gehört, wie begeistert sie sind, dass Apotheker eine solche Aktion angefangen haben.

DAZ Was ist bei diesem Projekt "Apotheke macht Schule" weiter geplant. Soll dieses Projekt ausgebaut werden und wenn ja wie?

Krötsch: Wir sind mit diesem Projekt genau im richtigen Moment gekommen, nämlich zu einer Zeit, in der der bayerische Kultusminister den "Tag der Gesundheit" zum 22. November einführt. An diesem Tag sollen Lehrer schwerpunktmäßig Themen wie Ernährung und Bewegung in der Klasse behandeln. Wir erfuhren davon bereits im Frühjahr und haben gleich beschlossen, hier einzusteigen.

Schlenk: Die Vortragsaktion stellt eine gute Möglichkeit dar, diesen Tag sinnvoll umzusetzen. Wenn man hört, dass manche Lehrer planen, mit ihren Kindern in Cafés oder Event-Spaßbäder zu gehen, zeigt das doch, dass das Angebot der Apotheker hier in eine Lücke stoßen kann, diesen Tag wertvoller zu gestalten. Vor diesem Hintergrund wird das Angebot der Apotheker äußerst gerne angenommen. Schon jetzt kommt sehr viel Lob für das Engagement der Apotheker.

DAZ Es ist gut vorstellbar, dass auch andere Bundesländer großes Interesse an diesem Angebot haben. Ist geplant, die Aktion "Apotheke macht Schule" in anderen Bundesländern zu verbreiten?

Krötsch: Die ursprüngliche Idee für diese Aktion stammt aus Baden-Württemberg und lief unter der Federführung von Frau Graf, Vizepräsidentin der dortigen Landesapothekerkammer. Wir sind sehr dankbar, dass uns unsere Nachbarn hier mit einbezogen haben. Wir haben das Projekt allerdings ein wenig anders organisiert. In Baden-Württemberg arbeitet man mit für diese Themen eigens ausgebildeten Apothekern als Referenten. In Bayern können alle Apotheker vor Ort als Referenten tätig werden. Wir gehen davon aus, dass sie als Referenten wieder eingeladen werden, wenn sie ihre Sache gut gemacht haben.

DAZ Haben andere Bundesländer bereits Interesse an diesem Projekt signalisiert?

Schlager: Derzeit haben nach Informationen aus Baden-Württemberg bereits Berlin, Westfalen-Lippe, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern Interesse für diese Aktionen angemeldet. Es wäre sicher sinnvoll und wünschenswert, wenn dieses Konzept von allen Apothekerkammern Deutschlands angeboten würde. Verständlich, wenn nicht jede Kammer das Konzept, so wie wir es in Bayern derzeit durchführen, aus dem Haushalt bewerkstelligen kann. Es ist, das muss man deutlich sagen, schon ein Riesenaufwand. Aber man kann vielleicht auch eine andere Variante finden, beispielsweise so wie es Baden-Württemberg macht mit dafür ausgebildeten Apothekern als Referenten. Eine deutschlandweite Ausdehnung wäre allerdings auf jeden Fall sinnvoll und wichtig.

DAZ Herr Dr. Schlager, wie viele von den rund 650 eingegangenen Anfragen werden denn tatsächlich in Aktionen umgesetzt?

Schlager: Wir werden dies voraussichtlich gegen Jahresende mitteilen können. Die Apotheker sind erst nach ihrem Auftritt in der Schule dazu verpflichtet, einen kurzen Bericht über ihre Erfahrungen mitzuteilen. Den Rücklauf erwarten wir daher noch. Wir werden die Berichte auswerten und das Konzept dann nach Bedarf verbessern.

DAZ Herr Dr. Krötsch, "tue Gutes und rede darüber" – wie vermitteln Sie dieses Konzept und die Aktivitäten der Apothekerinnen und Apotheker den Politikern?

Krötsch: Der bayerische Kultusminister ist voll auf dieses Konzept eingegangen. Es weiß davon auch der bayerische Gesundheitsminister. Wir werden selbstverständlich in Zukunft noch weiter in der Politik publik machen, dass sich die bayerischen Apothekerinnen und Apotheker in die Prävention einbringen und mitmachen werden. Ich habe hier natürlich auch politische Hintergedanken in Richtung Honorierung. Aber wir beginnen jetzt einmal mit diesen Leistungen, die offensichtlich gut ankommen. Und wenn sie dann, wie ich hoffe, auch noch anerkannt werden, dann kommen wir eines Tages so weit, dass der Apotheker für seine Leistungen in der Prävention auch honoriert wird.

Schlenk: Dann wäre es auch wichtig, den Apotheker mit ins Präventionsgesetz aufzunehmen, wenn es denn eines Tages dazu kommt. Man sollte den Präventionsleitfaden des GKV-Spitzenverbandes endlich für die Apotheke öffnen und nicht auf die Partikularinteressen von z. B. Ökotrophologen und Diätassistenten hören. Die Vorwürfe von dieser Seite, die Apotheke wollte nur Produkte verkaufen, kann man so nicht stehen lassen. Der Apotheker hat Kenntnisse in Pharmakologie, in Physiologie, in Biochemie und kann dadurch viele Gebiete in der Präventionsberatung berücksichtigen. Das kann so kein anderer Präventionsdienstleister bewerkstelligen. Hier ist es also wichtig, den Leitfaden für die Apotheke zu öffnen. Die Apotheker sollten auch auf den Gebieten der Raucherentwöhnung und bei weiteren Präventionsleistungen berücksichtigt werden. Der Apotheker ist ein Präventionsberater, der niedrigschwellig und ohne Eintrittsgebühr der Bevölkerung zur Verfügung steht.

Krötsch: Und der Apotheker hat weitaus die meisten Verbraucherkontakte, nämlich vier Millionen pro Tag, allein in Bayern rund 550.000.

DAZ Frau Schlenk, dieses erste Projekt, das die Themen gesunde Ernährung behandelt, läuft sichtlich hervorragend an. Auf welchen Gebieten könnten sie sich weitere Projekte vorstellen, die der Apotheker vor Ort umsetzen kann?

Schlenk: Hier gibt es eine Fülle von Themen. Denn Prävention beginnt bereits mit dem Beginn menschlichen Lebens. Hier nenne ich Themen wie Folsäure- und Jodsubstitution bei Schwangeren und Stillenden. Es folgt die Impfberatung, die gesunde Ernährung, der Aufbau der Knochengesundheit, Osteoporosevorbeugung, dann Leistungen wie Raucherentwöhnungsberatung, Asthmatraining, Blutdruck- und Blutzuckerkontrolle – die Themen werden nicht ausgehen.

Krötsch: Das WIPIG hat sich übrigens auch bei der Bayerischen Stillwoche eingebracht. Und beim Thema Zahngesundheit werden wir uns ebenfalls engagieren.

Schlager: Auch zum Weltosteoporosetag werden wir im Nachgang zur Herausgabe unseres ersten WIPIG-Ratgebers Osteoporose voraussichtlich zusammen mit dem Kuratorium Knochengesundheit und dem Bayerischen Rundfunk einen Beitrag machen zum Thema Kinder und Osteoporosevorbeugung.

DAZ Was plant das WIPIG darüber hinaus?

Schlager: Eines unserer größten Projekte ist die wissenschaftliche Dissertation einer Apothekerin, die die Leistungen des Apothekers als Präventionsmanager evaluieren soll. In zwei bayerischen Regionen werden die Gesundheits- und Blutwerte der über 50-jährigen Bevölkerung erhoben. Eine Gruppe dieses Klientels wird intensiv mit Präventionsleistungen durch den Apotheker vor Ort betreut, während die andere diese intensive Betreuung nicht erhält. Nach einem Jahr wird dann ausgewertet, welchen Wert die Leistungen der Präventionsbetreuung tatsächlich gebracht haben. Wir gehen davon aus, dass sich die Apothekerleistungen positiv auswirken werden.

DAZ Zu den Kosten: Wie finanziert sich das WIPIG?

Krötsch: Momentan mit Unterstützung der Bayerischen Landesapothekerkammer, der Lesmüller-Stiftung und der Bayerischen Apotheker-Stiftung.

Schlager: Mittelfristig sollte es das Ziel sein, weitere Förderungen zu erhalten, jedoch auf Drittmittel von Pharmafirmen oder Großhandlungen verzichten zu können. Das WIPIG soll vollkommen unabhängig arbeiten. Langfristig wollen wir den Apothekern auch Aktionspakete anbieten zu bestimmten Präventionsgebieten, beispielsweise Raucherentwöhnung oder Osteoporose mit entsprechenden Patienteninfo-Broschüren, zertifizierte Fortbildungen etc. Eine der vielen Herausforderungen besteht darin, nach und nach möglichst alle großen Präventionsgebiete abzudecken.

Krötsch: Darüber hinaus arbeiten wir mit Fachgesellschaften zusammen, beispielsweise mit dem Netzwerk gegen Darmkrebs.

Schlager: Mit dieser Fachgesellschaft schließen wir gerade eine Kooperation und werden auf unserer WIPIG-Homepage dann einen Film vorstellen, mit dem sich der Apotheker und alle Interessierten über dieses Thema qualifiziert informieren können.

DAZ Wann darf sich der Apotheker Präventionsmanager nennen?

Schlager: Die ersten Apothekerinnen und Apotheker werden diese Qualifikation im Jahr 2010 erreichen. Die Apotheker werden ihre Weiterbildung mit der Bereichsbezeichnung Prävention und Gesundheitsförderung etwa in einem Jahr erreicht haben. Danach folgt das Aufbauangebot vom WIPIG, nach dessen Abschluss der Apotheker sich dann Präventionsmanager nennen kann.

Krötsch: Einige Kammern haben bereits Interesse signalisiert, hier mit dem WIPIG zusammenzuarbeiten, wozu wir gern bereit sind. Wir sind bereits in Verhandlung mit der Bundesapothekerkammer.

DAZ Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg in Sachen Prävention und WIPIG.

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