Versandhandel

Das Ausmaß der Arzneimittel-Pick-ups

Die Abholstationen für Arzneimittel in Drogeriemärkten, sog. Pick-up-Stellen, unterliegen aufgrund fehlender Regulierungsvorschriften keinerlei behördlicher Kontrolle. Darüber hinaus mangelt es an einem grundlegenden Überblick über das bisherige Ausmaß des Pick-up-Geschäfts in Drogerien. Dieser Artikel soll Aufschluss darüber geben, in welchem Ausmaß die Pick-up-Stellen tatsächlich schon verbreitet sind und welche diesbezüglichen Informationen man den Internetseiten der Drogerien und den mit Ihnen kooperierenden Versandapotheken entnehmen kann.
Abb. 1: dm-Drogeriemarkt

In der vergangenen Woche wurde erneut die Forderung bekräftigt, das Pick-up-Geschäft mit Arzneimitteln in Drogeriemärkten zu verbieten: Am Montag, den 13. Oktober, äußerte sich die Präsidentin der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, Christel Johanns, in einer Pressekonferenz zu den mit dieser Vertriebsform verbundenen Risiken in Gestalt fehlender Arzneimittelsicherheit und Patientenbegleitung sowie mangelhaftem Datenschutz. Diese Bedenken erscheinen als umso mehr gerechtfertigt, da – wie mittlerweile bekannt wurde – die sog. Abholstationen für Medikamente in Drogeriemärkten aufgrund fehlender Regulierungsvorschriften keinerlei behördlicher Kontrolle unterliegen.

Laut Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 13. März 2008 [1] zu Rezeptsammelstellen in Drogeriemärkten erfolgt in diesen keine Arzneimittellagerung bzw. -abgabe im Sinne des Arzneimittelgesetzes, so dass den gem. §64 Abs. 1 AMG für die Überwachung von Apothekenbetrieben zuständigen Unteren Aufsichtsbehörden der Bezirksregierungen die Hände gebunden sind. Durch die Zusammenarbeit deutscher Drogerieketten mit zumeist niederländischen Versandapotheken entzieht sich dieses Geschäftsmodell sogar gänzlich der Kontrolle durch deutsche Behörden, da ausländische Versandapotheken nur durch die Arzneimittelaufsicht ihres Landes überprüft werden dürfen. Anhand dieses rechtlichen Kontrollverlusts offenbart sich das Ausmaß der Verselbständigung, das mit der Freigabe des Arzneimittelversandhandels in Gang gesetzt wurde.

Abgesehen von der fehlenden gesetzlichen Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden für die Kontrolle von Abholstellen, mangelt es an einem grundlegenden Überblick über das bisherige Ausmaß des Pick-up-Geschäfts in Drogerien: Den Behörden ist nicht bekannt, welche Drogeriemärkte überhaupt einen Abholservice betreiben und in wie vielen ihrer Filialen. Das Urteil des BVerwG erweckt den Anschein, dass sich bereits "ein System von Abholstellen (sog. Pick Points) in erheblichem Umfang etabliert habe".

Beispiele von Kooperationen

"dm-Drogerie" und "Europa Apotheek Venlo". Die erste Kooperation im Bereich der Medikamenten-Abholstellen entstand zwischen der "dm-Drogerie" und der "Europa-Apotheek" aus dem niederländischen Venlo, deren Geschäftsmodell im Frühjahr 2008 durch das BVerwG für rechtmäßig erklärt wurde. Laut Information auf der Internetseite der "dm-Drogerie" wird der als sog. PharmaPunkt bezeichnete Service zum Bestellen und Abholen apotheken- und rezeptpflichtiger Arzneimittel in mittlerweile mehr als 200 Drogeriefilialen in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Berlin und Brandenburg angeboten (Abb. 1). Welche Filiale der "dm-Drogerie" über eine Abholstelle verfügt, kann mittels einer Suchmaschine entweder auf der Internetseite der "dm-Drogerie" oder der "Europa Apotheek" (Abb. 2) mittels Eingabe von Ort und Postleitzahl herausgefunden werden.

"Schlecker" und "Vitalsana". Der Drogeriekonzern "Schlecker", zu dem mittlerweile auch alle Filialen der Marken "Drospa" und "Ihr Platz" gehören, arbeitet im Rahmen eines Gutscheinsystems mit der niederländischen Versandapotheke "Vitalsana" zusammen. Neben der üblichen Bestellung im Internet können auch in den Drogeriefilialen ausgefüllte Bestellscheine und Rezepte abgegeben werden. Entsprechend besagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in jedem "Vitalsana"-Bestellmagazin, das in den genannten Drogerien erhältlich ist, dass "als weiterer Service […] auch eine Abholung in den teilnehmenden Verkaufsstellen [von] Schlecker, Ihr Platz und drospa möglich [ist]". Eine Meldung auf der Internetseite von "Vitalsana" verkündet hingegen ohne Angabe von Gründen, dass "eine Anlieferung in die Schlecker-, Ihr Platz- und drospa-Märkte […] derzeit nicht möglich" sei (Abb. 3). Aufgrund dieser Umstände ist nicht bekannt, ob das Abholsystem bei "Schlecker" praktisch noch gar nicht in Betrieb genommen worden ist oder lediglich momentan nicht funktioniert. Allerdings offenbart sich, dass der Pick-up-Service bei "Schlecker" offenbar nicht mit dem gleichen Eifer betrieben wird wie bei der Konkurrenz "dm-Drogerie".

"Rossmann" und "Deutsche Internet Apotheke". Als dritte Drogeriekette hat "Rossmann" eine Kooperation mit der – wie es der Name schon sagt – aus Deutschland stammenden "Deutschen Internet Apotheke" aufgebaut. Es besteht eine Verlinkung von der "Rossmann"-Internetseite zur Homepage der als "Partnershop" bezeichneten Internetapotheke, wobei sich der Apothekenshop eingerahmt vom Internetauftritt des "Rossmann Versands" öffnet (Abb. 4). Dabei wird jedoch Wert auf den Hinweis gelegt, dass Vertragspartner für den Kauf von Arzneimitteln nicht "Rossmann", sondern die "Deutsche Internet Apotheke" ist. Die Filialen der "Rossmann"-Drogerie fungieren weder derzeit noch in Zukunft, laut Planung des Unternehmens, als Abholstellen für Arzneimittel, die bei der Versandapotheke bestellt worden sind. Als unseres Wissens bisher erste und einzige Versandapotheke hat die "Deutsche Internet Apotheke" eine eigene, von der Postadresse ihrer Referenzapotheke abweichende Abholstation eröffnet, in der die Kunden an fünf Tagen in der Woche zwischen 9 und 18 Uhr ihre bestellten Medikamente abholen, Bestellungen auf- oder Retouren zurückgeben können (Abb. 5). An dieser Stelle soll der Einwand gestattet sein, dass die Abholstation aus unserer Sicht nicht das im Urteil des BVerwG aufgestellte Kriterium eines "Gewerbebetriebs mit langen Öffnungszeiten" erfüllt. Ebenfalls für erörterungswürdig erachten wir die Frage, ob der Abholservice der "Deutschen Internet Apotheke" – im Unterschied zu den Angeboten niederländischer Versandhändler – nach gegenwärtiger Rechtslage einer Überprüfung durch die Aufsichtsbehörden zugänglich wäre.

"Budnikowsky" und "Hamburg Arznei". Die insbesondere im Norden der Bundesrepublik vertretene Drogeriekette "Budnikowsky" arbeitet auf Basis eines Kundenkartensystems zur Gutschrift von Bonuspunkten mit der Internetapotheke "Hamburg Arznei" zusammen (Abb. 6). Jedoch werden sowohl Bestellung als auch Lieferung der Arzneimittel allein im Kontakt mit der Versandapotheke und nicht über Filialen der Drogerie abgewickelt. Somit hat auch der Drogeriemarkt "Budnikowsky" bisher kein Pick-up-System eingeführt.

Fazit

Nach unseren Recherchen betreibt nach derzeitigem Stand lediglich die Kooperation zwischen der "dm-Drogerie" und der "Europa Apotheek Venlo" den Medikamenten-Pick-up in großem Stil, wobei die an diesem System teilnehmenden Filialen sehr leicht ausfindig zu machen sind. Unklar ist hingegen, ob die übrigen von uns untersuchten Partnerschaften zwischen Internetapotheken und Drogerien ebenfalls ein derartiges Geschäftsmodell aktiv betreiben oder zumindest vorbereiten. Die zum Teil von Bonus- und Rabattaktionen geprägte Zusammenarbeit erinnert zu einem gewissen Grad an die von gesetzlichen Krankenkassen betriebene Werbung für bestimmte Internetapotheken [2]. Vergleichbar mit den für Kassenmitglieder gewährten Rabatten, werden den Drogeriekunden als Belohnung für die Bestellung bei der Internetapotheke Einkaufsgutscheine angeboten. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass für die Versandapotheken die Attraktivität der Kooperationen mit Drogeriehändlern insbesondere in der Möglichkeit zur ausgedehnten Kundenwerbung liegt.


Quellen:

[1] Urteil des BVerwG vom 13.03.2008, Az. 3 C 27.07, vgl. http://www.bverwg.de/enid/2317dc5edef2cc418e84d90563d8c344,35404e7365617263685f646973706c6179436f6e7461696e6572092d093130323931093a095f7472636964092d09353733/Entscheidungssuche/Entscheidungssuche_8o.html

[2] Vgl. J.K. Schweim, H.G. Schweim: "Krankenkassen werben für Internetapotheken", DAZ 07/35, Jahrgang 147, S. 49ff.


Dipl. Jur. Janna K. Schweim,
Prof. Dr. Harald G. Schweim,
Universität Bonn,
Drug Regulatory Affairs
Abb. 2 Euro-Apotheek Venlo
Abb. 3 Vitalsana-Apotheke von Schlecker
Abb. 4 Rossmann Drogeriemarkt
Abb. 5 Deutsche Internet-Apotheke
Abb. 6 Budnikowsky Drogeriemarkt

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