Apotheke und Wirtschaft

Ein preiswerter Apothekenkauf kann teuer werden

Gerät ein Apotheker in eine wirtschaftliche Schieflage, kann das dazu führen, dass er seine Apotheke preiswert verkaufen muss. Das scheinbare Schnäppchen kann für den Käufer wegen der Haftung für Altverbindlichkeiten oder der anschließenden Insolvenz des Verkäufers zum Alptraum werden. Nachfolgend werden die Haftungsrisiken und Vermeidungsstrategien dargestellt.
Zu verkaufen Wer eine Apotheke kauft, sollte genau hinsehen, welche Altverbindlichkeiten vorhanden sind. Sonst könnte ein Schnäppchen leicht zum Alptraum werden.
Foto: DAZ/Sket

Verschiedene Gründe können dazu führen, dass ein Apotheker in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Betrieblich können die geänderten gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sinkende Roherträge und damit erhebliche Renditeeinbrüche zur Folge haben. Häufig gepaart mit hohen privaten finanziellen Belastungen des Apothekers können diese wirtschaftlichen Schieflagen in die Insolvenz der Apotheke und des Apothekers führen. Die Krise der Apotheke ist durch eine Reihe von Signalen am Markt schnell erkennbar und bekannt. Verbindlichkeiten, insbesondere Lieferanten- und Mietverbindlichkeiten werden nicht pünktlich oder überhaupt nicht mehr bezahlt. Das Mietverhältnis wird gekündigt. Der Vermieter übt sein Vermieterpfandrecht aus. Teure Kontokorrentkredite bauen sich auf. Es entstehen private und betriebliche Steuerrückstände. Die Buchhaltung und Jahresabschlüsse werden nicht mehr zeitnah erstellt. Die Apotheke wird erdrückt von Mahnungen, Mahnbescheiden und Zwangsvollstreckungen. Der Apotheker wird "kopflos". Die guten Mitarbeiter verlassen die Apotheke. Die Beratung der Kunden wird mangelhaft. Kunden bleiben aus. Schließlich stellen die Banken die Kredite fällig. Der Großhändler holt das Warenlager ab. Die Aufsichtsbehörde entzieht die Betriebserlaubnis.

Die Haftungsrisiken

Im Verlauf einer Krise lassen den potenziellen Erwerber zwei Umstände den Kauf der Apotheke günstig erscheinen: Die Apotheke kann zu einem günstigen Kaufpreis erworben und die Kontinuität am Markt gesichert werden. Diesen zwei scheinbaren Vorteilen steht jedoch eine Reihe von Nachteilen des Kaufs der Apotheke in der Krise gegenüber.

Haftungsübernahme von Steuerverbindlichkeiten

Personalübernahme

Gläubigerbenachteiligung

Insolvenzanfechtung

Wie bei jedem Apothekenkaufvertrag geht der Erwerber Haftungsrisiken ein. Er haftet für die Altverbindlichkeiten der Apotheke grundsätzlich unbeschränkt und für Steuerverbindlichkeiten der Apotheke mit dem übernommenen Vermögen. Das Personal der Apotheke muss übernommen werden.

Wenn sich die Personalsituation durch Eigenkündigungen der Mitarbeiter noch nicht geklärt hat, trifft die Verpflichtung zur Übernahme des Personals nach § 613a BGB den Käufer immer – unabhängig von der wirtschaftlichen Situation des Verkäufers. Beim Kauf in der Krise bedarf es jedoch einer genauen Prüfung, ob bis zum Übertragungsstichtag alle Gehalts- und Sozialversicherungszahlungen durch den Verkäufer geleistet sind. Zudem haftet der Käufer wegen der Fortführung der Firma nach § 25 HGB für Altverbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern, was er allerdings durch Eintragung ins Handelsregister ausschließen kann.

Steuerverbindlichkeiten – Fass ohne Boden

Ein Haftungsausschluss ist allerdings nicht für die Übernahme der Steuerverbindlichkeiten nach § 75 AO möglich und kann ein Fass ohne Boden werden. Denn häufig sind zeitnah keine relevanten Steuerunterlagen über das Unternehmen zu erhalten. Es muss also damit gerechnet werden, dass noch nachträglich Steuerverbindlichkeiten bekannt werden, zum Beispiel nicht abgeführte Umsatzsteuer, die der Veräußerer aufgrund seiner finanziellen Situation nicht mehr zahlen konnte. Dafür haftet der Erwerber nach § 75 AO. Ein Rückgriffsanspruch geht ins Leere, da der Veräußerer in der Regel keine Vermögenswerte mehr besitzt. Da der Erwerber für Steuerverbindlichkeiten "nur" mit dem übernommenen Vermögen haftet, wird mit dem Finanzamt die Diskussion zu führen sein, ob die Apotheke noch einen Wert hatte oder nicht. Messlatte dafür ist der Kaufpreis, den der Käufer noch für die wesentlichen Betriebsgrundlagen, also Anlagevermögen, Warenlager und Kundenstamm gezahlt hat. Unerheblich für die Haftung gegenüber dem Finanzamt sind eine vorübergehende Betriebsstilllegung und die Fortführung der Apotheke unter neuem Namen.

Keine Benachteiligung von Gläubigern

Schließlich darf durch den Erwerb der Apotheke keine Gläubigerbenachteiligung verursacht werden. Kommt es nach Veräußerung der Apotheke zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Veräußerers, können Rechtshandlungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, also auch die Veräußerung der Apotheke, durch den Insolvenzverwalter unter bestimmten Voraussetzungen nach den §§ 129 – 146 InsO angefochten werden. Das kann dazu führen, dass die Apotheke an den Insolvenzverwalter zurückgegeben werden muss, während die Rückforderung des Kaufpreises nur noch als Insolvenzforderung angemeldet werden kann und damit häufig ohne Wert ist. Hier ist also Vorsicht geboten.

Wenn Insolvenz angemeldet wird…

Bleibt trotz Veräußerung der Apotheke die Schuldenlast des Apothekers zu groß, ist nicht auszuschließen, dass dennoch Insolvenz angemeldet wird. Dem Veräußerer steht dabei auch nach dem Verkauf der Apotheke der Weg in die persönliche Restschuldbefreiung offen. Dies hat zur Folge, dass der Insolvenzverwalter prüfen wird, ob der krisengeschüttelte Veräußerer bis zu einem Zeitraum von zehn Jahren vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Handlungen vorgenommen hat, welche die Masse und damit die Gläubiger beeinträchtigen. Alle Rechtshandlungen, die die Masse schmälern, also z. B. Schenkungen von Vermögenswerten an nahe Angehörige oder Dritte, die Bestellung von Sicherheiten ohne Gegenwert oder die Veräußerung der Apotheke unter Wert, können vom Insolvenzverwalter angefochten werden. Denkbar ist dann, dass der Insolvenzverwalter den Erwerb der Apotheke nach der Insolvenzordnung anficht, mit dem Ziel einen zusätzlichen Kaufpreis für die Masse zu generieren. Das hat unter Umständen vielfältige und langwierige Diskussionen mit dem Insolvenzverwalter zur Folge.

Alternative: Erwerb vom Insolvenzverwalter

Wenn abzusehen ist, dass die Krise der Apotheke in der Insolvenz münden wird, ist der Erwerb der Apotheke vom Insolvenzverwalter eine Alternative. Hierbei steht dann – wie bei jedem Kauf einer Apotheke – die Bewertung des Kundenpotenzials im Vordergrund. Es muss von Einzelfall zu Einzelfall untersucht werden, welches Kundenpotenzial tatsächlich vorhanden ist und welche Auswirkungen das Insolvenzverfahren auf das Kundenpotenzial hat. In kleinen Gemeinden mit enger persönlicher Bindung und ausgeprägter Mund-zu-Mund-Propaganda können die Auswirkungen des Insolvenzverfahrens weitaus gravierender sein als in einwohnerstarken Städten und Gemeinden. Dort, wo negative Auswirkungen auf den Kundenstamm zu befürchten sind, haben sich diese allerdings häufig auch schon in der Krise, also vor Eröffnung des Verfahrens, manifestiert. In einem solchen Fall – wenn man denn die Apotheke erwerben will – kann mit dem Kauf auch bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewartet werden (wenn nicht andere Gründe für einen sofortigen Erwerb sprechen). Denn kommt man zum Ergebnis, dass die Auswirkungen der Insolvenz am Markt nicht so dramatisch oder aber bereits eingetreten sind, bietet der Erwerb vom Insolvenzverwalter klare Vorteile.

Zwar ist hier die Zustimmung der Gläubiger Voraussetzung für die Veräußerung (auch beim Erwerb in der Krise vor Eröffnung sollte allerdings der Erwerb nicht ohne Mitwirkung der Gläubiger erfolgen). In der Regel wird diese jedoch im Hinblick auf einen Massezuwachs nicht verweigert. Unbestreitbarer Vorteil ist, dass beim Erwerb im Insolvenzverfahren die Haftungsnormen des § 25 HGB, also die Haftung für Altverbindlichkeiten des Veräußerers, und die Haftungsnorm des § 75 AO, also die Haftung für Steuerverbindlichkeiten des Veräußerers, ausgeschlossen sind. Es bleibt allein bei der Verpflichtung, die Arbeitnehmer gemäß § 613a BGB zu übernehmen. Schließlich kann man sich elegant des Damoklesschwertes der Insolvenzanfechtung durch den Insolvenzverwalter entledigen: Denn der Erwerb vom Insolvenzverwalter wird durch diesen naturgemäß nicht mehr angefochten. Zwar wird man beim Erwerb in der Insolvenz einen Kaufpreis für den Kundenstamm zahlen müssen. Dieser ist aber im Vergleich zum Verkauf einer gesunden Apotheke aufgrund der Insolvenzumstände deutlich geringer. Der an den Insolvenzverwalter zu zahlende Kaufpreis wird in der Regel eher niedrig und kaum höher, als in der Krise kurz vor der Insolvenz sein. Denn der Käufer kann gegenüber dem Insolvenzverwalter mit den noch erforderlichen Gesamtinvestitionen zur Beseitigung der Krisenursachen argumentieren und der Insolvenzverwalter ist in der Regel mit dem Ziel einer raschen Verfahrensbeendigung verhandlungsbereit. Etwas anderes gilt nur dann, wenn mehrere Erwerbsinteressenten vorhanden sind, die den Kaufpreis nach oben treiben können. Hier ist die Kaufpreisbildung auch beim Erwerb vom Insolvenzverwalter dem freien Spiel der Kräfte unterlegen. Das ist aber in der Regel auch schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Fall.

Der Kauf einer Apotheke vom Insolvenzverwalter kann also eine vernünftige Alternative zum Erwerb in der Krise sein. Da in der Regel der Verkäufer entscheidet, ob er Insolvenz anmeldet oder nicht, empfiehlt es sich für den Käufer, rechtzeitig alle erforderlichen Schritte mit dem Verkäufer abzustimmen und ihm den Weg aus der Krise über das Insolvenzverfahren aufzuzeigen.


Dr. Markus Rohner, Rechtsanwalt, Witte Rohner Zur Mühlen GbR, Partner der RST Steuerberatungsgesellschaft mbH, Essen

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