Schwerpunkt Osteoporose

Der Osteoporose-Risikotest

Von Sabine Gohlke
Mit steigendem Alter nimmt das Risiko zu, an Osteoporose zu erkranken. Jeden Tag stehen wir in der Apotheke Männern und Frauen gegenüber, die schon aufgrund ihres Alters Osteoporose-gefährdet sein können. Wie hoch ihr Risiko ist, darüber kann der Osteoporose-Risikotest des Kuratoriums Knochengesundheit e.V. Auskunft geben. Es handelt sich dabei um einen Fragebogen, der einfach in der Apotheke ausgefüllt werden kann. Damit stellt er eine hervorragende Einstiegshilfe dar, um mit dem Patienten ins Gespräch zu kommen und ihn über wichtige Präventionsmaßnahmen aufzuklären.

In Zeiten eines finanziell eingeschränkten Gesundheitswesens finden Erkrankungen mit gut dokumentierter sozioökonomischer Bedeutung Beachtung in der öffentlichen Diskussion. Dazu zählt auch die Osteoporose. In der Bone-Eva-Studie wurden – basierend auf Zahlen aus den Jahren 2000 bis 2003 – folgende Zahlen ermittelt: In Deutschland leiden 25,8% der Bevölkerung über 50 Jahre an Osteoporose, Betroffen sind 6,5 Millionen Frauen und 1,3 Millionen Männer. Das sind doppelt so viele Betroffene als bislang angenommen. Mit zunehmendem Lebensalter steigt der Anteil der Betroffenen in der Gesamtbevölkerung: Jenseits des 75. Lebensjahres liegt er augenblicklich bei 59%. In den nächsten zehn Jahren ist mit einem Zuwachs von Osteoporosepatienten um rund 13% zu rechnen, d. h. knapp 40% der Bevölkerung über 50 wird betroffen sein [1].

Therapiesituation heute

Die Bone-Eva-Studie ergab, dass nur 21,7% der Patienten, also etwa jeder Fünfte, eine gezielte Medikation gegen Osteoporose erhielt. Mit einer Basismedikation aus Vitamin D und/oder Calcium wurden nur 16,7% der Osteoporose-Patienten versorgt. Aber immerhin 90% der Betroffenen erhielten Analgetika (rezeptpflichtige Schmerzmittel) und damit dreimal so viele wie Patienten gleichen Alters und gleichen Geschlechts ohne Osteoporose. Mit steigendem Alter nimmt der Anteil der Osteoporose-Patienten mit einer spezifisch medikamentösen Therapie ab, trotz parallel steigendem Frakturrisiko.

Testen Sie ihr Knochenbruch-Risiko!

Beantworten Sie folgende Fragen und ermitteln Sie anhand des angegebenen Risiko-Wertes Ihr persönliches
Knochenbruch-Risiko:

Sie sind …
Risiko-Wert
Ihre persönlichen Risiko-Punkte
eine Frau
1
ein Mann
0

Sie sind …
jünger als 60 Jahre
0
zwischen 60 und 69 Jahre
1
zwischen 70 und 79 Jahre
2
80 Jahre oder älter
3

Eine der folgenden Aussagen trifft auf Sie zu:
Sie sind untergewichtig (BMI < 20)
1
Sie rauchen
Sie sind im letzten Jahr zweimal oder öfter ohne ersichtlichen Grund gestürzt
Sie sind in Ihrer körperlichen Aktivität erheblich eingeschränkt (Ihnen ist z. B. die Verrichtung alltäglicher Arbeiten nicht mehr möglich)
Sie haben sich bei einem Bagatell-Unfall bereits Unterarm-, Oberschenkelhals- oder andere Brüche zugezogen
1 – 2
Ihr Vater oder Ihre Mutter hatte einen Oberschenkelhalsbruch (Hüftfraktur)
1
Sie haben – ohne größere Krafteinwirkung – bereits einen Wirbelkörperbruch erlitten
3
Sie haben oder sollen länger als 3 Monate Cortison in Tablettenform bekommen
3
Summe Ihrer persönlichen Risiko-Punkte:
=

Wenn die Summe Ihrer Risiko-Punkte bei 3 oder höher liegt … sind Sie mehr als andere gefährdet, in den nächsten 10 Jahren einen Knochenbruch zu erleiden. Suchen Sie bitte einen Arzt auf, der mit der Diagnose und Therapie von Osteoporose vertraut ist. Sprechen Sie ihn auf das Ergebnis des Risikotests an. Er wird ggf. eine Osteoporose-Abklärung veranlassen.
Ist die Summe Ihrer Risiko-Punkte bei 2 oder niedriger … liegt bei Ihnen kein erhöhtes Knochenbruch-Risiko vor. Sie sollten aber dennoch mit Ihrem Arzt über Osteoporose sprechen, wenn eine der folgenden Aussagen auf Sie zutrifft.
Sie sollten mit Ihrem Arzt auch über Osteoporose sprechen, wenn Sie …
ggf. ankreuzen
… im Vergleich zu früher um mehrere Zentimeter kleiner geworden sind
… älter als 50 Jahre sind und unter dauerhaften Rückenschmerzen leiden, die bisher nicht abgeklärt wurden
… älter als 50 Jahre sind und akute, über Tage anhaltende, unveränderte Schmerzen in der Brust- oder Lendenwirbelsäule haben
Sie könnten auch aufgrund einer anderen Erkrankung gefährdet sein, an einer sogenannten "sekundären Osteoporose" zu erkranken. Bitte sprechen Sie Ihren Arzt daher auch auf Osteoporose an, wenn Sie …
… an einer chronischen Darmerkrankung leiden (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)
… an einer chronischen Polyarthritis leiden (entzündliches Rheuma)
… seit Ihrer Jugend an einem Diabetes leiden (Diabetes Typ 1)
… als Mann an Geschlechtshormonmangel leiden
… eine Überfunktion der Nebenschilddrüse haben
… chronische Nierenstörungen haben
… Antiepileptika zu sich nehmen
… Aromatasehemmer einnehmen (nach Brustkrebs)
!WICHTIGER HINWEIS: Dieser Risikotest kann keine persönliche Beratung ersetzen. Sprechen Sie daher unbedingt Ihren Arzt auf das Ergebnis des Risikotests an.

Kosten in Milliardenhöhe

Die dem Gesundheitswesen entstehenden Kosten durch die Osteoporose sind erheblich. Mit 5,4 Milliarden Euro jährlich haben sie eine Höhe wie die Behandlungskosten für Diabetes mellitus erreicht. 56% davon entfallen auf die stationäre Behandlung der Osteoporose-assoziierten Frakturen. Damit sind Frakturen und ihre Folgen Kostentreiber Nr. 1 in der Osteoporosetherapie. Obwohl nur 4,3% Prozent der Osteoporose-Patienten Frakturen erlitten, entfielen auf diese 61,3% der Osteoporose-Gesamtkosten. 17% der Osteoporosekosten entfallen auf die Pflege der Patienten, 15% auf Medikamente. Hiervon haben Analgetika mit 63% den größten Anteil, wobei mit ihnen meist nur Symptome überdeckt werden, ohne die Ursachen zu kurieren [1].

Sparen mit Medikamenten

Frakturen sind teuer und durch eine rechtzeitige und richtige Behandlung von Hochrisiko-Patienten vermeidbar. Der Ausweg aus der Kostenfalle lautet daher: Sparen mit, nicht an Medikamenten! Eine weitere Voraussetzung für die Eindämmung kostentreibender Spätfolgen der Osteoporose ist die frühzeitige Identifizierung von Hochrisiko-Patienten.

Risikopatientenidentifizieren

Die Merkmale eines erhöhten klinischen Risikos werden durch den Osteoporose-Risikotest des Kuratoriums Knochengesundheit e.V. erfasst. Auf der Basis der Leitlinien des DVO, des Dachverbandes deutschsprachiger, wissenschaftlicher Gesellschaften für Osteologie, ist ein überschaubarer Fragebogen entstanden. Im Kundengespräch gibt er Aufschluss darüber, ob der Patient in den nächsten zehn Jahren ein höheres Risiko als andere für einen osteoporosebedingten Knochenbruch haben wird. Im Einzelnen werden folgende Risikofaktoren mittels einfacher Punktebewertung ermittelt:

  • Geschlecht: Entsprechend den DVO-Leitlinien haben Männer bei vergleichbarem Lebensalter und T-Wert der Knochendichte ein etwa 50% niedrigeres Knochenbruchrisiko als Frauen (Evidenzgrad A) [2]. Insofern hat die Frage nach dem Geschlecht einen wissenschaftlichen Hintergrund.
  • Lebensalter: Für beide Geschlechter erhöht sich mit dem Lebensalter das Risiko für osteoporosebedingte Frakturen. Mit jeder Dekade des Lebensalters verdoppelt es sich. Alter ist als Frakturrisiko unabhängig von der Knochendichte und unabhängig von weiteren klinischen Risikofaktoren (z. B. Immobilisation, multiple Stürze) (Evidenzgrad A).
  • Körpergewicht: Bei Untergewicht (Body Mass Index von < 20) ist das relative Risiko für eine Schenkelhalsfraktur bei Frauen und Männern etwa zweifach erhöht (Evidenzgrad A). Ein erhöhtes Risiko ist auch für andere Frakturen wahrscheinlich (Evidenzgrad C). Für Patienten ist der Begriff des Body-Mass-Index (BMI) nicht selbstverständlich so geläufig wie für Fachpersonal. Im Zweifelsfall sollte der BMI des Patienten im Gespräch gemeinsam ermittelt werden.
  • Nicotinkonsum: Nicotinkonsum ist bei Frauen und Männern ein unabhängiger mäßiger Risikofaktor für Wirbelkörperfrakturen und periphere Frakturen (Evidenzgrad A). Die Korrelation zwischen Risikograd und Zigarettenzahl ist derzeit noch zu ungenau. Generell gilt, dass Raucher ein höheres Frakturrisiko haben als Nichtraucher. Auch wenn das Thema Rauchen in fast jeder Gesundheitskampagne auftaucht, sollte die Chance nicht versäumt werden, den Patienten über das Nervengift Nicotin aufzuklären.
  • Sturzhäufigkeit: Multiple Stürze in der Vorgeschichte erhöhen das Risiko für periphere Frakturen bei postmenopausalen Frauen und älteren Männern (Evidenzgrad A). Stürze ohne externe Einwirkung, die mehr als einmal in den letzten zwölf Monaten aufgetreten sind.
  • Knochenbruch nach Bagatelltrauma: Periphere Frakturen nach einem Bagatelltrauma wie Sturz aus dem Stand oder geringer Höhe (nicht gemeint sind z. B. Autounfälle) sind bei Frauen und Männern ein mäßiggradiger, unabhängiger Risikofaktor für osteoporotische Frakturen (Evidenzgrad A). Welchen Anteil eine zu große Krafteinwirkung oder zu geringe Knochenfestigkeit an der peripheren Fraktur hatte, lässt sich im Nachtrag an einen solchen Unfall kaum abschätzen, deshalb wird das Risiko "nur" mäßiggradig bewertet. Eine deutlichere Einstufung erfährt dagegen eine Sinterungsfraktur der Wirbelkörper.
  • Immobilisation: Mangelnde körperliche Aktivität ist ein Risikofaktor für Schenkelhalsfrakturen (Evidenzgrad A für Frauen, B für Männer) und Wirbelkörperfrakturen (Evidenzgrad B für Frauen, D für Männer). Die Patienten können die eigene Wohnung nicht mehr verlassen, die Hausarbeit kann nicht selbst erledigt werden. Bewohner von Pflegeheimen gelten häufig ebenfalls als immobil. Diesen Personen fehlt die Muskelkraft für ausreichend Bewegung und damit die Möglichkeit, durch verstärkte Belastung den Knochenstoffwechsel anzuregen. Außerdem haben sie aufgrund ihrer Immobilität kaum Möglichkeiten, auf natürlichem Weg durch Bestrahlung der Haut mit Sonnenlicht Vitamin D in der Haut selbst zu bilden.
  • Genetische Veranlagung: Die Anamnese einer Schenkelhalsfraktur bei Vater oder Mutter gilt als prognostisch verlässlichste Angabe des genetischen Risikos für osteoporotische Frakturen (Evidenzgrad B).
  • Wirbelkörperbrüche: Atraumatische und niedrigtraumatische Wirbelkörperfrakturen sind neben dem Lebensalter der stärkste unabhängige Risikofaktor für zukünftige Knochenbrüche (Evidenzgrad A). Ausdruck der hohen Bedeutung erlittener Wirbelkörperbrüche für ein erhöhtes Folgerisiko weiterer Brüche ist die hohe Punktbewertung im Risikotest.
  • Cortisoneinnahme: Die systemische Anwendung von Glucocorticoiden (>7,5 mg Prednisolonäquivalente über einen Zeitraum über drei Monate) führt gesichert zu einer sekundären Osteoporose.

Liegt die Summe der Bewertungspunkte der Risikofaktoren bei 3 oder höher, ist der betroffene Patient stärker als andere gefährdet, in den nächsten zehn Jahren einen Osteoporose-bedingten Knochenbruch zu erfahren. Er sollte an einen in der Osteoporose-Behandlung erfahrenen Arzt verwiesen werden, um das Testergebnis mit ihm zu besprechen und die Abklärung der Osteoporose zu veranlassen.

Liegt das Ergebnis der Punktauswertung bei 2 oder niedriger, liegt kein erhöhtes Knochenbruchrisiko vor. Treffen für diesen Personenkreis aber eine der folgenden Aussagen zu, besteht ein Osteoporose-Risiko.

  • Die Körpergröße hat in den vergangenen zwölf Monaten um mehr als 4 cm abgenommen.
  • Der Betroffene ist älter als 50 Jahre und leidet seit längerer Zeit unter diagnostisch nicht abgeklärten Rückenschmerzen.
  • Der Betroffene ist älter als 50 Jahre und leidet seit längerer Zeit unter diagnostisch nicht abgeklärten Schmerzen der Brust- oder Lendenwirbelsäule.
  • Der Betroffene leidet an einer Grunderkrankung wie chronischer Darmerkrankung, chronische Polyarthritis, von Jugend an unter Diabetes mellitus Typ 1, Überfunktion der Nebenschilddrüse, chronische Nierenstörung.
  • Der männliche Patient leidet an Geschlechtshormonmangel.
  • Der Patient nimmt Arzneimittel aus der Gruppe der Antiepileptika oder Aromatasehemmer ein.

In diesen Fällen sollte ebenfalls bei nächster Gelegenheit das Gespräch mit dem Arzt zum Thema Osteoporose gesucht werden. Zum Teil liegen hier Grunderkrankungen vor, die zur Ausbildung einer sekundären Osteoporose führen können.

In jedem Fall sollte die Chance genutzt werden, dem Betroffenen Tipps zur Ernährung und zur Sturzvermeidung zu geben.


Literatur bei der Verfasserin.


Anschrift der Verfasserin:
Apothekerin Dr. Sabine Gohlke
Kranich-Apotheke Hönow
Mahlsdorfer Str. 61
15366 Hoppegarten

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