DPhG-Jahrestagung

Astronauten müssen viel aushalten

Einen spannenden Einblick in die speziellen Herausforderungen der Raumfahrtmedizin und -pharmazie gab der Leiter des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Leiter des Instituts für Flugmedizin der RWTH Aachen, Prof. Dr. Rupert Gerzer.

Die besonderen Belastungen von Astronauten lassen sich unter den Stichworten "Beschleunigung, Schwerelosigkeit, Strahlung, Staubexposition bei Mondspaziergängen und Isolation" subsumieren. Achteinhalb Minuten nach dem Start befinden sich die Raumflieger bereits in der Schwerelosigkeit.

Rund zwei Tage sind nötig, um die in 350 bis 450 km Höhe befindliche Raumstation zu erreichen, in der die Astronauten mehr oder weniger regungslos in ihren Sitzen verharren müssen. Über 80% haben in dieser Zeit oder noch länger mit Übelkeit zu kämpfen, jeder Dritte muss sich übergeben. Um diesem Stress entgegenzuwirken, erhalten die Astronauten vor dem Start nicht nur ein Abführmittel, sondern vielfach zusätzlich Promethazin. Gerzer vermutet, dass es unter den besonderen Bedingungen im Weltraum durchaus zu einer abweichenden Kinetik und einem "gestörten" Metabolismus der ansonsten gut untersuchten Arzneistoffe kommen kann, jedoch sind entsprechende klinische Untersuchungen nicht durchführbar.

Vor Ort in der Raumstation stehen Probleme im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme und dem Wasserhaushalt im Zentrum des Interesses der Raumfahrtmedizin. Dadurch, dass die Flüssigkeitssäule im Körper in der Schwerelosigkeit hochsteigt, schwellen die Geschmackskörper an, was einen Teilverlust des Geschmackssinns auslöst. Die Folge ist, dass die Astronauten nicht nur insgesamt weniger essen, sondern die Nahrung häufig stark nachsalzen. Hierdurch wird jedoch nicht etwa ein stärkeres Durstgefühl und eine erhöhte Flüssigkeitsaufnahme ausgelöst, was wünschenswert wäre. Vielmehr wird das vermehrt aufgenommene Natrium im Körper eingelagert. Die näheren Mechanismen dieses Phänomens sind noch nicht geklärt.

Ein weiterer wichtiger Fokus der Raumfahrtmedizin liegt auf der erhöhten Strahlenbelastung der Astronauten, vornehmlich durch hochenergetische Protonen und Ionen. Gerzer berichtete von ausgeprägten Sternschnuppenschauern im Südatlantik östlich von Südamerika, die von den Astronauten selbst mit geschlossenen Augen als bläuliche Lichtblitze wahrgenommen und als spektakuläres Erlebnis empfunden wurden.

Ein besonderes Risiko verursacht der Staub, dem die Astronauten bei Mondspaziergängen ausgesetzt sind. Wegen der elektrischen Ladung haftet dieser hartnäckig am Raumanzug und wird, wenn die Raumfahrer den Anzug wieder ausziehen, überall im Shuttle verteilt. Bei der Mission Apollo 17 löste der Mondstaub den ersten extraterrestrischen Heuschnupfen aus. Hunderte von Wissenschaftlern beschäftigen sich bei der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA nur mit der Untersuchung der mitgebrachten Stäube und den Folgen der Staubexposition.

Zur Behandlung von Beschwerden wird auf einem Raumflug eine Multi-Komponenten-Medikamenten-Box mitgeführt. Die Astronauten greifen häufig zu Schmerzmitteln wegen der durch die Schwerelosigkeit ausgelösten Kopf- und Rückenschmerzen. Um den Knochen- und Muskelabbau zu verhindern, sollten die Astronauten jeden Tag zwei Stunden lang trainieren. Tatsächlich können sich die meisten jedoch nur für 40 Minuten zu dieser Anstrengung aufraffen.

Ein Raumflug – allerdings nur in 100 km Höhe – gehört auch für "normale Menschen" heute nicht mehr in den Bereich der Utopie. Vielmehr hat das Zeitalter des Weltraumtourismus bereits begonnen. Laut Gerzer ist schon in wenigen Jahren wöchentlich ein Flug mit sechs Passagieren denkbar. Bei Kosten von 200.000 USD pro Flug gibt es hierfür bereits einen Markt von 400.000 Personen. hb

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