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GKV = Große Konfuse Verunsicherung

Peter Ditzel

Würde man eine Umfrage unter Apothekerinnen und Apothekern machen, was zurzeit die Freude am Beruf vermiest, dürfte die Antwort einhellig ausfallen: die Rabattverträge. Kaum eine Kollegin, ein Kollege, der darüber nicht klagt. Es fängt bei der Auswahl der abzugebenden Präparate an, bei der man auf die Richtigkeit der Angaben in der Apotheken-EDV angewiesen ist. Es setzt sich fort mit den Schwierigkeiten bei der Beschaffung, den Lieferschwierigkeiten einiger Hersteller. Und es ist noch lange nicht zu Ende mit den unendlichen Diskussionen mit den Patienten und zwar darüber, warum man schon wieder ein anderes Präparat erhält, warum das Packungsaussehen und die Tablettenfarbe schon wieder wechseln müssen. Die Folgen sind nicht selten Complianceprobleme, Therapieabbrüche oder -verweigerungen seitens der Patienten. 95,9 Prozent der Patienten tun sich mit der Umstellung auf ein Rabattarzneimittel schwer, ergab vor Kurzem eine Online-Umfrage des Bayerischen Apothekerverbands.

Und die "Krönung": die rigorosen Null-Retaxierungen einiger Krankenkassen, sofern – aus welchen Gründen auch immer – die Rabattvertragsregelungen nicht peinlichst genau erfüllt wurden. Oder zumindest nicht so erfüllt wurden, wie die Krankenkassen glauben, dass sie hätten erfüllt werden müssen, nämlich ohne Rücksicht auf pharmazeutische Gesichtspunkte. Das geht sogar so weit, dass einige Kassen eine Nullretaxierung durchsetzen, selbst wenn das Sonderkennzeichen aufgetragen oder ein Notfall angegeben wurde.

Fakt ist bereits, dass der außergewöhnliche bürokratische Mehraufwand Apotheken, aber auch die Krankenkassen gleichermaßen belastet. Der Deutsche Apothekerverband hat bereits angekündigt, einen Musterprozess gegen Retaxationen führen zu wollen. Hoffentlich bald.

Und es wird im nächsten Jahr nicht besser… Ab März 2009 dürfen sich beispielsweise die AOK-Patienten erneut auf Umstellungen und massive Lieferprobleme gefasst machen. Die AOK schrieb unlängst 64 Wirkstoffe neu aus und teilte Deutschland in nur fünf-Los-Regionen ein. Künftig soll dann seitens der AOK nur noch ein einziger Hersteller den Zuschlag für einen Wirkstoff pro Los-Region erhalten. Als hätte man nichts dazu gelernt… Lieferschwierigkeiten sind da schon heute voraussehbar, zumal die Hersteller kaum Zeit haben, vom Vertragsabschluss bis zum Inkrafttreten des Rabattvertrags ihre Produktion hochzufahren.

Überaus frustrierend ist zudem, dass bis heute nicht klar bekannt gegeben wurde, was denn nun eigentlich die Rabattverträge an Einsparungen fürs Gesundheitssystem bringen. Die Höhe des Rabatts bleibt geheim, weder Patient noch Apotheker oder Arzt wissen, was die Krankenkasse denn nun wirklich für diese Arzneimittel bezahlen.

Hinzu kommt, dass uns so manche Ärzte zusätzlich Knüppel zwischen die Beine werfen. Sie lassen ihre Arztsoftware die Worte "keine Zuzahlung" oder "vermutlich keine Zuzahlung" auf die Rezeptformulare drucken, ohne genau Kenntnis darüber zu haben, ob dies tatsächlich der Wahrheit entspricht. Der Patient kommt mit einer Erwartungshaltung in die Apotheke, die enttäuscht wird und in Ärger und Frust umschlägt, wenn sich die Zuzahlungsbedingungen geändert haben, wenn die Arztsoftware nicht auf dem aktuellen Stand ist und die Apotheke doch die Rezeptgebühr erheben muss.

Doch damit nicht genug. Die Patienten werden ab Januar 2009 mit der Einführung des Gesundheitsfonds höhere GKV-Beiträge zu zahlen haben. Nach Redaktionsschluss dieser DAZ wurde der neue, für alle Krankenkassen einheitliche Beitragssatz für 2009 bekannt. Er soll bei 15,5% liegen. Da kommt zusätzlich Freude bei den Patienten auf, zumal mit den höheren Beiträgen nichts besser wird, sondern nur eine gigantische Umverteilungsmaschine anspringt, die noch verworrener, bürokratischer und intransparenter ist. Selbst Krankenkassen-Chefs sprechen von einem "perversen System". Rürup, Chef der Wirtschaftsweisen, nennt den Gesundheitsfonds eine "Fehlkonstruktion". Ziel einer Kasse wird es dann nämlich sein, möglichst viel aus dem Topf Gesundheitsfonds zu erhalten – was sie nur dann bekommen kann, wenn möglichst viele Kranke bei ihr eingeschrieben sind. So bekommt eine Kasse einen Zuschlag von bis zu mehreren tausend Euro im Jahr aus dem Fonds, wenn ein Versicherter ein bestimmtes Krankheitsbild erfüllt, das auf einer 80 Krankheiten umfassenden Liste (vom Bundesversicherungsamt entwickelt) aufgeführt ist.

Eigentlich ist der Gesundheitsfonds nur der Kitt für die Große Koalition, der kleinste gemeinsame Nenner, auf den man sich in den Beratungen einigen konnte. Er gehört zu den schlechtesten Systemen, die man sich vorstellen kann, schon heute ist absehbar, dass der Gesundheitsfonds ein Desaster wird. Selbst viele Politiker und die meisten Krankenkassenfunktionäre lehnen ihn ab und versuchen, ihn noch zu stoppen. Rabattverträge und Gesundheitsfonds – die Verunsicherung der GKV-Versicherten ist groß. Die GKV – eine einzige "Große Konfuse Verunsicherung".


Peter Ditzel

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