Deutscher Apothekertag 2008

Standing ovations für Paralympioniken

Damit hatte keiner der Delegierten auf dem diesjährigen Deutschen Apothekertag gerechnet. Die ABDA unterbrach ihre politische Diskussionsrunde und präsentierte drei Medaillengewinner der Paralympics, die wenige Stunden zuvor von Peking zurückgekehrt waren. Hintergrund dieser Showeinlage war das Engagement der ABDA für den Behindertensport und das Sponsoring der deutschen paralympischen Mannschaft in Peking.

Vom Apothekerparlament in München wurden sie mit standing ovations gefeiert: Kirsten Bruhn, Schwimmerin vom KSV Neumünster, Heinrich Popow, Leichtathlet vom TSV Bayer 04 Leverkusen, und Michael Teuber, Radsportler vom BSV München, stellvertretend für alle Paralympioniken und Teilnehmer an den Paralympics in München.

Kirsten Bruhn gewann insgesamt fünf Medaillen, davon eine Goldmedaille in Peking. Heinrich Popow errang Silber im 100-Meter-Sprint. Michael Teuber erkämpfte sich in Peking eine Goldmedaille auf dem Rad.

"Lohn für die Ackerei beim Training" – das bedeutet die Goldmedaille für sie, so Bruhn, und sie gestand, dass sie auf der Siegertreppe noch keine Freudentränen vergießen konnte, erst bei der Feier mit ihrem Team habe sie "Rotz und Wasser geheult", vor Freude über ihren Sieg. Jetzt freue sie sich, wieder in ihre Heimatstadt Neumünster zurückzukehren, wo dann am Sonntag eine große Feier im Schwimmbad für sie stattfand, "mein Apotheker ist auch dabei", verriet sie in München.

Auch Popow, der an einem Osteosarkom erkrankt war und dessen Unterschenkel mit neun Jahren amputiert werden musste, bestätigte, dass er erst so nach und nach die Freude über seine Medaille realisieren kann. Er und die anderen Behindertensportler wollten Vorbilder sein für andere Behinderte. An seine Behinderung habe er sich gewöhnt und heute "mehr Spaß als Menschen mit zwei Beinen", fügte er hinzu. "Wenn es Gefühle im Leben eines Menschen gibt, wenn er nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll, was können Sie unseren Apothekern heute mit auf den Weg geben?" wollte die Moderatorin Anouschka Horn von Popow wissen. "Nur das Positive aus allen Sachen heraussuchen; es gibt genug Menschen, die sich mit negativen Sachen befassen, aber wir müssen das nicht tun", so Popow. Den Apothekern rief er zu, die Ziele, die man sich setze, nicht aus den Augen zu verlieren.

Auch der Radsportler Teuber, bereits Radprofi und Goldmedaillengewinner von Athen, konnte sich über seinen Sieg in Peking freuen. Er kündigte an, bis 2012 weiterzumachen und auch in London dabei sein zu wollen. Außerdem wolle er den höchsten Berg Spaniens besteigen und mithilfe von Sponsorengeldern seine erhaltenen Fördergelder an die Stiftung Deutsche Sporthilfe zurückzuzahlen, damit diese damit wieder junge Sportler fördern können.

Was treibt die Sportler an? Teuber: Es ist einfach ein besonderer Kick, im Wettkampf zu stehen und Ziele zu erreichen und die Anerkennung dafür zu erhalten. Auch Popow gestand, "ein ganz heißer Typ auf Wettkämpfe zu sein – nicht immer nur auf Wettkämpfe". "Wir sind Sportler durch und durch", Einschränkungen kenne er nicht. "Mit dem Engagement von Sponsoren, z. B. der Apotheker, die uns ins Rampenlicht rücken, haben wir sehr dafür gekämpft, nicht nur in Aktion Mensch oder Aktion Sorgenkind zu kommen, sondern wir wollen in die Sportschau."

Gesteckte Grenzen immer wieder auszubauen und zu überwinden, davon lässt sich Kirsten Bruhn antreiben. Konsens sei doch, "dass wir Menschen alle gleich sind, trotz Behinderung".

Popows Schlusswort: Man sei froh, dank der Sponsoren im Profisport angekommen zu sein. Der Dank der behinderten Sportler gilt den Apothekern für die Unterstützung. "Die Apotheker und der Behindertensport passt, es passt wie die Faust aufs Auge – oder wie der A… auf den Eimer hätte ich fast gesagt" rutschte ihm heraus, was für große Heiterkeit im Plenum sorgte. Man wolle das Engagement mit Leistung zurückzahlen, "vielleicht können wir das weiter verfolgen."

Wolf kündigte an, den Behindertensport auch weiterhin unterstützen zu wollen. Das Engagement in Peking sei keine Eintagsfliege gewesen.

Wie es zum Sponsoring kam

Die ABDA und damit die deutschen Apothekerinnen und Apotheker sind seit einigen Monaten Partner des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) und Förderer der paralympischen Bewegung. Ziel ist, mehr Resonanz und Akzeptanz für gehandicapte Sportlerinnen und Sportler zu erreichen. Die Idee dazu entstand bei einer Veranstaltung des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) in Berlin im Januar 2008: man wollte einfach mehr miteinander machen und nicht nur die üblichen Sympathiebekundungen austauschen. Der DBS vertritt die Interessen von fast einer halben Million deutscher Behindertensportler und ist zudem das nationale Paralympische Komitee, analog zum Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).

Die Verbindung zwischen Apothekern und dem DBS bahnte sich durch Karl-Hermann Haack an, der nicht nur mehrere Jahre SPD-Bundestagsabgeordneter und Behindertenbeauftragter der Bundesregierung war, sondern seit einiger Zeit auch Chef des DBS ist. Da Haack zudem Apotheker ist, war die Verbindung zwischen DBS und ABDA rasch geknüpft.

In Gesprächen mit Sportlern und DBS-Vertretern wurde eine Strategie entwickelt, um den Behindertenspitzensport mit dem Apotheken-A zu kommunizieren. Am Rande der Veranstaltung "80 Tage bis zu den Paralympics" in Berlin hatte ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf in Gesprächen mit Mitgliedern des DBS und des Sportausschusses des Bundestages betont, dass man das Engagement für den Sport langfristig und in der Fläche angehen wolle. Wolf: "Wir sind kein klassischer Sponsor, denn das passt nicht zu uns. Wir fördern und unterstützen als Partner." Man wolle die Nachwuchsförderung und auch den Breitensport- und Präventionsgedanken aktiv unterstützen. Im Vorfeld und während der Paralympics informierten in den deutschen Apotheken mehrere Millionen Flyer über die Partnerschaft von Apothekern und Behindertensport. Auf diesem Weg wurde auch zusätzlich auf die Übertragungszeiten der Paralympics in ARD und ZDF aufmerksam gemacht.

Und: Die deutschen Apotheken präsentierten die Übertragungen bei ARD und ZDF von den Paralympics in Peking. Vom 6. bis 17. September 2008 stand das rote Apotheken-A stellvertretend für das Engagement der Apothekerschaft für den deutschen Behindertensport. Erstmals in der Geschichte der Behindertensportbewegung wurde ein paralympischer Sportler, der Leichtathlet Heinrich Popow, Mittelpunkt eines TV-Spots, der 46-mal im deutschen Fernsehen zu sehen war, jeweils vor und nach den Übertragungen. Eine erste Analyse der Einschaltquoten bestätigte die Erwartungen im Vorfeld: Die Paralympics hatten das Schatten- und Nischendasein als Anhängsel der olympischen Berichterstattung verlassen.

Die ABDA und der Deutsche Behindertensportverband (DBS) haben sich nun auf eine langfristige Zusammenarbeit verständigt. Im Rahmen dieses Engagements will der neue Partner die paralympische Mannschaft unterstützen, aber auch die paralympische Bewegung im Allgemeinen fördern. Der Vertrag wurde von der ABDA sowie von der Deutschen Sport-Marketing (DSM) unterzeichnet.


diz

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