Arzneimittel und Therapie

Genetischer Fingerabdruck verbessert Therapie

Fünf bis sechs genetische Veränderungen können aus einer normalen Zelle eine Krebszelle machen. Die entscheidenden Veränderungen, die den tödlichen Prozess in Gang setzen, betreffen vor allem Onkogene und Tumorsuppressorgene. Moderne Krebstherapeutika greifen an diesen spezifischen Veränderungen an, und mit modernen Diagnostika lassen sie sich sichtbar machen.

Für die Entwicklung von Tumorzellen sind zahlreiche Prozesse nötig. Einige davon beeinflussen die Zellzahl, indem sie Proliferation, Differenzierung oder Apoptose, den programmierten Zelltod, steuern. In verschiedenen Tumoren können einzelne Prozesse an verschiedenen Punkten und durch unterschiedliche genetische Läsionen verändert sein.

Welche Behandlungsoption für welche Patienten geeignet ist, hängt von den Eigenschaften der Krebszellen ab. Früher standen zur Charakterisierung von Tumorzellen vor allem histopathologische und histochemische Methoden zur Verfügung. Diese "klassischen" klinischen Parameter sind zwar nach wie vor hilfreich, in vielen Fällen jedoch nur von eingeschränkter Aussagekraft. Heute lässt sich mithilfe genetischer Analysen besser vorhersagen, ob ein Tumor auf eine Chemotherapie ansprechen wird oder nicht.

Genchip-Technologie

Auf Genchips können zahlreiche verschiedene Gene nachgewiesen werden und damit ein individueller Fingerabdruck, das Genexpressionsprofil, für jeden Tumor erstellt werden. Aus diesem Fingerabdruck lässt sich vorhersagen, wie aggressiv ein Tumor wächst und ob er metastasieren wird und dadurch die Therapieplanung verbessern.

Bei der DNA-Chip-Technologie werden bekannte Gene auf einem fingernagelgroßen Plastik- oder Glasplättchen, dem Microarray, identifiziert und deren Aktivität gemessen. Als Trägermaterial wird unter anderem speziell beschichteter Kunststoff oder Glas verwendet, auf denen die oft nur einige Mikrometer großen Tests befestigt werden. 1994 brachte die Firma Affymetrix mit dem "HIV Gene Chip" den ersten kommerziell erhältlichen DNA-Chip auf den Markt.

Bei diesen Gentests sind die Testfelder mit einzelsträngigen DNA-Stücken beschichtet. Die Proben werden mit einem roten und grünen Fluoreszenzfarbstoff markiert und binden bei komplementärer Basenabfolge an die DNA im Chip. Die Position, Intensität und Wellenlänge der entstehenden Mischfarbe werden mit einer hochauflösenden Laserkamera detektiert und liefern Informationen über die Expression der Gene in der Probe.

Individuelles Rückfallrisiko bestimmen

Nähere Zusammenhänge zwischen Genexpression und Metastasierungsrisiko sind heute schon für Brust- und Darmkrebs bekannt. So kann die Genexpression eines Mammakarzinoms mit dem Test MammaPrint® charakterisiert werden. Dieser Test beruht auf der Aktivität von 70 Genen, die an einer späteren Metastasierung beteiligt sind und kann die Behandlung von Brustkrebspatientinnen verbessern, wie eine Studie mit 295 Patientinnen, die 2002 im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, zeigte: In dieser Studie waren 93% der Patientinnen, die durch MammaPrint® einem niedrigen Risiko zugeordnet wurden, auch ohne adjuvante Therapie nach fünf Jahren immer noch frei von Rezidiven. Diese Patientinnen wären ansonsten unnötig mit einer Chemotherapie behandelt worden, denn weniger als 1% der Frauen mit niedrigem Risiko profitieren tatsächlich davon. MammaPrint® wurde Anfang 2007 als erster Test zur Bestimmung des Rückfallrisikos bei Brustkrebs zugelassen.

MammaPrint® eignet sich vor allem für Patientinnen, bei denen der Brustkrebs in einem relativ frühen Stadium diagnostiziert wurde, wenn der Tumor nicht größer als 5 cm ist und die Lymphknoten nicht betroffen sind.

Neuer Test für Rezeptorstatus

Ein weiterer Test, ColoPrint®, beruht auf der Aktivität von 320 Genen, die an der Metastasierung des Kolonkarzinoms beteiligt sind. Mit diesem Test soll in Zukunft besser charakterisiert werden, welche Patienten mit Kolonkarzinom ein hohes Metastasierungsrisiko haben und deshalb von einer adjuvanten Therapie profitieren können.

Im September 2008 wurde einweiterer Diagnosetest eingeführt: TargetPrint®. Mit diesem Test können die Genexpressionsniveaus des Östrogenrezeptors, des Progesteronrezeptors und des humanen epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors 2 (HER2) in Brustkrebstumorbiopsien quantitativ bestimmt werden. TargetPrint® läuft auf dem neuen High Density Chip von Agendia, der im August 2008 von der U.S. Food and Drug Administration (FDA) zugelassen wurde.


Quellen

Pressemeldung der Firma Agendia, 3. September 2008.

Dr. Bernhard Sixt, Firma Agendia; Prof. Dr. Gerhard Seitz, Bamberg; Dr. Iris Simon, Firma Agendia; Priv.-Doz. Dr. Georg Kunz, Dortmund; Pressekonferenz "MammaPrint® - Neue Wege in der Krebsprognose", Berlin, 20. Februar 2008, veranstaltet von der Firma Agendia, Amsterdam/NL.

Van de Vivier MJ, et al.: A gene-expression signature as a predictor of survival in breast cancer. N. Engl. J. Med. 2002:347;1999-2009.


hel

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