DAZ aktuell

Pharmakonzerne müssen "normale" Bestellungen von Großhändlern ausführen

BERLIN (ks). Der EuGH hat sich in einem aktuellen Urteil mit der Frage befasst, ob Pharmahersteller den Verkauf von Arzneimitteln an Großhändler beschränken dürfen, wenn sie damit bezwecken, den Parallelhandel einzuschränken. Mehrere griechische Pharmagroßhändler hatten gegen eine griechische Tochtergesellschaft des Konzerns GlaxoSmithKline (GSK) geklagt, als diese die Bestellungen der Großhändler, die diese Arzneimittel kaufen, um sie auf dem Inlandsmarkt zu vertreiben und sie in andere Mitgliedstaaten zu exportieren, nicht mehr ausführte. Die Großhändler sahen darin einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Das Griechische Berufungsgericht legte diese Frage zur Vorabentscheidung vor.

Der EuGH kommt in seinem Urteil vom 16. September zu dem Ergebnis, dass ein Unternehmen mit einer beherrschenden Stellung auf dem maßgeblichen Arzneimittelmarkt, das sich weigert, von bestimmten Großhändlern aufgegebene normale Bestellungen auszuführen, um einen Parallelhandel zu verhindern, seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt. Es sei Sache aber des vorlegenden Gerichts zu bestimmen, ob die Bestellungen in Anbetracht ihres Umfangs im Verhältnis zum Bedarf des Marktes dieses Mitgliedstaats sowie der früheren Geschäftsbeziehungen dieses Unternehmens mit den betroffenen Großhändlern normal sind.


GSK hatte unter anderem drei rezeptpflichtige, patentgeschützte Arzneimittel nach Griechenland vertrieben. Im November 2000 führte die griechische GSK AEVE die Bestellungen der griechischen Großhändler nicht mehr aus. Das Unternehmen begründete dies mit einer Knappheit dieser Präparate, für die es nicht verantwortlich sei. Es änderte sein Vertriebssystem und begann, diese Arzneimittel den griechischen Krankenhäusern und Apotheken selbst zu liefern. Im Laufe des Monats Februar 2001 lieferte die GSK AEVE, da sich ihrer Auffassung nach die Versorgung des griechischen Marktes zu einem gewissem Grad normalisiert hatte und die Lagerbestände wieder aufgefüllt worden waren, erneut begrenzte Arzneimittelmengen an die Großhändler. Sowohl auf dem Zivilrechts- als auch auf dem Verwaltungsrechtsweg war über die Zulässigkeit der Vorgehensweise des Pharmaunternehmens gestritten worden. Letztlich legte ein Berufungsgericht dem EuGH Fragen zur Zulässigkeit von Verkaufsbeschränkungen für Arzneimittel zur Einschränkung des Parallelhandels mit Arzneimitteln vor.


In seinem Urteil prüfte der EuGH zunächst, ob besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer die Weigerung eines Unternehmens in marktbeherrschender Stellung, in einem bestimmten Mitgliedstaat Kunden zu beliefern, die Parallelexporte in andere Mitgliedstaaten vornehmen, in denen die Arzneimittelpreise höher liegen, im Allgemeinen nicht missbräuchlich ist. Dies verneinte der Gerichtshof. Aufgrund des Ziels des EG-Vertrages und des Ziels, sicherzustellen, dass der Wettbewerb im Binnenmarkt nicht verfälscht wird, könnten derartige Praktiken nicht dem Verbot entzogen sein, eine beherrschende Stellung auf dem Gemeinsamen Markt zu missbrauchen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (Art. 82 EG-Vertrag). Der Gerichtshof erkennt aber an, dass aufgrund des Grades der Reglementierung der Arzneimittelpreise ein Unternehmen in der Lage sein muss, angemessene und der Notwendigkeit, seine eigenen geschäftlichen Interessen zu schützen, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. So führt der EuGH aus, dass zwar nicht zugelassen werden könne, dass Kunden, die aus Mitgliedstaaten mit niedrigen Arzneimittelpreisen in Staaten mit höheren Arzneimittelpreisen reexportieren, überhaupt nicht mehr beliefert werden, es aber dem betroffenen Pharmaunternehmen freistehe, in einem vernünftigen und verhältnismäßigen Umfang der Bedrohung seiner Interessen zu begegnen. Demnach gesteht der EuGH dem betroffenen Unternehmen zu, zu ermitteln, ob der Umfang der von den Großhändlern aufgegebenen Bestellungen abnormal ist. So sieht der EuGH die Beschränkung der Lieferungen auf die Menge, die angesichts der früheren Geschäftsbeziehungen zwischen Pharmaunternehmen und Großhändlern und des Bedarfs des Marktes des betreffenden Mitgliedstaates als normal anzusehen ist, als gerechtfertigt an. Ergänzend merkt der EuGH an, dass dann, wenn der Parallelhandel zu einem Arzneimittelmangel auf einem bestimmten nationalen Markt führen würde, es nicht Sache des Unternehmens in beherrschender Stellung, sondern der zuständigen nationalen Stellen wäre, diesen Fall durch den Erlass geeigneter und verhältnismäßiger Maßnahmen gemäß der nationalen Regelung sowie den Verpflichtungen aus Art. 81 der Richtlinie 2001/83/EG zu regeln.

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