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QMS: Spielräume nutzen

Der Beschluss für ein bundeseinheitliches Qualitätsmanagementsystem (QMS) für Apotheken und ganz besonders die Einführung des Pflicht-QMS in Westfalen-Lippe haben Anlass zu neuen Grundsatzdiskussionen über das Thema QMS gegeben. Kritiker beklagen insbesondere die große Mühe für das Erstellen der Handbücher, die bei qualifiziertem Personal ohnehin überflüssig seien. Doch wenn dies zu Problemen führen sollte, sehe ich darin kein Argument gegen das QMS, sondern ein Zeichen, dass mindestens eine der beteiligten Seiten – Apotheke oder Zertifizierer – den gegebenen Spielraum nicht nutzt.

Zunächst zum Handbuch: Das QMS-Handbuch wird immer wieder als Inbegriff der Qualitätsmanagementidee missverstanden. Doch es ist nur ein Werkzeug. Es ist Mittel, nicht Zweck. Es soll dabei helfen, die Arbeitsweise zu strukturieren und immer wieder neue Verbesserungen mit dem ganzen Team umzusetzen. Wie detailliert das Handbuch zu formulieren ist, hängt von den Bedürfnissen der Beschäftigten ab. Das Argument, Fachkräfte bräuchten kein Handbuch, geht damit ins Leere. In einem Handbuch für Fachkräfte in der Apotheke stehen sicher ganz andere Dinge als in einem Handbuch für Angelernte in einem Drogeriemarkt. Auch der Vorwurf, ein QMS würde das kreative Denken erübrigen, trifft nicht. Denn ein Handbuch ist kein Gesetz, sondern eine Regel für den Normalfall. Es soll Irrtümer und Beliebigkeit vermeiden, aber nicht Abweichungen verhindern, die im Einzelfall aus gutem Grund und unter Abwägung möglicher Folgen gemacht werden. Außerdem ist kreatives Denken bei der Weiterentwicklung des Handbuches sogar mehr gefragt als bei vielen anderen Aufgaben. Wenn ein Handbuch als bürokratischer Ballast empfunden wird, stehen wahrscheinlich die falschen Dinge darin. Ein gutes Handbuch erkennt man insbesondere daran, dass es vom Apothekenteam im Alltag gerne genutzt wird. Wenn allerdings der Zertifizierer immer wieder bürokratische Inhalte fordert, könnte das Problem eher bei ihm liegen und nicht beim QMS. Hier ist kollegialer Austausch gefragt. Dies ist ein wesentliches Argument für die Zertifizierung durch Kammern und nicht durch Berufsfremde. Zudem spricht es für ein eigenes QMS-Konzept der Apotheker. Ärzte und Krankenhäuser haben dabei mehr Selbstbewusstsein gezeigt und ihre spezifischen Systeme konsequent neben branchenfremde Konzepte gestellt. Dies hatten die Apotheker bereits vor den anderen Gesundheitsberufen auf dem Apothekertag 1999 in Leipzig beschlossen – und haben später doch häppchenweise die branchenfremden ISO-Normen in ihr System einbezogen. Dies birgt Gefahren für bürokratische Überregulierungen, doch bleiben den Kammern als Zertifizierer durchaus Spielräume. Diese gilt es zu nutzen.

Neben diesen inhaltlichen Aspekten hat die derzeitige QMS-Debatte juristische und politische Dimensionen. So ist in juristischer Hinsicht zu fragen, ob eine QMS-Pflicht für die Apotheke als Betrieb überhaupt in einer Berufsordnung für den Apotheker als Person festgeschrieben werden darf. Wäre dies nicht allein eine Sache der Apothekenbetriebsordnung? Wäre eine solche Regelung nicht genauso zu bewerten, als würden Kammern zusätzliche Anforderungen an die Räume oder die Ausstattung festlegen?

In politischer Hinsicht bleibt ein Pflicht-QMS dagegen ein geschickter Schachzug. Denn beim Blick über den pharmazeutischen Tellerrand offenbart sich der klare gesellschaftliche Trend zum Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen. Da scheint es klug heute zu erfüllen, was morgen – womöglich nach den Regeln der Anderen – von außen diktiert würde.


Thomas Müller-Bohn

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