Aus Kammern und Verbänden

Vorsorge für den Notfall

Auf Einladung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und der Deutschen Gesellschaft für KatastrophenMedizin e.V. (DGKM) fand am 10. und 11. Juni in Bonn die erste Fachtagung "Notfall- und KatastrophenPharmazie" statt. Die Teilnehmer forderten eine zusätzliche Qualifikation von Apothekern für das pharmazeutische Notfallmanagement.

Dr. Barbara Kowalzik, BBK, stellte das Pilotprojekt zur Sanitätsmaterialbevorratung für Großschadensereignisse, Katastrophen oder überregionale Schadensereignisse vor. In Kooperation von BBK, Ländern und ausgewählten Krankenhäusern wurden von 2004 bis 2007 in 26 Krankenhausapotheken Basispakete mit Sanitätsmaterial zur Versorgung von je 100 Intensivpatienten für eine Woche eingelagert. Zusätzlich wurden A/B/C-Basispakete an ausgewählten Standorten verfügbar gemacht. Die neue Konzeption sieht eine Bevorratung in 100 Krankenhausapotheken und anderen Standorten für jeweils 250 Verletzte vor.

Die Länder-übergreifende Krisenmanagementübung LÜKEX 2007 erprobte das Krisenmanagement bei einer Influenza-Pandemie. Im LÜKEX-Projektteam Pharmazie wurden unter der Leitung von Wolfgang Wagner, Dr. Bernhard Preuss und Monika Paul in Zusammenarbeit mit der Bundesapothekerkammer und ABDA Übungsbausteine konzipiert und für das Übungsdrehbuch aufbereitet. Die Übung zeigte einen dringenden Handlungsbedarf für den Bereich Pharmazeutische Versorgung, Bevorratung von Arzneimitteln und Medizinprodukten im Fall einer Pandemie, dem das Robert Koch-Institut höchste Priorität beimisst.

Wie Christoph Riegel, BBK, berichtete, hat das BBK einen Leitfaden zum Krankenhaus-Notfallmanagement und zur Alarmplanung erstellt. Die Funktionsfähigkeit von Krankenhäusern beruht auf Infrastrukturdienstleistungen wie Energie- und Wasserversorgung, Arzneimittel- und Lebensmittelversorgung, Informations- und Kommunikationstechnik und erfordert Operationssäle, Intensivstation, Diagnosegeräte usw. Die Einführung eines umfassenden Risiko- und Krisenmanagement-Prozesses im Krankenhaus soll in Krisensituationen die Störungen mindern oder möglichst vermeiden.

Apothekerin Katharina Schmiechen stellte das im Jahr 2006 gestartete Forschungsprojekt ABC-Selbsthilfeset des BBK unter der Leitung von PD Dr. Michael Müller, Universität Göttingen, vor. Das ABC-Selbsthilfe-Set ist Teil der persönlichen Schutzausrüstung und soll bei einer möglichen Kontamination, z. B. bei beschädigter Schutzkleidung, eine erste Notdekontamination sowie gegebenenfalls eine Antidotgabe und die Versorgung kleinerer Wunden ermöglichen (s. Kasten).

ABC-Selbsthilfeset (Prototyp)

  • Antidot gegen Organophosphat-Vergiftungen: ATOX II-ComboPen® Atropinsulfat 2 mg, Obidoxim-chlorid 220 mg, Autoinjektor
  • Sterillium® Virugard
  • RSDL Dekon Pads
  • Sanalind® Reinigungslösung
  • Tobin® Augenspüllösung 0,9%ige NaCl-Lösung, steril
  • Wundpflaster
  • Einwegtücher
  • Klebeband
  • ORSA Diffusionssammler
  • Kurzdokumentation
  • Folienbeutel

Bei der Entwicklung und Prüfung des ABC-Selbsthilfesets wurde auch Wert auf eine einfach erlernbare und unkomplizierte Anwendung gelegt, damit selbst in Stresssituationen ein sicherer Umgang – vor allem mit dem Antidot – möglich ist.

Die Temperatur in Rettungsfahrzeugen kann von – 20 °C bis + 50 °C schwanken, was für die Stabilität und Verwendbarkeit der dort gelagerten Arzneimittel problematisch sein kann. Ilan Neidhardt, 3M Deutschland, stellte Messergebnisse in einem Rettungswagen (RTW) und in einem Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) vor:

  • Frontbereich RTW: 16,6 °C bis 42,8 °C,
  • Arzneimittelschrank RTW: 20,8 °C bis 30,0 °C,
  • Notfallrucksack NEF: 19,8 °C bis 39,5 °C.

Diese Messungen erfolgten bei gemäßigten, frühsommerlichen Temperaturen; im Hochsommer und im Winter würden die Werte wesentlich anders sein. Die wünschenswerte temperaturgeschützte Lagerung von Arzneimitteln und Medizinprodukten in Einsatzfahrzeugen ist kein technisches, sondern höchstens ein finanzielles Problem wegen der Kosten für die entsprechende Zusatzausstattung.

Der weiteren Entwicklung der Notfall- und Katastrophenpharmazie war abschließend eine Diskussionsrunde gewidmet. Die Notfall- und Katastrophenpharmazie dient der Sicherstellung einer bestmöglichen pharmazeutischen Versorgung der Bevölkerung bei Großschadensereignissen und Katastrophen sowie in sonstigen Ausnahmesituationen. Dazu entwickelt sie Konzeptionen für das pharmazeutische Notfallmanagement der öffentlichen Apotheken und der Krankenhausapotheken. Zur Erfüllung der besonderen Aufgaben bedarf es einer zusätzlichen Qualifikation der Apotheker für das pharmazeutische Notfallmanagement.

Die Arbeitsgemeinschaft Notfall- und KatastrophenPharmazie, AG KatPharm, hat zzt. 31 Mitglieder. Für den Ausbau des Experten-Netzwerkes sind weitere Kolleginnen und Kollegen zur Mitarbeit sehr willkommen.
 

Wolfgang Wagner
Apotheker für Klinische Pharmazie, 
AG KatPharm, 
w-wagner.pharm@t-online.de

 

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.