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Wunsch und Wirklichkeit im Apothekenmarkt

KÖLN (ks/ifh). Branchenfremde Einzelhändler, die begehrlich auf den vermeintlich lukrativen Arzneimittelmarkt schielen, sollten sich bewusst sein, dass dieser gänzlich anders funktioniert als beispielsweise der Handel mit Lebensmitteln oder Drogerieartikeln. Nach aktuellen Untersuchungen des Kölner Instituts für Handelsforschung (IfH) entpuppt sich die von Außenstehenden vielfach unterstellte Attraktivität des Apothekenmarktes als bloßes "Wunschdenken".

Die aus anderen Branchen bekannten Kostensenkungs- und Marketingkonzepte lassen sich nicht uneingeschränkt auf den Apothekenmarkt übertragen, so das IfH. Grund hierfür seien zum einen die hohen Anforderungen beim Raum- und Personaleinsatz in der Apotheke. Zudem sind Ansätze, die etwa auf die Umsetzung des Selbstbedienungsprinzips oder begrenzte und auf Schnelldreher ausgerichtete Sortimente setzen, in Apotheken nicht zulässig. Auch ließen sich, anders als bei anderen Waren, die Umsätze mit Arzneimitteln im Regelfall nicht marketingpolitisch steuern, gibt das Institut zu bedenken. Sie hingen insbesondere vom Standort einer Apotheke und der dortigen Verschreiber-, Bevölkerungs- und Wettbewerbssituation ab.

Strenge Anforderungen bei Personal und Räumen

Während Apotheken beim Raumeinsatz eine vergleichsweise hohe Produktivitätsrate erreichen – gegenüber Discountern wird hier durchschnittlich ein Mehrumsatz von 6410,– Euro je qm² Verkaufsfläche realisiert – können sie bei der Produktivität des eingesetzten Personals mit anderen Einzelhändlern nicht mithalten. So erzielen laut IfH Discounter und SB-Warenhäuser einen um rund die Hälfte höheren Bruttoumsatz je beschäftigter Person. Zwar konnte der Anteil der Personalkosten am Umsatz – derzeit 15 Prozent – in den vergangenen drei Jahren um 3 Prozentpunkte gesenkt und die Personalproduktivität, also das Verhältnis von Umsatz und Mitarbeiterzahl, nominal um fast ein Drittel gesteigert werden. Die daraus hervorgehenden Gewinne verblieben jedoch nur zu einem geringen Teil in den Apotheken, da sie von überdurchschnittlich stark steigenden Wareneinsätzen (+ 56 Prozent) aufgezehrt wurden, so das IfH. Die Produktivitätsunterschiede zwischen Apotheken und Anbietern aus anderen Branchen führt das Institut vor allem auf die in der Apotheke beim Raum- und Personaleinsatz zu erfüllenden Mindestanforderungen sowie die nachfragerelevanten Besonderheiten des Absatzobjektes "Arzneimittel" zurück. Im Vergleich zu anderen Branchen sei die Handlungsautonomie des Apothekers bei der Personalpolitik stark eingeschränkt: Die Apothekenbetriebsordnung stelle sicher, dass sich der Ressourceneinsatz nicht (nur) an ökonomischen Richtwerten, sondern (auch) am Bedarf in Spitzenzeiten und Notsituationen orientiert. So sind die Durchführung von Nacht- und Notdiensten und der entsprechende Personaleinsatz ökonomisch nur in Ausnahmefällen sinnvoll, unter Versorgungsgesichtspunkten jedoch zwingend geboten. Ähnliche Einschränkungen gelten für den Raumeinsatz.

Analogien führen zu falschen Rückschlüssen

"Der Apothekenmarkt ist für den Handel nicht per se attraktiv, nur weil dessen Marktvolumen und -potenzial groß ist", lautet das Fazit des IfH-Geschäftsführers Dr. Andreas Kaapke. "Dieser Markt funktioniert gänzlich anders als der Handel in anderen Branchen. Vorschnellen Aussagen zur Attraktivität des Apothekenmarktes aus Sicht branchenfremder Anbieter ist deshalb eine klare Absage zu erteilen." Kaapke zeigt sich verwundert, wie oft vergessen werde, dass zwischen Arzneimitteln und anderen Produkten gravierende Unterschiede bestehen. Eine Analogie im Sinne einer 1:1-Übernahme gängiger Mechanismen aus anderen Märkten auf Arzneimittel müsse dabei zu falschen Rückschlüssen führen, so der Ökonom.

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