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Superhighway für Fälschungen

BERLIN (ks). Das Internet wird zunehmend zum "Superhighway" für gefälschte Arzneimittel – dies ist das Fazit einer aktuellen Studie der European Alliance for Access to Safe Medicines (EAASM). Untersucht wurden mehr als 100 Internet-"Apotheken", bei denen verschiedene gängige und verschreibungspflichtige Präparate online bestellt wurden. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Sämtliche Medikamente wurden ausgeliefert, ohne dass ein Rezept vorgelegt werden musste. Rund 95 Prozent der "Apotheken" wurden illegal betrieben und mehr als 60 Prozent der aus dem Internet bestellten Arzneimittel erwiesen sich als gefälscht.

Die 2007 gegründete EAASM versteht sich als eine unabhängige Organisation für Patientensicherheit, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Bewusstsein für gefälschte Arzneimittel zu schärfen. Und dass Arzneimittelfälschungen ein ernstzunehmendes Problem sind, zeigt der Report "The Counterfeiting Superhighway" deutlich auf. Zwar wird darin eingeräumt, dass die Bestellung rezeptpflichtiger Arzneimittel über seriöse und zugelassene Versandapotheken keinen Bedenken begegnet. Doch die unaufhaltsame Verbreitung des Internet ermöglicht es auch illegalen Versendern, ihre zweifelhaften Präparate anzubieten – und sogar Käufer zu finden. Über verschiedene Suchmaschinen und Spam-E-Mails wurden für die Analyse 116 Online-Anbieter verschreibungspflichtiger Arzneimittel ausfindig gemacht und genauer unter die Lupe genommen. Schon vor der Bestellung fielen einige Missstände ins Auge. So war auf fast 94 Prozent der Websites kein namentlich genannter, verifizierbarer Apotheker angegeben, eine Kontaktadresse oder ein erkennbarer Firmensitz waren ebenfalls häufig Fehlanzeige. Bei 58 Prozent der Anbieter war auch keine funktionstüchtige Telefonnummer zu finden. Immerhin jede fünfte Internet-"Apotheke" erklärte, auf ihrer Homepage eine anerkannte Genehmigung zum Arzneimittelversand zu besitzen. Verfolgte man diesen Link jedoch weiter, wurde man in 86 Prozent der Fälle auf eine Schein-Webpage weitergeleitet, die das Vorliegen einer Genehmigung lediglich vorgab.

Viagra als Zugabe

Die für die Untersuchung bestellten Präparate waren zum einen "Klassiker" wie Viagra und andere Potenzmittel, aber auch Medikamente zur akuten Behandlung ernster kardiovaskulärer, respiratorischer oder psychischer Erkrankungen (z. B. Lipitor, Plavix, Spiriva, Zyprexa). Ihre visuelle und chemische Analyse fiel ebenfalls dramatisch aus: 62 Prozent der Präparate erwiesen sich als Fälschungen die keinen oder zu wenig Wirkstoff enthielten. Von den 38 Prozent Originalprodukten stammten 16 Prozent aus illegalen Nicht-EU-Importen; 33 Prozent dieser Originale enthielten keine Patienteninformation. Insgesamt war ohnehin nur jede zweite bestellte Packung mit einem Beipackzettel ausgestattet. In einigen Fällen wurde den Bestellungen von Herzmedikamenten kostenloses Viagra als "Zugabe" geliefert, ohne dass auf mögliche Wechselwirkungen hingewiesen wurde. Die gefälschten Arzneimittel und ihre Verpackungen waren von äußerst unterschiedlicher Qualität: Einige Hersteller hatten sich durchaus Mühe gegeben, ihre Fälschung dem Original ähnlich sehen zu lassen. Andere verpackten lose Tabletten schlicht in Zeitungspapier.

Suchmaschinenbetreiber gefordert

EAASM-Präsident Jim Tompson forderte unverzüglich Maßnahmen, um den Online-Handel mit gefälschten Arzneimitteln einzudämmen: "Die Ergebnisse des Berichtes sind schockierend und zeigen, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Konsumenten sind gefälschten Präparaten ausgesetzt, die ihrer Gesundheit schaden und potenziell tödlich sein können." Konkret raten die EAASM-Experten, dass Suchmaschinen wie Google, Yahoo und MSN Internetseiten mit gefälschten Arzneimitteln in den Suchergebnissen sperren sollten. Diese Strategie habe sich schon zum Schutz der Verbraucher vor Kinderpornographie als erfolgreich erwiesen. Aber auch Kreditkartenunternehmen, Versender, Patientengruppen, Behörden und andere Gruppen seien gefragt: Sie müssten aktiv werden und diesen gefährlichen Trend zu stoppen, so Tompson. Auch Patienten gibt die EAASM Tipps, wie sie sich vor Arzneimittelfälschungen schützen können. Tabu sein sollten beispielsweise sämtliche Händler, die für verschreibungspflichtige Arzneimittel kein Rezept sehen wollen. Das gleiche gilt für Online-Anbieter, bei denen kein Apotheker für Rückfragen zur Verfügung steht.

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