DAZ aktuell

Kosten-Nutzen-Bewertungen nicht übereilen

BERLIN (ks). Die Deutsche Krebsgesellschaft sorgt sich angesichts der bevorstehenden Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln um die medikamentöse Versorgung von Krebspatienten. Daher hat sie ein Gutachten erstellen lassen, in welchem untersucht wird, wie und in welchem Ausmaß spezifische Eigenheiten onkologischer medikamentöser Therapien bei der Durchführung von Nutzen- und insbesondere Kosten-Nutzen-Bewertungen zu berücksichtigen sind.

Mit etwa 436.000 Neuerkrankungen und über 208.000 Todesfällen pro Jahr haben sich bösartige Neubildungen in den letzten Jahren zu einer Volkskrankheit entwickelt. Entsprechend intensiv wird in allen Bereichen der Onkologie geforscht. "Die Überlebenschancen der Patienten erhöhen sich dadurch deutlich, die Kosten ihres Überlebens jedoch ebenso", resümiert der Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft, Dr. Werner Hohenberger. Die Kriterien, anhand derer entschieden werden kann, welche medikamentösen Therapien für die Patienten sozialrechtlich zugelassen werden, müssten daher fundiert, nüchtern und ethisch engagiert geprüft werden.

Dass es in der onkologischen Arzneitherapie oftmals schwer bis unmöglich ist, das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen darzustellen, zeigen Prof. Jürgen Wasem und Dr. Pamela Aidelsburger in ihrem Gutachten auf. Grundsätzlich sind Kosten-Nutzen-Bewertungen aus ihrer Sicht zwar "ein sinnvoller Umgang mit der Knappheit der Ressourcen im Gesundheitswesen". Werden sie in der Onkologie angewendet, müsse allerdings den Besonderheiten dieser Therapien und der hier durchgeführten Zulassungsstudien Rechnung getragen werden. Die Bestimmung der Relation zwischen dem zusätzlichen Nutzen und den zusätzlichen Kosten im Vergleich zu bereits bestehenden therapeutischen Alternativen gestalte sich hier unter mehreren Aspekten schwierig. Sowohl die Nutzen- als auch die Kostenbewertung weisen schon für sich genommen spezifische Eigenheiten auf, betonen die Gutachter. Aufgrund der Schwere, Komplexität und Heterogenität von Krebserkrankungen komme es dadurch zu Konflikten in der kombinierten Kosten-Nutzen-Bewertung, die sich häufig zu einer Entscheidung über die verbleibende Lebensdauer und Lebensqualität der Patienten zuspitzten. Zudem weisen die Autoren darauf hin, dass Studien zur Bestimmung des Nutzens eines Medikamentes bislang als randomisierte klinische Studien (RCT), oft auch in Form von cross-over-Designs durchgeführt werden. Vorgaben der Zulassungsbehörden und vor allem ethische Bedenken könnten hier bereits Einfluss auf die Methodik der Studien haben, sodass ein eventueller Zusatznutzen "nicht in seinem vollen Umfang nachgewiesen werden kann". So würden die meisten Medikamente erst an Patienten in palliativer Situation untersucht, um den noch heilbar Erkrankten nicht die bewährte Therapie vorzuenthalten. Aus demselben Grund bestehe bei cross-over Studien die Möglichkeit, bei entsprechender Wirkung eines Medikamentes vom Vergleichsarm zur neuen Therapie zu wechseln. All dies verzerre die Ergebnisse und erschwere die Bewertung des Zusatznutzens im Vergleich zur möglichen Standardtherapie. Zudem stelle die "Standardtherapie" selbst ein Problem dar. Da Krebs in vielen Fällen einen langwierigen und individuellen Verlauf nehme, fehle eine vergleichbare Standardbehandlung umso häufiger, je länger sich die Erkrankung hinziehe. Es dürfte somit schwierig sein, Kosten-Nutzen-Bewertungen auf alle Stadien des Krankheitsverlaufs und seine Therapieoptionen gleichermaßen anzuwenden, so die Gutachter. Aus ihrer Sicht erweist sich das bisher erfasste Gesamtüberleben als "harter klinischer Endpunkt" als zu undifferenziert. Daher erscheine es "sachgerecht, in der Onkologie bei Nutzen- und Kosten-Nutzen-Bewertungen alternative patientenrelevante Effektmaße festzulegen", so z. B. die Zeit des krankheitsfreien Überlebens oder die Zeit bis zum Fortschreiten einer Erkrankung.

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