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"Wir setzen uns für die inhabergeführte Apotheke ein"

GILCHING (diz). Immer mehr Apotheken schließen sich einer der mittlerweile 40 Kooperationen an. Vom Beitritt zu einer Kooperation erhofft man sich, je nach Ausrichtung und Größe der Arbeitsgemeinschaft, bessere Einkaufskonditionen sowie Unterstützung in Marketing- und Sortimentsfragen. Unlängst hat sich der Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen unter Vorsitz von Dr. Stefan Hartmann gegründet. Er möchte die gemeinsamen Interessen der Kooperationen bündeln und tritt für eine Stärkung der inhabergeführten Apotheke ein, wie er in unserem Interview deutlich machte.
Kooperationen vernetzen
Der Weg hin zur Kooperation wird sich fortsetzen (Dr. Stefan Hartmann, 1. Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Apothekenkooperationen)
(Foto: BVDAK)

DAZ: Herr Hartmann, wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Bundesverband der Kooperationen zu gründen? Was waren die Beweggründe hierfür?

Hartmann: Der Wandel unseres Apothekensystems nimmt deutlich an Fahrt auf, ich nenne hier nur Stichworte wie Versandhandel, Filialisierung, Franchisesysteme, DTP (direct to pharmacy), Selektivverträge, Pick-up-Stellen, Kombimodell des Großhandels und andere. All diese Veränderungen haben unabhängig vom bevorstehenden EuGH-Urteil bereits stattgefunden oder finden in Kürze statt. Das heißt, die Apotheken unterliegen bereits heute einem deutlich zunehmenden Veränderungsdruck. Apothekenkooperationen, insbesondere wenn diese großhandelsunabhängig sind, haben sich zum Ziel gesetzt, die inhabergeführte Apotheke dahingehend zu stärken, dass sie versuchen, bestimmte Leistungsbereiche zu bündeln. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich in Zukunft der Apotheker als Einzelkämpfer verstärkt auf dem Rückzug befindet. Wir haben ja schon erlebt, wie sich die Apotheker in den letzten Jahren insbesondere zu regionalen Kooperationen zusammengeschlossen haben. Gefehlt hat bisher die Vernetzung der Kooperationen, die sich dem Erhalt der inhabergeführten Apotheke verschrieben haben, auf Bundesebene.


DAZ: Wie viele Apotheken sind derzeit in Kooperationen organisiert?

Hartmann: Derzeit haben sich bereits über 70 Prozent der Apotheken in Kooperationen organisiert, wobei manche Apotheken sogar zwei oder mehr Kooperationen angehören. Man kann unterscheiden zwischen den großhandelsaffinen Kooperationen und den großhandelsunabhängigen Kooperationen. Der Weg hin zur Kooperation wird sich fortsetzen. Allerdings: der Markt der Kooperationen ist sehr heterogen: wir haben Aktiengesellschaften, GmbHs, e.V.s, GmbHs & CoKGs – und wir haben viele kleine Kooperationen, die sich keine Gesellschaftsform gegeben haben. Die Apotheker haben aber erkannt, dass sie davon profitieren, sich in bestimmten Leistungsbereichen zusammenzuschließen, um Synergieeffekte zu heben und stärker zu sein als der Einzelne.


DAZ: Warum aber ein Verband der Kooperationen?

Hartmann: Bei vielen Gesprächen mit anderen Kooperationen zeigte sich, dass das Ziel der allermeisten Kooperationen gleich ist, nämlich die Stärkung der inhabergeführten Apotheke und keine verdeckte Kette vorzubereiten. Den Kooperationen ist klar: um schlagkräftig zu werden, brauchen sie die Flächendeckung. Eine eigenfinanzierte Kooperation tut sich da natürlich wesentlich schwerer als eine großhandels- bzw. investorengestützte Kooperation. Es gab ja bereits Gespräche über Fusionen unter einigen unabhängigen Kooperationen, um die notwendige Flächendeckung zu erreichen. Die Schwierigkeit dabei ist, dass alle Initiatoren davon überzeugt sind, dass sie das richtige Konzept haben. Es kann durchaus sein, dass es keiner der großhandelsunabhängigen Kooperationen in den kommenden ein bis zwei Jahren gelingen wird, die Flächendeckung zu erreichen. Damit würde es kein inhabergeführtes Gegengewicht zu möglichen Kettenszenarien geben.

Vor diesem Hintergrund kam mir der Gedanke, diejenigen Kooperationen, welche die inhabergeführte Apotheke erhalten wollen, auf Bundesebene als Verband zu vernetzen. Dies bedeutet, dass sich die Kooperationen untereinander durchaus im Wettbewerb miteinander befinden, dass jede Kooperation Partikularinteressen verfolgt, aber auch gemeinsame Interessen formulieren kann.


DAZ: Welche Interessen, welche Ziele haben Sie hier? Ein paar Worte zur Struktur Ihres Verbandes

Hartmann: Unserem Verband können ordentliche Mitglieder, aber auch Fördermitglieder, welche unsere Intention unterstützen wollen, beitreten. Wir wollten also keinen weiteren klassischen Apothekerverband – das haben wir bereits und er macht eine wichtige und gute Arbeit. Wir möchten gerne unterschiedliche Marktteilnehmer, die von einem Strukturwandel in gleicher Weise betroffen sein werden wie die Apotheken, gemeinsam im Verband tätig sehen. In meiner Modellannahme gehe ich von folgendem Szenario aus: Es kann durchaus sein, dass die Kette kommt – ohne sie herbeireden zu wollen: dann kann es sein, dass die Apothekenzahl auf 15.000 abnehmen wird, davon dürfte sich die Hälfte einer Kette anschließen, sodass noch ca. 7500 inhabergeführte Apotheken übrig bleiben könnten. Die Apothekenpflicht dürfte weitgehend erhalten bleiben und wir gehen davon aus, dass die Drogeriemärkte mittelfristig nicht nennenswert in den Markt eintreten werden. Um der Kette ein Konzept gegenüberzustellen, bedarf es daher weiterer mittelständischer Marktteilnehmer, die auch kein Interesse daran haben, der Kette das Feld alleine zu überlassen. Deswegen möchte ich auch mittelständische Firmen, Warenwirtschaftsdienstleister, Steuerberatungsgesellschaften, möglicherweise auch Banken etc. in diesen Verband mit integrieren, die alle das Ziel haben, die inhabergeführte Apotheke zu stärken.


DAZ: Was ist das Hauptziel des Verbandes?

Hartmann: Das Hauptziel des Verbandes ist es, sich für den Erhalt der inhabergeführten Apotheke einzusetzen, in welcher Form auch immer sich das System entwickeln wird. Entscheidend dabei wird sein, dass der Inhaber einer Apotheke über zentrale Bereiche die "Lufthoheit" behält.


DAZ: Herr Hartmann, wie ist das Echo im Markt auf Ihre Aktivität? Wie viele Mitglieder konnten Sie bisher schon gewinnen?

Hartmann: Ich bin überzeugt, dass es ein Marathonlauf wird und kein kurzer Sprint. Ich glaube, wir sind mit dieser Idee dem Markt ein Stück weit voraus. Mit der Öffnung des Verbandes für weitere Marktteilnehmer als Fördermitglieder haben wir eine sehr anspruchsvolle Form gewählt. Nach gut fünf Monaten hat sich die Mitgliederzahl jedoch von zwölf auf 23 fast verdoppelt. Auch die easy-Apotheken sind mit ihrem Konzept seit Kurzem dabei. Wir gehen davon aus, dass auch dies ein Angebot an die inhabergeführte Apotheke ist, über das man durchaus diskutieren kann. Ich meine, dass sich Discount-Konzepte durchaus etablieren können, wenn auch vielleicht nicht auf einer breiten Basis. Ich persönlich würde mich lieber einem Premium-Konzept anschließen.


DAZ: Ist auch DocMorris schon bei Ihrem Verband dabei?

Hartmann: Bis jetzt hat DocMorris keinen Aufnahmeantrag gestellt. Würde dieser großhandelseigene Zusammenschluss es tun, müsste er sich klar für die inhabergeführte Apotheke aussprechen und die Ziele des BVDAK öffentlich unterstützen. Das kann ich mir allerdings derzeit kaum vorstellen, da sich DocMorris eher in Richtung Kette bewegt.


DAZ: Wie steht die ABDA zu Ihrem Verband? Werden Sie von der Jägerstraße kritisch beäugt?

Hartmann: Das kann ich Ihnen so gar nicht beantworten, da ich mit Herrn Wolf bisher nur telefonieren konnte. Auf dem Bayerischen Apothekertag in Regensburg habe ich jedoch mit vielen Standesvertretern und Kollegen gesprochen und wir haben ein ausgesprochen gutes Verhältnis miteinander, weil uns das Ziel letztendlich eint. Wobei es natürlich etablierte Verbände immer ein wenig kritisch sehen, wenn ein neuer Verband mit ähnlicher Zielsetzung zugange ist. Wir tun uns aber insofern nicht weh, da sich die etablierten Verbände bisher nicht um die Kooperationen bemüht haben. Wir wären an einer fruchtbaren Zusammenarbeit selbstverständlich interessiert.


DAZ: Was ist Ihre nächste Aufgabe, wie geht es nun weiter?

Hartmann: Mein Ziel ist es, mit Politikern, Kooperationen sowie weiteren Marktteilnehmern dauerhaft ins Gespräch zu kommen und uns weiter bekannt zu machen. Wir möchten zeigen, dass wir keine Vorstufe zur Kette sind und für die inhabergeführte Apotheke eintreten, aber hierfür die Form der Vernetzung untereinander wählen. Auch zum Verbot verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch Internethandel möchte ich in nächster Zeit mit dem Bundesverband der Deutschen Versandapotheken sprechen. Gerade den Ausfransungen aufgrund des dm-Urteils müssen wir Einhalt gebieten. Könnte es nicht auch im Interesse der deutschen Versandapotheken sein, freiwillig auf den Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu verzichten? Denn was jetzt in Deutschland aufgrund dieses Urteils passiert, nämlich die Pick-up-Stellen in Drogeriemärkten, dürfte auch nicht im Interesse der Versandapotheker sein.


DAZ: Herr Hartmann, vielen Dank für das Gespräch.

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