Pharmakogenetik

Was wissen wir über Pharmakogenetik?

Wissenstest bei Apothekern, Ärzten und Patienten
Von Stephanie Röhm, Daniel Schmidt und Stephanie Läer

Individualisierte Arzneimitteltherapie ist ein aktuelles Thema in der Medizin, das klar macht, dass der Patient mit seinen Besonderheiten im Mittelpunkt steht. Ein wesentliches Element hierbei ist die klinische Anwendung der Pharmakogenetik. Wie der Kenntnisstand bei Apothekern und Ärzten zur Pharmakogenetik ist, erfuhren Studierende und Doktoranden der Klinischen Pharmazie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf im Rahmen einer regionalen Umfrage. Auch das Interesse von Patienten an dieser Thematik wurde erfragt.

Bei der Suche nach der optimalen Arzneimitteltherapie für jeden einzelnen Patienten, stößt man sehr schnell auf die Frage: Welche Faktoren machen den individuellen Patienten aus? Faktoren wie Körpergröße und Körpermasse können einfach erkannt und in die Arzneimitteltherapie miteinbezogen werden. Auch Alter der Patienten sowie Nieren- und Leberfunktion werden in die individuelle Therapiesteuerung einbezogen. Für das individuelle Profil eines Patienten sind auch genetische Merkmale wichtig. Man weiß, dass Gene zum Beispiel für die Augenfarbe und Körpergröße verantwortlich sind. Gene bestimmen aber auch das Ansprechen auf Arzneimittel. Sind diese Gene bekannt, kann durch Dosisänderung oder Wechsel auf ein anderes Arzneimittel die Therapie schnell und effizient angepasst werden. Dieses Wissensgebiet ist noch recht jung und wird Pharmakogenetik genannt. Das Besondere ist, dass mit Blutuntersuchungen die genetischen Eigenschaften im Vorfeld bestimmt werden können. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass die pharmakogenetische Testung vor Therapiebeginn bei Patienten von großer Bedeutung sein kann. Kennt man beispielsweise den individuellen Genotyp für das Cytochrom-P450-2D6-Enzym, das in den Stoffwechsel von Tamoxifen, einem Chemotherapeutikum bei hormonempfindlichem Brustkrebs, involviert ist, kann man ein frühzeitiges Brustkrebsrezidiv wahrscheinlich vermeiden [1, 2]. Auch die Einstellung der Blutgerinnung mit dem Antikoagulans Warfarin lässt sich bei Kenntnis des Genotyps schon innerhalb von einer Woche statt von zwei Wochen zielsicher bewerkstelligen, weil man von vornherein die richtige Dosis einsetzen kann [3]. Für Warfarin wird eine Bestimmung des Genotyps auch in der Packungsbeilage in den USA empfohlen.

Im Laufe der letzten Jahre wurde immer wieder über die Bedeutung und über den Einsatz der Pharmakogenetik berichtet.

Die pharmakogenetische Diagnostik kann helfen, die Arzneimitteltherapie maßgeschneidert auf Patienten abzustimmen (s. Das kleine Einmaleins der Pharmakogenetik).


Das kleine Einmaleins der Pharmakogenetik


CYP2D6, CYP 2C19, CYP 2C9, VKORC – alles Zahlen- und Buchstabenkürzel für Gene, die bei mehr als einem Prozent unserer Bevölkerung erheblich variieren und dann ihre Enzymaktivität deutlich verändern können. Polymorphismen nennt man solche Genvariationen, die bei mehr als einem Prozent der Bevölkerung auftreten, und die Ursache für unerwünschte Wirkungen aber auch für die Wirkungslosigkeit der Arzneimitteltherapie sein können.

Phänotyp und Genotyp

Die Grundsätze der Pharmakogenetik und seine Bedeutung für die Arzneimitteltherapie lassen sich gut am Beispiel des arzneimittelabbauenden Enzyms Cytochrom P450 2D6 (CYP2D6) erklären. Beschreibt man die Enzymaktivität, spricht man vom Phänotyp, beschreibt man die zugrunde liegenden genetischen Variationen dieser Enzymaktivität, spricht man vom Genotyp.

Langsame Metabolisierer

In der kaukasischen Bevölkerung besitzen acht bis zehn Prozent Genvaria-tionen des CYP2D6-Gens, die zu einer sehr geringen Enzymaktivität führen. Patienten mit dieser Genvariation verstoffwechseln Arzneimittel, die über CYP2D6 abgebaut werden, sehr langsam und werden daher Langsammetabolisierer genannt (Poor Metabolizer, PM). Klinisch kann eine langsame Metabolisierung vermehrt oder verstärkt zu unerwünschten Wirkungen führen. Eine Dosisreduktion kann dieses verhindern. Sinnvoll erscheint es also, vor Therapiebeginn den Genotyp des CYP2D6 zu bestimmen und dann die Dosis für den Patienten maßgeschneidert auszuwählen. Viele Psychopharmaka und Antidepressiva werden über CYP2D6 verstoffwechselt. Patienten können mit Psychopharmaka schneller eingestellt und aus dem Krankenhaus entlassen werden, wenn bei ihnen der CYP2D6-Genotyp bestimmt und die Dosis entsprechend angepasst wird [4, 5]. Es kann aber auch sein, dass das CYP2D6 notwendig ist, den wirksamen Metaboliten zu bilden wie im Fall des Tamoxifens [1, 2]. Dann müsste ein Langsammetabolisierer höhere Dosen erhalten oder auf ein alternatives Arzneimittel eingestellt werden. Wenn durch eine pharmakogenetische Diagnostik und Therapieoptimierung wie im Fall des Tamoxifens Brustkrebsrezidive nicht nach sechs sondern erst nach zwölf Jahren auftreten, ist das ein extrem wichtiger Beitrag der Pharmakogenetik zur Arzneimitteltherapie mit erheblichen Verbesserungen für den Patienten.

Schnelle und ultraschnelle Metabolisierer

Neben den bereits erwähnten langsamen Metabolisierern (PM), die zwei defekte Allele Gene besitzen, unterteilt man drei weitere Phänotypen: Eingeschränkte, „intermediäre“, Metabolisierer (IM), die genotypisch durch ein eingeschränktes und ein defektes Allel definiert sind, die normalen, „extensiven“ Metabolisierer (EM), die zwei intakte Allele tragen und eine Gruppe mit stark erhöhter Enzymaktivität, die sogenannten ultraschnellen Metabolisierer (URM). Phänotypisch können sie durch die metabolische Kapazität (MR) der Testsubstanz Dextromethorphan charakterisiert werden, da diese das Verhältnis der Muttersubstanz zum umgesetzten Metaboliten Dextrorphan über CYP2D6 beschreibt. Sie korreliert mit dem Genotyp, so dass anhand des Genotyps der Phänotyp vorhergesagt werden kann [6]. Ein beschleunigter Metabolismus durch eine hohe Aktivität des CYP2D6-Enzyms führt häufig zu niedrigen Plasmaspiegeln bei den Arzneistoffen, bei denen es maßgeblich in die Verstoffwechslung eingreift. Therapieversagen ist eine mögliche Konsequenz. Bei Prodrugs, bei denen erst durch Verstoffwechslung der aktive Metabolit gebildet wird, ist es umgekehrt. Eine schnellere Aktivierung kann zu Intoxikationen durch den Metaboliten führen, was bei ultraschnellen Metabolisierern (URM) von großer Bedeutung sein kann. Mögliche Folgen zeigen die Schilderungen eines Patientenfalls [7]. Während einer stationären Behandlung erhielt ein 62-jähriger Mann das Antitussivum Codein in Standarddosierung wegen eines starken Hustenreizes bei beidseitiger Lungenentzündung. Nur wenige Stunden später wurde er aufgrund typischer Symptome einer Opiatvergiftung intensivmedizinisch behandelt. Nach der Gabe von dem Opiatantagonisten Naloxon verbesserte sich sein Zustand rasch. Da Codein in vivo etwa zu 10% zu Morphin durch CYP2D6 biotransformiert wird, können Patienten mit einer erhöhten Aktivität dieses Enzyms bis zu 50% des Codeins zu Morphin verstoffwechseln. So könnte die Opiatvergiftung zustande gekommen sein. Eine Genotypisierung des Patienten bestätigte den Verdacht: Er besaß eine Duplikation des CYP2D6-Gens, was häufig zu einer Metabolisierungskapazität eines URM führt.



Hierbei sollten Ärzte und Apotheker sich gemeinsam um die Therapieoptimierung bemühen. Aber wie ist der Kenntnisstand hierzu? Können diese Instrumente schon zielsicher von den Berufsgruppen eingesetzt werden? Doktoranden und Studierende der Klinischen Pharmazie der Universität Düsseldorf wollten es wissen. Sie entwarfen einen Fragebogen und befragten in einem Zeitraum von zwölf Wochen im Jahr 2007 80 Apotheker in ihrer Offizin, 42 niedergelassene Ärzte und 80 Patienten in Apotheken in den Regionen Düsseldorf, Herne und Lüdenscheid. Die Charakteristik der Befragten ist in Tabelle 1 dargestellt.


Tab. 1: Charakteristik der Befragten
Apotheker
Ärzte
Patienten
Anzahl der Befragten
80
42
80
Geschlecht (weiblich)
42%
29%
66%
Alter
(Mittelwert in Jahren)
42
43
49
Berufsjahre
15
15

Jeder Person wurden maximal zehn Fragen gestellt. Die Befragung dauerte etwa zehn Minuten. Für Interessierte ist eine gekürzte Version des Tests in Tabelle 2 aufgeführt.


Tab. 2: Umfrage bei Apothekern, Ärzten und Patienten
Apotheker
Ärzte
Patienten
I. ALLGEMEINE FRAGEN
1. Haben Sie den Begriff Pharmakogenetik schon einmal gehört?*

a) ja
b) nein
58%
38%
8,75%
1.a Können Sie ihn erklären bzw. was stellen Sie sich darunter vor?**
48%
13%
3%
2. Möchten Sie persönlich wissen, ob Sie genetische Variationen aufweisen, die Einfluss haben auf*

a) die Wirkung von Arzneimitteln
b) die Entstehung von Krankheiten
x
x
a) 73%

b) 50%
3. Wer soll die pharmakogenetische Diagnostik bezahlen?

a) Krankenkasse
b) Kosten trage ich selber (siehe Text)
x
x
a) 60%
II. WISSENSTEST***
4. Was bedeutet Polymorphismus?

a) Auftreten einer Genvariation in der Population mit einer Häufigkeit von mehr als 1%
b) Erniedrigte/erhöhte Chromosomenzahl
c) Synonym für Mutation
75%
62%
x
5. Welche Auswirkungen können Veränderungen an arzneistoffmetabolisierenden Enzymen haben?

a) Veränderte Halbwertszeit
b) Veränderte Wirkung eines Pharmakons
c) Vermehrtes Auftreten von unerwünschten Wirkungen
64%
69%
x
6. Was muss bei der Behandlung eines langsamen Metabolisierers (PM) beachtet werden?

a) Die Dosis muss erhöht werden

b) Die Dosis muss erniedrigt werden

c) Je nach Medikament kann die Dosis erhöht oder erniedrigt werden
28%
43%
x
7. Bei welchen der folgenden Cytochrom-P450-Subtypen treten gehäuft medikamentenbezogene Polymorphismen auf?

a) CYP23A4
b) CYP2D6
c) CYP14K5
42%
5%#
x
8. Was schätzen Sie, wie viele Arzneistoffe werden über CYP2D6 verstoffwechselt?

a) Weniger als ein Zehntel
b) Mehr als ein Zehntel, aber weniger als die Hälfte

c) Fast alle
30 %
41%
x
9. Welche der folgenden Antidepressiva werden über CYP2D6 verstoffwechselt?

a) Sertralin
b) Fluoxetin
c) Doxepin
d) Amitriptylin
6%
7%
x
10. Würden Sie Fortbildungsveranstaltungen besuchen, bei denen Sie angefangen von den genetischen Grundlagen bis über die arzneimittelbezogenen Probleme, die Krankheiten und die ethisch-rechtliche Situation zur adäquaten Beratung umfassend informiert würden?*

a) Ja
b) Nein

57%

88%

x
Allgemeine Fragen Wissenstest x = Fragen nicht gestellt
* = % positive Antworten ** = % richtige Antworten *** = % richtige Antworten; richtige Antworten sind unterstrichen
# = signifikanter Unterschied gegenüber Ärzten (siehe Abbildung 2)

Fragebögen an Patienten

Die Fragebögen an die Patienten enthielten Fragen zu ihrer derzeitigen Lebenssituation und zur Pharmakogenetik. Sie sollten den Begriff Pharmakogenetik definieren und sagen, ob sie ihn vorher schon einmal gehört haben, welches Interesse sie einem pharmakogenetischen oder einem diagnostischen humangenetischen Monitoring entgegenbringen. Sie sollten Auskunft über den Geldbetrag geben, den sie bereit wären, für eine pharmakogenetische Untersuchung aufzubringen. Die Beteiligten wurden nach ihren Erfahrungen mit Arzneimitteln befragt, beispielsweise zu bereits erlittenen Nebenwirkungen, die eine Therapie erheblich beeinflusst haben. Darüber hinaus sollten sie Auskunft geben, ob sie aktuell einer Dauermedikation unterliegen und von wem sie sich gerne pharmakogenetisch beraten lassen würden.

Fragebögen an Ärzte und Apotheker

Apotheker und Ärzte hingegen erhielten einen allgemeinen Fragebogen und wurden einem Wissenstest unterzogen. Allgemeine Fragen bezogen sich auf die Begriffsdefinition und auf das Interesse an Fort- und Weiterbildung auf dem Sektor der Pharmakogenetik. Der Wissenstest enthielt sechs Fragen zur Pharmakogenetik, die für das Verständnis der Therapieoptimierung wichtig sind.

Auswertung der Fragebögen

Jede Frage erhielt einen definierten Schlüssel zur Auswertung. Nur vollständig richtig beantwortete Fragen wurden mit einem Punkt bewertet. Nicht beantwortete Fragen wurden als "unentschlossen" gedeutet und mit null Punkten versehen. Zur statistischen Berechnung dienten der Chi-Quadrat-Test nach Pearson (Kreuztabellen), der Wilcoxon-White-Test (parameterfrei für zwei unabhängige Stichproben), der Kruskal-Wallis-Test (parameterfrei für k unabhängige Stichproben) und der McNemar-Test (für verbundene Stichproben mit dichotomem Merkmal).

Fragen und Antworten

1. Haben Sie den Begriff Pharmakogenetik schon einmal gehört?

Auf diese Einstiegsfrage antworteten über 90% der Ärzte und über 70% der Apotheker mit "Ja". Den Laien war der Begriff überhaupt nicht vertraut: Nur 2,5% antworteten mit "Ja". Jeder Teilnehmer, der diese Frage mit "Ja" beantwortet hatte, musste sich dann die Nachfrage gefallen lassen, ob er oder sie den Begriff Pharmakogenetik auch erklären könne oder was er oder sie sich darunter vorstellt. Die Begriffsdefinitionen wurden als richtig bewertet, sofern eine korrekte und brauchbare Definition folgte, aus der hervorging, dass die Gene einen Einfluss auf die Arzneimittelwirkung haben. Eine korrekte Erklärung gaben deutlich weniger Befragte "Ja-Sager". 50% der Apotheker brachten auch die richtigen Inhalte mit dem Begriff in Verbindung, bei den Ärzten waren es nur etwa 30%. Die medizinischen Laien konnten den Begriff überhaupt nicht richtig einordnen.

2. Möchten Sie persönlich wissen, ob Sie genetische Variationen aufweisen, die Einfluss haben auf

a) die Wirkung von Arzneimitteln?

b) die Entstehung von Krankheiten?

Die Pharmakogenetik erhält breiten Zuspruch von Seiten der medizinischen Laien. 73% der Befragten befürworten die Gendiagnostik zum Schutze der Arzneimittelsicherheit. Nur 50% der Laien möchten etwas über ihre genetische Disposition zur Erkennung von Krankheiten erfahren (p = 0.0004).

3. Wer soll die pharmakogenetische Diagnostik bezahlen?

Nichtsdestotrotz kommt ein Patient ungern selbst für die Kosten auf. Gut 60% sehen als Kostenträger dieser Dienstleistung ausschließlich die Krankenkasse (s. Abb. 1).


Abb.1: Bereitschaft der Patienten, für ein pharmakogenetisches Monitoring zu bezahlen; k. A. = keine Angabe.

Insbesondere ältere Patienten unter Dauermedikation sind an der pharmakogenetischen Diagnostik interessiert, vermutlich deshalb, weil mit steigendem Alter die Anzahl an Krankheiten und damit die Einnahme an Arzneimitteln steigt. Wenn aufgrund einer chronischen Therapie langfristig Arzneimittel eingenommen werden müssten, würden sogar 95% der Laien eine pharmakogenetische Diagnostik durchführen. Dieser Wert erscheint recht hoch, spiegelt allerdings nur das Interesse der Personen, ohne Berücksichtigung einer Kostenbeteiligung, wider. Hier wird das Bedürfnis der Patienten nach Arzneimittelsicherheit deutlich. Deshalb haben wir überprüft, welchen Kenntnisstand zur Pharmakogenetik die Fachleute zum jetzigen Zeitpunkt bereits mitbringen.

Was wissen Ärzte und Apotheker?

Im Folgenden sind zunächst drei Fragen zur allgemeinen Pharmakogenetik aufgeführt. Die Fragen folgen dem Multiple-select-Prinzip, das bedeutet, dass mindestens eine und maximal alle Antworten richtig sein können.

4. Was bedeutet Polymorphismus?

a) Auftreten einer Genvariation in der Population mit einer Häufigkeit von mehr als 1%

b) Erniedrigte/Erhöhte Chromosomenzahl

c) Synonym für Mutation

Ein Polymorphismus beschreibt das Auftreten einer Genvariante in einer Population mit einer Häufigkeit von mehr als einem Prozent. Es handelt sich nicht um ein Synonym für eine Mutation oder eine Veränderung der Chromosomenzahl, wie wir es bei dieser Multiple-select-Frage als Falschantwort zur Auswahl gestellt haben. Das wussten 75% der Apotheker und 62% der Ärzte.

5. Welche Auswirkungen können Veränderungen an Arzneistoff-metabolisierenden Enzymen haben?

a) Veränderte Halbwertszeit

b) Veränderte Wirkung eines Pharmakons

c) Vermehrtes Auftreten von unerwünschten Wirkungen (Nebenwirkungen)

Bei dieser Frage galt es, alle drei Antwortmöglichkeiten anzukreuzen. Eine veränderte Halbwertszeit, eine veränderte Wirkung des Pharmakons und ein vermehrtes Auftreten von unerwünschten Wirkungen sind bei einem Enzympolymorphismus zu erwarten. Diese Frage beantworteten 64% der Apotheker und 69% der Ärzte korrekt.

6. Was muss bei der Behandlung eines langsamen Metabolisierers (PM) beachtet werden?

a) Die Dosis muss erhöht werden

b) Die Dosis muss erniedrigt werden

c) Je nach Medikament kann die Dosis erhöht oder erniedrigt werden

Die Dosis muss erniedrigt oder erhöht werden je nachdem, ob ein Prodrug oder ein bereits wirksames Substrat vorliegt. Das hatten viele noch nicht verstanden. Die meisten Befragten gingen von einem bereits wirksamen Substrat aus und waren der Meinung, die Dosis müsse erniedrigt werden. Nur 43% der Ärzte und 28% der Apotheker beantworteten die Frage vollständig richtig. Statistisch ergab sich zwischen beiden Berufsgruppen kein Unterschied.

7. Bei welchen der folgenden Cytochrom-P450-Subtypen treten gehäuft medikamentenbezogene Polymorphismen auf?

a) CYP23A4

b) CYP2D6

c) CYP14K5

Es waren mit CYP23A4, CYP2D6 und CYP14K5 drei potenzielle Enzyme zur Auswahl gegeben. CYP2D6 ist das Enzym, was als einziges dieser drei im menschlichen Körper exprimiert wird. Die anderen beiden sind frei erfunden. Diese Frage wurde von einem geringen Prozentsatz richtig beantwortet, obwohl es sich bei CYP2D6 um das zweitwichtigste CYP-Enzym handelt, das etwa bei 20% unserer Arzneimittel am Metabolismus beteiligt ist. Apotheker scheinen ein besseres Verständnis für den Arzneimittelstoffwechsel zu haben, denn 42% von ihnen beantworteten die Frage richtig im Gegensatz von nur 5% der Ärzte (p = 0.0004).

8. Was schätzen Sie, wie viele Arzneistoffe werden über CYP2D6 verstoffwechselt?

a) Weniger als ein Zehntel

b) Mehr als ein Zehntel, aber weniger als die Hälfte

c) Fast alle

Wie bereits oben erwähnt, ist das CYP2D6 Enzymsystem in ca. 20% der Arzneistoffmetabolisierungen involviert. Das wussten 30% der Apotheker und 41% der Ärzte.

9. Welche der folgenden Antidepressiva werden über CYP2D6 verstoffwechselt?

a) Sertralin

b) Fluoxetin

c) Doxepin

d) Amitriptylin

Zur Auswahl standen mit Sertralin, Fluoxetin, Doxepin und Amitriptylin vier verschiedene Antidepressiva von denen, außer Sertralin, alle ein Substrat von CYP2D6 darstellen. Diese Frage kombiniert das Wissen um Enzyme und Wirkstoffe und wurde dementsprechend von beiden Gruppen am schlechtesten beantwortet. Die Ergebnisse der CYP-Fragen sind in Abbildung 2 graphisch zusammengefasst.


Abb. 2: Richtige Antworten in Prozent der Fragen des Wissenstests von Ärzten und Apothekern.

Patienten vertrauen auf Apotheker und Arzt

Auf die Frage, wer die Beratung zu einem genetischen Test durchführen soll, sind 93% der Laien der Meinung, dass diese von Arzt und Apotheker gemeinsam getragen werden sollen. Vor dem Hintergrund der noch sehr rudimentären Kenntnisse in diesem Wissensgebiet kann dieser Vertrauensvorschuss von Patienten nur Anstoß und Motivation für beide Berufsgruppen sein, sich vertieft in dieses wichtige Wissensgebiet einzuarbeiten.

Beide Berufsgruppen wissen aber auch, dass sie ihre Lücken schließen müssen. Am Fortbildungswillen mangelt es jedenfalls nicht. Das zeigte die Antwort auf die zehnte Frage:

10. Würden Sie Fortbildungsveranstaltungen besuchen, bei denen Sie über die genetischen Grundlagen, die arzneimittelbezogenen Probleme, die Krankheiten und die ethisch-rechtliche Situation zur adäquaten Beratung umfassend informiert würden?

Die Antwort beider Berufsgruppen fiel eindeutig aus. Bei den Ärzten antworteten 88% mit einem "Ja" auf diese Frage. Auch Apotheker zeigten mit 57% eine Bereitschaft zur Fortbildung.

Das ist auch gut, denn in der universitären Ausbildung ist die Pharmakogenetik im Fach Klinische Pharmazie bei den Pharmaziestudierenden und im Fach Klinische Pharmakologie bei den Medizinstudierenden bereits integraler Bestandteil des Curriculums. Damit besitzt die nachwachsende Apotheker- und Ärztegeneration gute Grundlagen für die pharmakogenetische Beratung. Ein systematischer Aufbau der Fort- und Weiterbildung von bereits niedergelassenen Apothekern und Ärzten in der Pharmakogenetik wäre allerdings nötig, um zukünftig den Patienten dieses wertvolle diagnostische Werkzeug zur Verbesserung der Wirksamkeit und Sicherheit der Arzneimitteltherapie zugänglich zu machen.

Fazit

Patienten sind in hohem Maß bereit, pharmakogenetische Untersuchungen zuzulassen, sehen aber die Krankenkassen in der Pflicht, die Kosten zu übernehmen. Die meisten Ärzte und Apotheker wissen, was sich thematisch hinter dem Begriff Pharmakogenetik verbirgt, allerdings nur in groben Zügen. Es fehlen detaillierte Hintergrundinformationen beider Fachgruppen, um dieses Werkzeug zielsicher einsetzen zu können. In punkto Arzneimittelverstoffwechslung besitzen Apotheker Ärzten gegenüber bessere Vorkenntnisse. Beide Berufsgruppen sind gewillt, ihre Lücken mit Fort- und Weiterbildungen zu schließen.

 

Danksagung

Dank gilt den Studierenden des Wahlpflichtpraktikums Sanna Kehrmann und Eugenia Lapizky und dem Apotheker Sebastian Geitz für ihren Einsatz und ihr Engagement sowie dem Statistiker Dr. Reinhart Willers der Heinrich-Heine-Universität für die statistische Beratung.

 


Literatur

[1] Jin Y, Desta Z, Stearns V, Ward B, Ho H, Lee KH, Skaar T, Storniolo AM, Li L, Araba A, Blanchard R, Nguyen A, Ullmer L, Hayden J, Lemler S, Weinshilboum RM, Rae JM, Hayes DF, Flockhart DA. CYP2D6 genotype, antidepressant use, and tamoxifen metabolism during adjuvant breast cancer treatment. J Natl Cancer Inst 2005;97:30-9.

[2] Goetz MP, Rae JM, Suman VJ, Safgren SL, Ames MM, Visscher DW, Reynolds C, Couch FJ, Lingle WL, Flockhart DA, Desta Z, Perez EA, Ingle JN. Pharmacogenetics of tamoxifen biotransformation is associated with clinical outcomes of efficacy and hot flashes. J Clin Oncol 2005;23:9312-8.

[3] Schwarz UI, Ritchie MD, Bradford Y, Li C, Dudek SM, Frye-Anderson A, Kim RB, Roden DM, Stein CM. Genetic determinants of response to warfarin during initial anticoagulation. N Engl J Med 2008;358:999-1008.

[4] Chou WH, Yan FX, de Leon J, Barnhill J, Rogers T, Cronin M, Pho M, Xiao V, Ryder TB, Liu WW, Teiling C, Wedlund PJ. Extension of a pilot study: impact from the cytochrome P450 2D6 polymorphism on outcome and costs associated with severe mental illness. J Clin Psychopharmacol 2000;20:246-51.

[5] Kropp S, Lichtinghagen R, Winterstein K, Schlimme J, Schneider U. Cytochrome P-450 2D6 and 2C19 polymorphisms and length of hospitalization in psychiatry. Clin Lab 2006;52:237-40.

[6] McElroy S, Sachse C, Brockmoller J, Richmond J, Lira M, Friedman D, Roots I, Silber BM, Milos PM. CYP2D6 genotyping as an alternative to phenotyping for determination of metabolic status in a clinical trial setting. AAPS PharmSci 2000;2:E33.

[7] Gasche Y, Daali Y, Fathi M, Chiappe A, Cottini S, Dayer P, Desmeules J. Codeine intoxication associated with ultrarapid CYP2D6 metabolism. N Engl J Med 2004;351:2827-31.

 

 


Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. med. Stephanie Läer,

Klinische Pharmazie und Pharmakotherapie

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Universitätsstraße 1

40225 Düsseldorf

 

 

Das könnte Sie auch interessieren

Chancen und Probleme der Wirkstoffauswahl bei Depressionen

Therapieresistenz überwinden

Die Pharmakogenetik ebnet den Weg für erfolgreiche individualisierte Interventionen

Maßgeschneidert

Warum eine Genotypisierung vor einer Tamoxifen-Behandlung Sinn machen könnte

Erst Gentest, dann Therapie?

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.