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Kürzer warten auf neue Arzneimittel

LONDON (tmb). Ein besonders häufig angeführtes Argument gegen Beschränkungen der Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln im Rahmen einer "vierten Hürde" ist die zeitliche Verzögerung, bis neue Arzneimittel geprüft und für die Erstattung freigegeben werden. In Großbritannien wird nach langen Erfahrungen mit solchen Prüfungen nun ein Gesetzesentwurf der Regierung erwartet, der die Bearbeitungsdauer auf sechs Monate begrenzen würde.

Da bisher durchaus einige Jahre vergehen können, bis über die Erstattungsfähigkeit eines neuen Arzneimittels im National Health Service für England und Wales entschieden wird, würde eine Frist von sechs Monaten ab der arzneimittelrechtlichen Zulassung die Situation wesentlich verändern. Auf Arzneimittel, die ein positives Votum des National Institute für Clinical Excellence (NICE) erhalten haben, sollen die Patienten künftig einen Rechtsanspruch haben, wenn ihr Einsatz klinisch angemessen erscheint. Nach Darstellung von Alan Johnson aus dem britischen Gesundheitsministerium soll damit der vielfach kritisierten "Postcode Lottery" begegnet werden. Darunter wird in Großbritannien die unterschiedliche Verschreibung von Arzneimitteln in verschiedenen Städten und Regionen aufgrund regionaler Budgets verstanden. Darüber hinaus wird erwartet, dass im Rahmen sogenannter primary care trusts neue Arzneimittel unabhängig von einem generellen Votum des NICE erstattet werden, wenn bei dem jeweiligen Patienten ein klarer Nutzen zu erkennen ist. Eine Behandlung mit Arzneimitteln soll zudem nicht allein aus Kostengründen abgelehnt werden können.

Als Folge der neuen Regelungen werden zusätzliche Arzneimittelausgaben von 100 Millionen Pfund erwartet. Kritiker sehen darin einen "Blankoscheck" für die Pharmaindustrie. Es heißt, für die Verwendung der Ressourcen müsse es stets eine überprüfbare Begründung geben.

Konsequenzen für Deutschland

Mit Blick auf die Erfahrungen britischer und anderer ausländischer Patienten wird bei der Diskussion über Nutzen-Bewertungen und Kosten-Nutzen-Analysen durch das deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) immer wieder argumentiert, dass solche Bewertungen die Einführung neuer Arzneimittel für die gesetzlich versicherten Patienten verzögern würden. Die Bewertung vor der Einführung in den breiten Markt ist auch aus methodischer Sicht problematisch, weil viele Daten über den patientenbezogenen Nutzen nur aus dem tatsächlichen Versorgungsalltag gewonnen werden können, was wiederum die Erstattungsfähigkeit voraussetzt. Als Kompromiss ist sowohl in Deutschland als auch auf internationaler Ebene vielfach eine befristete Erstattungsfähigkeit vorgeschlagen worden. So würden die Patienten sofort von einer möglicherweise nützlichen Innovation profitieren und es könnten realistische Versorgungsdaten gewonnen werden, bevor endgültig über den Nutzen des Produktes und seine Erstattungsbedingungen entschieden wird.

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