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Es fällt, es fällt nicht …

Peter Ditzel

Der Apothekenmarkt ist unruhig geworden, sehr unruhig sogar. Alles blickt nach Luxemburg und wartet auf die anstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Fremd- und Mehrbesitzverbot. Fällt es oder fällt es nicht? Der Apothekenmarkt könnte sich nach dieser Entscheidung, wie viele fürchten und einige hoffen, anders entwickeln als heute. Voraussichtlich im Herbst dieses Jahres wird man, so die Expertenmeinung, mit der mündlichen Verhandlung rechnen müssen. Ein Urteil erwarten die Insider dann etwa sechs bis neun Monate später, also etwa im April 2009.

Und bis dahin sind die unterschiedlichsten Reaktionen im Markt zu vernehmen. Während die einen in eine Todesstarre-ähnliche Haltung verfallen und wie hypnotisiert auf den Richterspruch warten, oft einfach weiterwursteln, verfallen andere gleich ganz in Trübsal und Lethargie und tun erst mal gar nichts; Motto: ist eh alles zu spät, die Pharmazie und die deutsche Apotheke gehen sowieso den Bach runter, Deutschland wird mit Apothekenketten überzogen, die Großen fressen die Kleinen.

Wieder andere werden quicklebendig; zwar gehen auch sie davon aus, dass die Ketten kommen, aber sie werden schon mal recht umtriebig und wollen sich von der neuen Apothekenlandschaft mit der neuen Freiheit, von der sie vermuten, dass sie kommt, ein großes Stück sichern. Ihnen sind drei Filialen nicht genug, sie bauen viel lieber im Hintergrund bereits heute ein Miniimperium mit Apotheken auf (an der Legalität vorbei werden Apotheken über unterschiedlichste Verträge gebunden). Sollte das Fremd- und Mehrbesitzverbot fallen, werden sie sich mit ihrer über Nacht entstandenen Kette outen und versuchen, hier mitzumischen. Oder sie gehen den eher offenen und aggressiven Weg nach vorne, installieren Franchise-ähnliche Konzepte und lassen sich diese von den Kolleginnen und Kollegen, die da mitmachen, teuer bezahlen. Solange Ketten nicht erlaubt sind, profitieren sie von den Franchise-Gebühren, nach einer möglichen Liberalisierung wollen sie dann Kettenmanager sein.

Schließlich gibt es noch die Apothekerinnen und Apotheker, die fest an eine gute Pharmazie glauben, ihren Heilberufsauftrag ernst nehmen und sich auf ihre Stärken besinnen: Kompetenz in Sachen Arzneimittel. Es gibt in unserem Gesundheitssystem keinen, der diese Kompetenz mit allem, was dazu gehört, besitzt – außer den unabhängigen Apotheker. Und dessen sollten wir uns viel stärker bewusst sein. Keine Regierung will auf diese Kompetenz verzichten, selbst solche nicht, die Ketten zugelassen haben. Der Apothekerberuf ist bereits heute in einigen Ländern ein gesuchter Beruf. In den USA erhalten bereits Berufseinsteiger Spitzengehälter von 100.000 Dollar pro Jahr und mehr. Auch England sucht Apotheker.

Also, die anstehende Entscheidung des EuGH darf uns nicht lähmen. Zum einen ist es – wie bei allen Prozessen – höchst ungewiss, wie das Urteil ausfallen wird. Freilich, es lassen sich einige Gründe finden, warum das Gericht das Fremd- und Mehrbesitzverbot kippen könnte. Aber es gibt eine Menge guter Gründe dafür, dass sich das Gericht dafür entscheidet, die Regelung über den Fremd- und Mehrbesitz bei Apotheken im Zuständigkeitsbereich der Länder selbst zu belassen. Die Bundesregierung selbst hat bereits in einer Stellungnahme im Juli des vergangenen Jahres das deutsche Fremdbesitzverbot unter Hinweis auf die Unabhängigkeit des Apothekers und auf den Gesundheitsschutz gerechtfertigt. Und selbst wenn sich die Richter am EuGH für eine Liberalisierung aussprechen sollten, kommt es immer noch darauf an, in welchem Umfang sie das tun. Rechtsexperten können sich sehr gut einige Varianten einer gemäßigten Liberalisierung vorstellen. So muss es nicht zwingend sein, dass sich Großhandlungen oder Pharmafirmen bei Apothekenketten beteiligen dürfen. Vorstellbar ist auch, das Fremdbesitzverbot auf die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu beschränken. Letzten Endes hängt einiges auch davon ab, welche Anforderungen eine Apothekenbetriebsordnung an den Apothekenbetrieb stellt. Für den einen oder anderen Drogeriekonzern dürften bereits heutige Auflagen (Labor, Räumlichkeiten, Untersuchungen, Beratung) wenig attraktiv sein, sich Apotheken anzuschaffen.

Mein Credo: Wir sollten die Zeit bis zu einer Entscheidung intensiv nutzen und weiter daran arbeiten, uns als qualitativ hochwertige und leistungsstarke Apotheke aufzustellen (der negativ ausgefallene Test der Stiftung Warentest ist hier kontraproduktiv). Profilieren Sie Ihren Betrieb mit seinen Stärken. Viele Firmen bekennen sich zur inhabergeführten Apotheke und leisten Unterstützung. Egal, ob "es" dann fällt oder nicht: wir bleiben stark und unverzichtbar.


Peter Ditzel

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