Arzneimittel und Therapie

Dendrimer-basiertes Vaginalgel zur HIV-Prävention

Schutzmaßnahmen zur Prävention von HIV-Infektionen, die Frauen selbst anwenden und kontrollieren können, tragen dazu bei, die weitere Ausbreitung von Aids einzudämmen. Die vaginale Applikation mikrobizider Wirkstoffe wäre eine solche Methode. Das Dendrimer-basierte Vaginalgel SPL7013 (VivaGelTM), dessen antivirale Aktivität in Studien an Tieren bewiesen wurde, gilt als ein möglicher Kandidat für ein solches Mikrobizid. Phase-I Studien an Menschen ergaben eine gute Verträglichkeit, die Wirksamkeit bei Menschen ist allerdings derzeit völlig unklar.

27 Jahre nachdem 1981 die ersten Aids-Fälle bekannt geworden sind, breiten sich HIV-Infektionen weltweit nach wie vor unvermindert aus. Mehr als 90% der HIV-infizierten Menschen leben in Entwicklungsländern und haben keinen Zugang zu einer wirksamen antiretroviralen Kombinationsbehandlung. Kondome alleine sind offensichtlich nicht in der Lage, die weitere Ausbreitung von Aids zu stoppen. Die Gründe, weshalb Kondome als Schutzmaßnahme abgelehnt werden, sind vielfältig und nicht selten gesellschaftssoziologisch bedingt. In Entwicklungsländern, wo Frauen oft akut gefährdet sind, sich mit HIV zu infizieren, sind Frauen meist von Männern wirtschaftlich abhängig und daher häufig nicht in der Lage, auf die Anwendung von Kondomen zu bestehen, wenn Männer als "Kondomträger" dies ablehnen. Prostituierte aus Thailand und Afrika gaben in Interviews an, dass sie einen höheren Ertrag erzielen, wenn sie nicht auf die Anwendung von Kondomen bestünden. Mikrobizide, die vaginal oder auch rektal als zusätzliche Schutzmaßnahme appliziert werden könnten, würden es Frauen ermöglichen, sich selbst aktiv vor einer HIV-Infektion zu schützen. Bisher ist jedoch kein derartiges Präparat verfügbar. Ein ideales Anti-HIV-Mikrobizids sollte folgende Anforderungen erfüllen:

  • gute viruzide Aktivität gegen alle HIV-Stämme
  • Wirksamkeit sowohl gegen zellfreie als auch gegen zellassoziierte HI-Viren
  • idealerweise zusätzlich mikrobizide Aktivität gegen andere sexuell übertragbare Pathogene
  • mikrobizide Aktivität auch in Gegenwart von Samenflüssigkeit
  • keine Beeinflussung der Vaginalflora (insbesondere keine bakterizide Wirkung auf Lactobacillen)
  • möglichst zusätzlich kontrazeptive Wirksamkeit
  • beständig gegen physiologischen sauren vaginalen pH-Wert
  • Stabilität bei hohen (tropischen) Temperaturen
  • geruch-, farb- und geschmacklos
  • kompatibel mit Latex
  • leicht anzuwenden
  • kostengünstig und leicht erhältlich
  • für Sexualpartner akzeptabel.

VivaGelTM (SPL7013 Gel), das als topisches Mikrobizid zur Verhinderung von HIV- und Genitalherpes-Infektionen entwickelt wurde, hat sich nach Auskunft der Herstellerfirma in einer klinischen Phase-I-Studie bei zweimal täglicher vaginaler Anwendung an sexuell abstinenten Frauen über 14 Tage als gut verträglich erwiesen. Der wirksame Inhaltsstoff dieser Gel-Formulierung ist ein Dendrimer, ein Polymer mit polyanionischer Oberfläche, das sich ausgehend von einem Kern wie ein Baum verzweigt (von griech.: dendros – Baum). In vorklinischen Studien an Zellkulturen und Tieren konnte die antivirale Aktivität gegen Herpes- und HI-Viren nachgewiesen werden. Als Wirkungsmechanismus wird postuliert, dass die negativ geladenen funktionellen Gruppen an der Oberfläche des Dendrimers an das gp120 Protein von HIV binden und so die Bindung der Viren an CD4-Oberflächenproteine von menschlichen T-Lymphozyten verhindern.

SPL7013 als 3%ige Gel-Formulierung hat sich in dieser Phase-I-Studie mit kurzer Laufzeit und bei sexuell abstinenten Frauen, bei denen keine Scherkräfte oder Mikroblutungen der Schleimhaut durch Geschlechtsverkehr auftreten konnten, zwar als verträglich erwiesen. Aussagen zur therapeutischen Wirksamkeit bei Menschen können in dieser frühen Phase der klinischen Entwicklung jedoch nicht gemacht werden. Ein anderer aussichtsreicher Kandidat (Ushercell, ein Cellulosesulfat-Gel) wurde 2007 in Phase-III der klinischen Entwicklung gestoppt, da sich ein möglicherweise erhöhtes Risiko für HIV-Infektionen bei der Anwendung dieses Mikrobizids gezeigt hatte. Bereits im Jahr 2000 war festgestellt worden, dass bei häufiger Anwendung des mikrobiziden Wirkstoffs Nonoxinol-9 durch Veränderungen des Vaginalmilieus und Schädigung der Vaginalschleimhaut Infektionen begünstigt werden. Unabhängig davon ist die Durchführung von Phase-III-Studien für diese Indikation generell mit besonderen Herausforderungen verbunden. Da es unethisch wäre, die Studienteilnehmerinnen nicht zusätzlich zur Anwendung von Kondomen anzuleiten, es aber für ein statistisch aussagekräftiges Ergebnis notwendig ist, dass sich ein nicht zu geringer Anteil im Verlauf der Studie mit HIV infiziert, müssen mehrere tausend Frauen eingeschlossen werden. Um dies zu erreichen, müssen derartige Studien meist in mehreren Ländern mit hoher HIV-Prävalenz durchgeführt werden. Das Studienprotokoll müsste einerseits standardisiert sein, sollte anderseits aber dennoch die Sexualpraktiken in den jeweiligen Ländern berücksichtigen, um die protokollgemäße Anwendung des Gels zu gewährleisten. Ob die Teilnehmerinnen letztendlich das Gel tatsächlich anwenden (und ob mit oder ohne Kondom), kann nur durch Selbstauskunft der Studienteilnehmerinnen dokumentiert werden.

Fazit

Um die Übertragung von HI-Viren effektiv zu verhindern gibt es derzeit keine Alternative zu Kondomen. Wirksame, leicht erhältliche und kostengünstige Mikrobizide könnten jedoch insbesondere in Entwicklungsländern dazu beitragen, die weitere Ausbreitung von Aids einzudämmen. Ob allerdings das Dendrimer-basierte VivaGelTM angesichts der zu erwartenden Herausforderungen die entscheidende Phase der klinischen Entwicklung überstehen wird, bleibt abzuwarten.

 

Quelle

Starpharma meldet positive Ergebnisse klinischer Mikrobizid-Studie. Pressemitteilung vom 14. Mai 2008.

www.gyn.net/news/pharma_medtech/

,_psmand,7.html

Balzarini, J.; Van Damme, L.: Microbicide drug candidates to prevent HIV infection. Lancet 2007; 369: 787-797.

 


Apothekerin Dr. Birgit Schindler

 

 

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